PTC Liveworx 2023

Wie PTC die Produktentwicklung revolutionieren will

31.05.2023 von Manfred Bremmer
Auf der LiveWorx 2023 zeigte PTC Strategien und Lösungen, mit deren Hilfe Fertigungsunternehmen schneller, agiler, effizienter und nachhaltiger Produkte herstellen und warten können.
PTC-CEO Jim Heppelmann war sichtlich erfreut, 2023 wieder eine Hausmesse mit Live-Gästen abhalten zu können.
Foto: PTC

Mehr als 6.000 Live-Gäste aus aller Welt (und ähnlich viele online zugeschaltete) fanden sich Mitte Mai im Boston Convention & Exhibition Center ein, als PTC nach vier Jahren Zwangspause wieder seine Hausmesse Liveworx abhielt.

Wie PTC-CEO Jim Heppelmann zu Beginn in seiner Keynote ausführte, hat der vor allem für seine CAD- und PLM-Lösungen bekannte Anbieter die Zeit gut genutzt und in den vergangenen Jahren gut drei Milliarden Dollar investiert, um sein Lösungsportfolio organisch und mit Hilfe von Übernahmen zu aktualisieren und auszubauen.

Heppelmann verwies dabei insbesondere auf folgende Aktivitäten:

Mit den aktualisierten Lösungen und dem erweiterten Portfolio, so erklärte der PTC-CEO, wolle seine Company den Lebenszyklus der Produktentwicklung auf neue und tiefergehende Weise unterstützen. Im Folgenden identifizierte Heppelmann einige Charakteristika, wie sich die Produktentwicklung verändert - und erklärte anhand von Praxisbeispielen, wie PTC seinen Kunden dabei unter die Arme greifen kann.

Schnelligkeit und Agilität

Unternehmen, die schnell neue Märkte erschließen wollen, Startups mit einer neuen Produktidee oder Firmen in schnelllebigen Branchen wie der Modeindustrie: Sie alle benötigen Tools, die den Produktentwicklungsprozess digitalisieren und die Zusammenarbeit mit bestehenden oder neuen Zulieferern erleichtern, damit sie ihre neuen Produkte rechtzeitig auf den Markt bringen können, erklärte der PTC-CEO.

So habe etwa die VF Corporation - besser bekannt durch Marken wie The North Face, Vans oder Timberland - ihre Produktentwicklung digitalisiert und damit mehr Flexibilität geschaffen, um auf der Grundlage von Daten auf Marktveränderungen reagieren zu können. Mit einem zentralen Repository in Windchill FlexPLM für alle Produktinformationen und -kommunikation sei die US-Company dabei in der Lage, mit Zulieferern zusammenzuarbeiten, Zeitpläne anzupassen und intelligentere Entscheidungen zu treffen.

Der Automatisierungsspezialist Festo wiederum habe erkannt, dass Software eine zunehmend wichtige Rolle in seinen Produkten spielt, berichtete Heppelmann. Als Konsequenz führte der PTC-Kunde moderne agile Praktiken aus der Softwareentwicklung wie Scrum-Teams, Sprints oder Kanban-Boards ein - und nutzt Tools wie die ALM-Plattform Codebeamer (Application Lifecycle Management), um diese Arbeitsweise zu unterstützen. Durch die Verbindung von ALM mit PLM konnte so eine klare Rückverfolgbarkeit während des gesamten Entwicklungsprozesses erreicht werden.

Wachstum und Profitabilität

Daneben gibt es aber auch etablierte Fertigungsunternehmen, die bereits ein breit gefächertes Produkt-Portfolio aufweisen und dabei Wachstum und Profitabilität in Einklang bringen müssen, erklärte Heppelmann. Hierbei helfe ein modellbasierter digitaler Thread, bei dem Produktinformationen wiederverwendet und Versionen und Konfigurationen auf eine Weise miteinander verknüpft werden, die eine Rückverfolgbarkeit und Änderungskontrolle ermöglicht, so der PTC-CEO.

Während für manche Unternehmen Geschwindigkeit Trumpf ist, spielt für andere, häufig bereits etablierte Konzerne die Profitabilität eine große Rolle.
Foto: PTC

Als Beispiel für ein Unternehmen mit einer solchen Plattformstrategie verwies er auf die Volvo Group: Der schwedische Hersteller verwendet im Rahmen der Volvo CAST (Common Architecture Shared Technology) viele Bauteile wie Motoren, Fahrgestelle oder Achsen gleich für mehrere Fahrzeuge, was die Fertigungsstraßen besser auslastet, die Produktpalette ausweitet und die Effizienz steigert.

In einem Videobeitrag erklärte Silvi Laks, Senior Vice President Vehicle Engineering bei der Volvo Group, dass das Unternehmen dazu effiziente PLM-Tools brauche, die sowohl die Produktinformationen speicherten als auch eine weltweite Zusammenarbeit unterstützten. Durch den Wechsel auf die CAD- und PLM-Systeme von PTC (Creo und Windchill) habe Volvo "die Komplexität durch den Einsatz dieser Methodik reduziert, und wir haben festgestellt, dass wir zwar die Anzahl der Produkte erhöht, aber die Anzahl der Teile um ein Vielfaches reduziert haben", so Laks.

Nachhaltig entwickeln

Ein weiteres Thema, mit dem sich Fertigungsunternehmen gleich aus mehreren Gründen beschäftigen müssen, ist der zunehmende Fokus auf Nachhaltigkeit. Schätzungsweise 80 Prozent des ökologischen Fußabdrucks eines Produkts werden durch Entscheidungen während der Entwicklung verursacht, etwa was Materialien, Art der Fertigung, Wiederverwertbarkeit und vieles mehr angeht, erklärte Catherine Kniker, Chief Sustainability Officer bei PTC.

Um die Sustainability-Ziele der Fertigungsunternehmen beim Recycling und der Fertigungseffizienz zu unterstützen, habe PTC seine Kooperation mit Ansys und aPriori ausgebaut, gab Kniker bekannt. PTC und Ansys, die bereits seit mehreren Jahren im Bereich der Produktdesign- und Simulationssoftware zusammenarbeiten, werden die Arbeitsabläufe zwischen PTCs CAD-Lösung Creo, der PLM-Software Windchill und Ansys' Materialinformationsmanagement-Lösung Ansys Granta MI weiter integrieren. Auf diese Weise sollen Konstrukteure leichter beurteilen können, wie sich die in einem Produkt verwendeten Materialien auf die Produktleistung, den enthaltenen Carbon Footprint und die Recyclingfähigkeit auswirken, so die PTC-Managerin.

Durch die erweiterte Kooperation mit aPriori wiederum könnten sie die Entwürfe in CAD und PLM besser überprüfen und Berichte zu Teilekosten, Herstellbarkeit und Umweltverträglichkeit erstellen. Sind Änderungen erforderlich, sei die Software von aPriori in der Lage, Verbesserungsvorschläge für die Konstrukteure zu erstellen, bevor hohe Kosten anfallen, erklärte Kniker.

Service-Lebenszyklus vervollständigt

PTC nutzte die diesjährige LiveWorx auch, um den Kunden und Partnern die Gründe für die Übernahme des Field-Service-Management-Anbieters ServiceMax darzulegen und ihnen die daraus erwachsenden Vorteile vorzustellen. So soll es der mit knapp 1,5 Milliarden Dollar bislang größte Zukauf PTC ermöglichen, die bestehende Service-Lifecycle-Management-Suite, bestehend aus der Dokumentationslösung Arbortext, dem Ersatzteil-Management-System Servigistics, der IIoT-Plattform ThingWorx und der Industrial-AR-Suite Vuforia zu vervollständigen.

ServiceMax nimmt eine zentrale Position in PTCs Service-Portfolio ein.

Auf diese Weise werde der kompletten Service-Lebenszyklus und damit auch der "Infinity Loop", der vollständige Produktlebenslauf, abgedeckt, erklärte PTC-Chef Heppelmann: "ServiceMax ermöglicht es PTC, diese Endlosschleife zum Leben zu erwecken." Heppelmann zufolge weist die Serviceseite ein enormes Potenzial auf, da ein Produkt während seiner Lebensdauer zehnmal mehr Serviceeinnahmen generieren kann als durch den ursprünglichen Verkauf.

PTC-Chef erklärte in seiner Keynote, welche Rolle das Service Lifecycle Management in seiner Produktstrategie spielt.
Foto: PTC

Nicht ganz unrelevant für PTC ist außerdem, dass das Unternehmen mit ServiceMax einige bedeutende Kunden erhält, darunter (Windchill-Nutzer) Schneider Electric. Durch die Verknüpfung von ServiceMax und Windchill sei es dem französischen Konzern gelungen, wertvolle Einblicke in anlagenzentrierte Servicestrategie zu gewinnen, erklärte der PTC-CEO. Durch die Verknüpfung von Service- und IoT-Daten konnte er die vorausschauende Instandhaltung vorantreiben sowie neue und bessere Services entwickeln.

Zudem sind die FSM-Funktionen von ServiceMax eng in das CRM-System (Customer Relationship Management) von Salesforce integriert, was vielen Unternehmen eine Integration erleichtert.

Weiterer Übergang zu SaaS

Seit der 2019 erfolgten Übernahme von OnShape baut PTC sein SaaS-Portfolio weiter aus. Als neuestes Cloud-fähiges Produkt, basierend auf OnShape- und Arena-Technologie, stellte die Company auf der LiveWorx 2023 die ab Sommer verfügbare CAD-Lösung Creo+ vor.

Mit Creo+ hat PTC nun sein SaaS-Portfolio erweitert.

Die Vorteile der SaaS-Variante von Creo 10 (ebenfalls neu) liegen neben einer schnelleren Implementierung in neuen Features, so PTC: Live-Zusammenarbeit mit anderen Entwicklern, wobei mehrere Benutzer gleichzeitig in Creo+ an demselben Entwurf arbeiten; Versionierung und Rollback von Konstruktionsänderungen sowie einfachere Verwaltung.

Creo+ benötigt dabei eine Internet-Verbindung, läuft jedoch nicht im Browser, sondern muss auf dem Rechner installiert werden. Laut Brian Thompson, verantwortlich für den CAD-Bereich von PTC, sollen jedoch künftige Version von Creo+ im Browser und ohne lokale Dateien laufen. Ein Verschmelzen von Onshape und Creo+ ist dagegen nicht geplant, weil diese verschiedene Nutzergruppen und Anforderungen adressierten: Creo+ richte sich an große Unternehmen mit komplexeren Konstruktionen und Power-CAD-Anwendern, während Onshape eher die schnelle agile Produktentwicklung in der Cloud anspreche.

Und was ist mit Generative AI?

Ein Buzzword, das auf der LiveWorx durch Abwesenheit glänzte, war Generative AI. ChatGPT & Co. würden zwar intern verwendet, spielten jedoch als primär sprachbezogene Tools in den Produkten derzeit noch keine Rolle, erklärte PTC-CEO Heppelmann in einer Q&A-Session auf Nachfrage: "Das Besondere an ChatGPT ist, dass es so einfach ist: Man gibt einen Text ein und bekommt einen Text zurück. Es ist jedoch schwer, 3D in Text auszudrücken. Die einzige Möglichkeit, 3D wirklich auszudrücken, ist in 3D."

"Wir haben kein Generative AI, aber Generative Design", fügte der PTC-Chef an. Die 3D-CAD-Funktion von Creo erstelle mithilfe von KI anhand von vorgegebenen Systemanforderungen selbstständig optimierte Designentwürfe. "Es ist ein wenig anders als GPT, aber es ist immer noch eine KI-basierte, generative Technologie", erklärte Heppelmann.

PTC-CTO Steve Dertain fügte hinzu, dass jedes PTC-Produkt Potenzial für den Einsatz von Generativer KI habe. So sei etwa in ServiceMax ein KI-Chatbot integriert, der Außendiensttechnikern hilft. Mit etwas mehr Kontextinformationen könne man GPT dazu bringen, zu verstehen, wie diese Daten zusammenhängen und so Nutzern eine hochwertigere Serviceerfahrung bieten. Ähnliches gelte für die PLM-Lösung Windchill und alle anderen datenzentrierten Produkte.