Wie IBM im Software-Business Microsoft und Oracle standhält

04.04.2007
Nach Microsoft ist IBM der weltweit zweitgrößte Softwareanbieter. Das Erfolgsrezept: Kleine Softwarehäuser zukaufen und ihre Produkte über den gewaltigen Vertriebsarm der IBM vermarkten.

Immerhin 44 Softwarehäuser hat IBM seit dem Jahr 2000 geschluckt. 9,5 Milliarden Dollar nahm der IT-Gigant dafür in die Hand. Im vierten Quartal 2006 setzte Big Blue bereits 18,2 Milliarden Dollar mit Software um, eine Steigerung von 14,4 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Rund 40 Prozent des gesamten Profits verdankt der Konzern diesem Geschäftszweig, der aber nur 20 Prozent zu den Einnahmen beiträgt. Kein Wunder, dass die Armonker weiter in Software investieren wollen und zusätzliche Übernahmen anstreben.

Der Architekt des Erfolgs ist Steve Mills. Wie der IBM-Veteran gegenüber dem "Wall Street Journal" betonte, war das Softwaregeschäft schon immer ein wichtiges Standbein für den IT-Riesen. Doch seit einigen Jahren macht IBM nicht mehr mit langweiliger Mainframe-Software das große Geschäft, sondern mit Produkten, die zu den schnell wachsenden und attraktiven Marktsegmenten gehören. Schon 1995 erkannte Mills die Bedeutung des Internets und wies die Programmierer an, in der Softwarefamilie Websphere offene Standards zu unterstützen. Für IBM, das jahrzehntelang proprietäre Technologien angeboten und seine Märkte abgeschottet hatte, war das ungewöhnlich.

Doch der Erfolg gab dem IBM-Veteran recht: Um 23 Prozent legte der Umsatz mit den Websphere-Produkten im letzten Jahr zu, sogar ein 26-prozentiges Plus verzeichneten die System-Management-Tools der Tivoli-Reihe, und das von Microsoft bedrängte Lotus-Geschäft schaffte immer noch ein zwölfprozentiges Wachstum.

Filenet, ISS und andere "dicke Brocken"

Das Erfolgsrezept von Mills liegt darin, kleine, oft privat gehaltene Softwarehäuser mit unbekannten, aber viel versprechenden Produkten zuzukaufen. Das meiste Geld gab Big Blue in den vergangenen sechs Jahren für das auf Entwicklungs-Tools spezialisierte Softwarehaus Rational Software aus, nämlich 2,1 Milliarden Dollar. Zu den größeren Übernahmen zählen neben Lotus und Tivoli auch Informix, Ascential, Filenet, ISS, Micromuse und MRO Software. Mills sagte gegenüber dem Wall Street Journal, er kaufe vorzugsweise Firmen mit einzigartigen Produkten, die sehr viel Wachstumspotenzial haben, um sie über IBMs 5000 Mitarbeiter starke Software-Vertriebsmannschaft abzusetzen.

Der Architekt des Erfolgs: IBM-Manager Steve Mills

Käufe, um an ein Sales-Team oder eine Kundenbasis zu gelangen, lehnt er ebenso ab wie die bloße Akquisition zusätzlicher Umsatzbringer. Interessant ist für Mills allein die strategische Komponente: Helfen die Produkte dem IBM-Portfolio weiter und haben sie das nötige Marktpotenzial? Laut Mills verzeichneten die zwischen 2002 und 2004 zugekauften Firmen durchschnittlich ein 25-prozentiges Wachstum, nachdem IBM sie übernommen hatte. Dazu zählt beispielsweise die im Juni 2004 für 430 Millionen Dollar gekaufte Candle Corp., deren Wachstum sich dramatisch beschleunigte.

Der Manager hat bei IBM schon im Jahr 2000 einen Integrationsprozess entwickelt, über den Zukäufe standardmäßig ins Unternehmen eingebunden werden. Die Verantwortlichen wurden damals aufgefordert, genau aufzuzeichnen, welche Maßnahmen im Übernahme- und Integrationsprozess erfolgreich waren und welche sich als kontraproduktiv herausstellten. Außerdem startete Mills seiner Zeit das "Signature Selling System", in dem auf wöchentlicher Basis Kaufgelegenheiten kategorisiert und verfolgt werden. Zunächst hassten einige Vertriebler den bürokratischen Aufwand, später wurde dann aber dieses Vorgehen für den gesamten Konzern übernommen.

Wie IBM die Zukäufe "blau wäscht"

Ist eine Übernahme abgeschlossen, entsendet IBM ein Team aus, das den Integrationsprozess steuert. "Jeder Beschäftigte der betroffenen Firma bekommt einen IBM-Mitarbeiter als Beistand", sagte Mills der US-Wirtschaftszeitung. "Blue-washing" nennen die IBMer den Prozess, in dem die Mitarbeiter eingeschworen, die Produkte eingepasst und teilweise auch umbenannt und die Kulturen verschmolzen werden.

Trotz seines großen Erfolgs wird Steve Mills wohl nicht Thronerbe von CEO Samuel Palmisano. Beide Manager sind 55 Jahre alt und dürften - wie in IBMs Führungsriege üblich - mit 60 in den Ruhestand treten. Doch allein die Tatsache, dass Mills noch immer die Softwaregeschicke des Konzerns lenkt, ist ein Zeichen größter Wertschätzung: Seitdem Palmisano im Amt ist haben es nur zwei Vorstände der IBM geschafft, ihre Position zu halten. (hv)