Heidelberg Assistant

Wie Heidelberg mit einer Datenplattform die Druckmaschine transformiert

05.03.2019 von Thor Olavsrud
Mit Hilfe einer interaktiven digitalen Plattform ermöglicht es Druckmaschinenhersteller Heidelberg seinen Kunden im industriellen Offsetdruck, in Echtzeit auf Daten über den Service- und Leistungsstatus ihrer Druckereien zuzugreifen.

Vorausschauende Instandhaltung (Predictive Maintenance) ist zu einer Art Vorreiter für die digitale Transformation in der Fertigungsindustrie geworden. Die Heidelberger Druckmaschinen AG zählt zu den Herstellern, die sich bereits früh dem Thema widmeten. Schon seit 2002 bietet Heidelberg seinen Kunden Predictive Monitoring und Performance-Beratung als Service an. Grundlage dafür sind Maschinendaten, die das Unternehmen durch die Anbindung seiner industriellen Offsetdruckmaschinen an das Internet sammelt und auswertet.

Der Heidelberg Assistant ermöglicht den Kunden von Heidelberg rund um die Uhr einen Echtzeitzugriff auf Informationen über den Service- und Leistungsstatus ihrer Druckereien.
Foto: Heidelberger Druckmaschinen AG

Diese Daten, die beispielsweise im Falle eines Servicefalls übertragen werden, alarmieren Heidelberg proaktiv über alle anstehenden Probleme, sagt Tom Oelsner, Head of Digital Innovation bei Heidelberg. "Der Kunde muss nicht mehr ans Telefon gehen. So unterstützt unser intelligentes Diagnose-Tool eCall einen proaktiven Servicebetrieb", erklärt er.

Bis vor kurzem waren diese Daten jedoch für die Kunden nicht transparent. "Wir sprechen von großen Datenmengen, die von Maschinen übertragen werden, wir berechnen KPIs und visualisieren Trendlinien, aber am Ende zählt nur der Kundennutzen. Kann sich der Kunde damit verbessern oder nicht, das ist der ultimative Maßstab", beschreibt Oelsner die Situation.

Die Antwort von Heidelberg war die Schaffung einer interaktiven digitalen Plattform mit dem Namen Heidelberg Assistant. Dafür wurde Heidelberg von IDG mit dem Digital Edge 50 Award 2019 für digitale Innovationen und dem Digital Leader Award 2016 in der Kategorie "Create Impact" ausgezeichnet. Der Heidelberg Assistant nutzt Big Data in der Cloud, um den Kunden von Heidelberg rund um die Uhr einen Echtzeitzugriff auf Informationen über den Service- und Leistungsstatus ihrer Druckereien zu ermöglichen. Die Plattform umfasst den Zugriff auf Leistungs- und Vorhersagedaten, Verträge, Rechnungsdaten und einen eShop.

Heidelberg Assistent

Der Heidelberg Assistant ist eine digitale Plattform, die weltweit Maschinendaten und technische Daten mit der Heidelberg Cloud verbindet. Insgesamt werden so die Daten von mehr als 11.000 Druckmaschinen und 25.000 Softwaremodulen zusammengeführt. Mit diesen Daten lassen sich Anwendungen wie Ferndiagnose, Predictive Monitoring, Leistungsbeurteilung oder Qualitätszertifizierung realisieren. Kunden ermöglicht der Heidelberg Assistent, dass alle Details von Serviceanforderungen an Heidelberg in einem automatisierten Prozess bereitstellen und Echtzeitinformationen über zum Klärungsprozess oder die Einsatzplanung erhalten. Diese werden dann direkt in den Wartungsplaner integriert.

Nachdem Heidelberg den Heidelberg Assistant ab Dezember 2017 in ausgewählten Märkten einführte, konnten im ersten Jahr bereits 500 Kunden weltweit erreicht werden. Außerdem habe Heidelberg auch sein Ziel von 35 Prozent wöchentlich aktiven Kunden für das Portal erreicht, sagt Oelsner und damit die Auslastung von 20 Prozent für durchschnittliche Anwendungen weltweit deutlich übertroffen. All dies wirke sich positiv auf das Ergebnis aus, da Heidelberg Assistant bereits jetzt deutlich über den Erwartungen des Unternehmens zum Umsatz im Servicegeschäft beitrage und die Wertbeitrag im weiteren Verlauf des Rollouts deutlich steigen dürfte, so Oelsner weiter.

Resultat des Design Thinking

Oelsner zufolge hat sich Design Thinking als entscheidend für den Erfolg von Heidelberg Assistant erwiesen. Bei Heidelberg wählte Oelsners Team gleich zu Beginn der Entwicklung zehn Kunden aus und identifizierte bei den Unternehmen die Rollen oder Positionen der Mitarbeiter, die Einblick in eine der Heidelberg-Maschinen benötigen könnten. So wurde etwa analysiert, wie ein Schichtleiter mit der Druckmaschine interagiert und welche Informationen er in dieser Zeit benötigen könnte.

"Das öffnete mir persönlich die Augen", berichtet Oelsner, "denn als wir zum ersten Kunden gingen und ihm erklärten, wie wunderbar unsere Kuchendiagramme die Leistung anzeigen und was man daraus lernen kann, gab uns der Kunde ein klares Feedback:.... Vorhersage löst kein Problem. Wenn ich einen Maschinenausfall habe, wie erhalte ich Informationen darüber, ob der Vor-Ort-Service bereits geplant ist und wann ein Serviceteil eintrifft?"

Dies seien die Art von Informationen, die für einen Benutzer wichtig sind, aber normalerweise nicht als Anforderung beim Hersteller ankommen, so der Heidelberg-Mann. "Mit Design Thinking vermeidet man das, weil man direkt auf die Stimme des Kunden hört", sagt Oelsner.

Transformatorischer Wandel

Bei Heidelberg kommt die Anweisung, das Geschäft zu digitalisieren und zu transformieren, von ganz oben. Aber selbst mit dieser Direktive, erzählt Oelsner weiter, habe der Prozess Herausforderungen mit sich gebracht. "Dass Heidelberg digital wird, ist eine Unternehmensinitiative", erläutert Oelsner, "wir hatten von Anfang an Unterstützung und die Kunden drängten uns in diese Richtung, keine Frage. Dennoch ist es eine große Veränderung."

Die Technologie ist nämlich nur der eine Teil, erklärt Oelsner: "Es war uns sehr wichtig, von allen oberen und mittleren Führungskräften, einschließlich aller Mitarbeiter, die am Service Desk arbeiten, die Zusage zu bekommen, dass wir diesen neuen digitalen Service wirklich anbieten können." Genau das sei die Herausforderung gewesen, denn wie bei jedem Change-Management-Projekt wird man scheitern, wenn man nicht die Herzen, Köpfe und Hände der Menschen gewinnt, die dies wirklich umsetzen müssen, so der Heidelberg-Manager.

Letztendlich hätten er und sein Team diese Herausforderung gemeistert, indem sie alle Mitarbeiter und Führungskräfte von Anfang an in das Projekt einbezogen. Sie erklärten den Plan, sammelten die Anforderungen und investierten in "Blick-über-die-Schulter"-Interviews mit Service-Desk-Mitarbeitern, um zu verstehen, was diese für Änderungswünsche haben.

Wichtig für den Projekterfolg ist laut Oelsner auch die Zusammenstellung des richtigen Teams. Dies gelte besonders für ein Unternehmen mit mehr als 150 Jahren Geschichte und Tradition. Gerade das mittlere Management könne viel Widerstand gegen Veränderungen aufbauen, wenn ein Unternehmen seit mehr als 100 Jahren auf eine bestimmte Art und Weise agiert.

"Man muss wirklich ein Unternehmer sein, um eine solche Idee zu starten", blickt Oelsner zurück, "das bedeutet, dass die IT wichtig ist, das Produkt-Management wichtig ist, die Kundenorientierung wichtig ist und Sie ein Team zusammenstellen müssen, in dem diese Funktionen nicht mehr getrennt sind. Dies ist ein völlig anderer Arbeitsstil als Sie ihn bislang kennen. Es ist entscheidend, dass Sie zu einem Punkt kommen, an dem sich das Team wirklich wie ein Startup verhält."