Trotz Outsourcing

Wie Entwickler Karriere machen

08.07.2009 von Michael Schweizer
Softwareprogrammierer werden auch in der Krise gebraucht. Können sie zuhören und reden, haben sie gute Aufstiegschancen.

Die IT-Branche ist gar nicht so schnelllebig. Zumindest wenn man mit Softwareentwicklern spricht, lernt man Berufswege wie den von Markus Abt kennen. Vor 18 Jahren hat er als Informatikstudent angefangen, bei Comet Computer in Projekten zu jobben. 1994 stellte ihn der Münchner Dienstleister, der sich auf technische Dokumentation spezialisiert hat, fest ein. Seither ist er dabeigeblieben. Mittlerweile leitet er die Softwareentwicklung für Kunden und den Hausbedarf sowie die interne Systemadministration.

Abt schätzt die "Varianz" seiner Aufgaben. Sie ist typisch für einen Mittelständler - Comet hat etwa 80 Mitarbeiter. Aber dass der Entwicklungsleiter "nicht mehr täglich" selbst programmiert und stattdessen der "permanente Kontakt" mit Kollegen und Kunden mehr Zeit in Anspruch nimmt, wäre auch in einem großen Unternehmen so gekommen. Höhere Positionen sind überall mit viel Kommunikation verbunden.

Wersich als Entwickler behaupten will, muss Tätigkeiten ausüben, die viel mit Kommunikation verknüpft sind. Foto: Fotolia/ Michanolimit
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Das geht auch Alexander Hauswald so. Binnen sieben Jahren hat er sich beim Münchner IT-Beratungs- und Softwareunternehmen Consol (rund 180 Mitarbeiter) über Projekte zum Senior Entwickler und dann zum IT-Architekten hochgearbeitet. Als solcher plant er für Kunden IT-Architekturen nicht selten auf fünf oder zehn Jahre hinaus: "Ich habe sehr viel Kundenkontakt. Wenn ein Kunde ein Problem sieht oder sich neue Funktionen wünscht, bin ich der erste technische Ansprechpartner." Er entwirft einen Gesamtplan, empfiehlt "Vorgehensweisen und Technologien", hält sich aber aus manchen Einzelheiten heraus, so wie ein Hausarchitekt dem Handwerker nicht vorschreibt, "wie er eine Tür einbauen muss".

Von Menschen für Menschen

"Vom Wie zum Was" hat sich auch für Mirco Freiberg die "tägliche Kernfrage" verlagert, seit er beim Handelskonzern Otto Group (53.000 Mitarbeiter in 19 Ländern) Abteilungsleiter des vertrieblichen E-Commerce geworden ist. Die Java-Software, deren Entwicklung er leitet, "bindet komplexe Backend-Systeme an einen Webshop an". Doch dieses anspruchsvolle technische ist für Freiberg ein "People Business": "Ein Anwender prägt die Anforderungen an die Instrumente, die IT muss hier genau zuhören können und umsetzen." Ob draußen der Kunde oder im eigenen Haus der Anwender sitzt, ob der Softwarespezialist also beim IT-Unternehmen oder in einer anderen Branche arbeitet, macht unter Dienstleistungsgesichtspunkten keinen entscheidenden Unterschied.

Zwei Stichworte bringen Entwickler immer wieder.

Thomas Geyer, Skytec: Entwickler sollen breiter aufgestellt sein.

"Oh ja", sagt Thomas Geyer, Mitgründer und Vorstand von Skytec (rund 220 Mitarbeiter), der IT-Dienstleister und Berater aus Oberhaching achte bei der Suche nach Softwareentwicklern sehr darauf, dass die Neuen auch gut kommunizieren könnten. Auch in ihrem eigenen Interesse. Das reine Codieren falle durch die Geschwindigkeit, in der sich Tools und Sprachen entwickeln, am leichtesten, solange man 20 bis 35 Jahre alt sei. Bis dahin sollte man zusätzlich in andere Tätigkeiten hineingewachsen sein, "deshalb ist es uns wichtig, dass die Leute breiter aufgestellt sind". Zu den entsprechenden "höheren Aufgaben" zählt Geyer die Qualitätssicherung: Um Tests zu planen, brauche man "Erfahrung in der Entwicklung". Die Probeläufe ausführen könnten dann auch weniger routinierte Softwerker.

Relativ freundlicher Arbeitsmarkt

Für seinen Standort Hamburg-Bramfeld sucht Otto 30 neue IT-Mitarbeiter. Auch Skytec, Consol und Comet wollen einstellen. Laut einer Studie der Bundesagentur für Arbeit gibt "Der Arbeitsmarkt für IT-Fachkräfte" (Februar 2009) ein besseres Bild ab als viele andere Branchen. Im Juni 2008 waren 518.000 IT-Fachleute - darunter unter anderen Bezeichnungen auch Softwareentwickler - sozialversicherungspflichtig beschäftigt, 4,5 Prozent mehr als im Jahr zuvor (Zuwachs in allen Berufen: 2,2 Prozent). Die Zahl der arbeitslos gemeldeten IT-Fachkräfte sank 2008 um 18 Prozent auf 27.900. Auf 2,1 gemeldete arbeitslose IT-Fachkräfte kommt immerhin eine gemeldete freie Stelle. Die Krise ist darin noch nicht eingerechnet. Aber niemand glaubt, dass die IT zu den Sparten gehört, die sie am schlimmsten treffen wird.

Unter den Beschäftigten ist der hohe Akademikeranteil weiter gestiegen. Man kann sich auch schwer vorstellen, dass Mirco Freiberg, Alexander Hauswald und Markus Abt eines Tages durch Quereinsteiger ersetzt werden oder durch weit entfernt lebende Billiglöhner. Durch Frauen wohl auch nicht: Deren Anteil an den IT-Beschäftigten ist auf 18,7 Prozent gefallen - im Durchschnitt aller Berufe liegt er bei 45 Prozent.

Stress und Schmerzensgeld

Comet, Consol, Otto und Skytec wurden alle schon mehrmals als gute Arbeitgeber ausgezeichnet. Vermutlich sind sie nicht repräsentativ. Anja Gerlmaier und Erich Latniak vom Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen untersuchen seit Jahren die Arbeitssituation von IT-Experten. Projektarbeit, wie sie heute oft ist, hat sich dabei als ungesund herausgestellt. Mitarbeiter in IT-Projekten sind müder, nervöser, schlafen schlechter und haben mehr Kopf- und Magenschmerzen als der Durchschnitt.

Besonders belastend ist die übertriebene Modularisierung der Arbeit: Programmierer und andere IT-Fachleute sind oft so vielen Projekten gleichzeitig verpflichtet, dass sie sich auf keines konzentrieren können. Viele Entwickler leiden darunter, dass sie aus Zeit- und Kostengründen technisch anspruchsloser programmieren sollen, als sie es für vertretbar halten. Aber auch unter guten Arbeitsbedingungen ist Informatik anstrengend: "Die Liebe zur Abstraktion, zum Logischen und zum (un)bedingten Determinismus ist nicht jedermanns Sache", warnt Otto-Group-Abteilungsleiter Freiberg.

Wer mit alledem zurechtkommt, darf sich wahrscheinlich über ein gutes Gehalt freuen. Ob er mit einigen Jahren Berufserfahrung nun 67.650 Euro in München verdient oder 43.300 Euro in Cottbus, 45.000 Euro in einem Forschungsinstitut oder 63.686 Euro in einer Bank, ein Besserverdiener ist er allemal (die Zahlen stammen von der Hamburger Vergütungsberatung Personalmarkt). Vielleicht geht sogar noch mehr: In IT-Unternehmen, in denen die Gründer noch aktiv sind, sitzt oft ein ehemaliger Softwareentwickler in der Geschäftsführung. Im vierköpfigen Vorstand von Consol sind es drei.

IT-gehälter 2009
Wer verdient wie viel in der IT- und TK-Branche?
Diese Frage versucht die IG Metall in ihrer Entgeltstudie zu beantworten. Dafür hat sie 2008 insgesamt 21 000 Daten aus 82 Unternehmen untersucht. Die ermittelten Gehälter beziehen sich auf die 35-Stunden-Woche. Schauen Sie, wie viel Entwickler oder Berater verdienen.
Softwareentwickler
verdienen durchschnittlich 4,2 Prozent mehr als 2007. Die Bandbreite reicht hier von 39.000 Euro für Einsteiger bis 62.000 Euro für erfahrene Softwareingenieure. (Foto: Boguslaw Mazur/Fotolia.com)
Unter den Beratern
zeigt sich ein gemischtes Bild: Während sich die obere Führungsriege über steigende Gehälter freuen kann, gingen die Einkommen für normale und Junior Berater zurück. Der Beratungsleiter verdient mit knapp 90.000 Euro mehr als doppelt soviel wie der Einsteiger. Der durchschnittliche Berater erreicht 51. 600 Euro im Jahr. (Foto: Kzenon/Fotolia.com)
Für Hardwareentwickler
geht es in Sachen Verdienst wieder aufwärts, nachdem ihre Gehälter zuvor um 19 Prozent eingebrochen waren. Sie können zwischen 52.700 und 59.800 Euro (Senior Entwickler) verdienen. (Foto: Trutta/Fotolia.com)
Supporttechniker
finden sich auf der Gewinnerseite wieder: Sie erhielten im vergangenen Jahr elf Prozent mehr oder durchschnittlich 54.600 Euro. Zum Vergleich Junior Servicetechniker beginnen bei knapp 35.000 Euro und können sich bei entsprechender Berufserfahrung bis 45.400 Euro steigern. (Foto: Alex Hinds/Fotolia.com)
Call-Center-Agents
gehören zu den Verlierern im Gehaltskarussell: Um durchschnittlich über zwölf Prozent gingen hier die Entgelte zurück. Ein Mitarbeiter an der Info-Hotline kann nur gut 14.000 Euro erwarten, ein Kundenbetreuer beginnt bei 28.000 Euro. (Foto: Patrizier-Design/Fotolia.com)
Der zweite Verlierer sind die Mitarbeiter in den Marketing-Abteilungen
der IT-Firmen. Hier sinken die Gehälter um 13 Prozent. Der Abwärtstrend hat vor zwei Jahren begonnen. Ein Junior Marketing-Spezialist kann mit durchschnittlich 41.000 Euro rechnen, mit entsprechender Berufserfahrung kann sich das Einkommen auf knapp 52.000 Euro steigern. (Foto: Stephen VanHorn/Fotolia.com)

Drei Aufstiegswege für Entwickler

Den abgeschotteten Dauerprogrammierer gibt es noch, viele halten ihn aber für ein Auslaufmodell. Tätigkeiten, die als zukunftsträchtiger gelten, sind mit viel Kommunikation verknüpft.

1. Projekt-Manager:

2. IT-Architekt:

3. Vorstand:

Aufgaben: prinzipiell alle Führungsaufgaben.

Vorteile: Chef sein.

Belastungen: Verantwortung auch für vieles, was man nicht steuern kann.

Arbeitgeber: vor allem jüngere IT-Unternehmen mit Softwareprojekten als Kerngeschäft.

Freie Plätze: überall, aber wenige. Außer man gründet selbst.

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