Apple Watch, Apple Pay, iPhone 6

Wie die Tech-Branche auf die Apple-Ankündigungen reagiert

11.09.2014
Apple-Chef Tim Cook hat sich mit der Präsentation neuer Produkte nicht nur aus dem Schatten seines Vorgängers Steve Jobs befreit. Er dürfte auch das Fundament für einen weiteren wirtschaftlichen Erfolg des Konzerns geschaffen haben, meinen etliche Branchenbeobachter.

Die Tech-Branche hat erneut ein Apple-Erdbeben erlebt. Das Epizentrum lag im Flint Center in Cupertino, wo Konzernchef Tim Cook nicht nur - wie sonst üblich - neue iPhone-Modelle präsentierte, sondern den Einstieg von Apple in den Markt der Smartwatches und der digitalen Bezahlsysteme ankündigte. In beiden Segmenten spielt Apple eher die Rolle eines Nachzüglers. Doch im Gegensatz zu den bislang nur mäßig erfolgreichen Bemühungen der Konkurrenz trauen viele Branchenbeobachter Apple zu, die Spielregeln wieder einmal neu definieren zu können.

Walt Mossberg vom einflussreichen Tech-Blog "Recode", der Apple schon seit der Gründung des Unternehmens beobachtet, zeigte sich wenig überrascht, dass Konzernchef Tim Cook das Feld von hinten aufrollt. Apple habe oft zugeschaut, wie andere Unternehmen Vorstöße unternahmen und daran scheiterten, neue Dienste oder Produkte im Massenmarkt populär zu machen. "Vor dem Mac gab es mindestens drei andere Computer, die grafische Symbole und eine Maus verwendet habe. Aber der Mac war der erste, der wirklich abgehoben ist." Ähnlich sei es auch beim Musikplayer iPod, dem iPhone und dem iPad gewesen.

Ob die Apple Watch der Produktkategorie der Computeruhren zum Durchbruch verhelfen kann oder gar die Uhrenindustrie in der Schweiz ins Wanken bringen wird, bleibt abzuwarten - auch weil etliche technische Details wie die Batterielaufzeit noch unbekannt sind. Das sieht auch David Pogue, populärer Kolumnist bei Yahoo Tech, so: "Viele Frage bleiben offen, aber eine Sache ist sicher: Die Apple Watch sieht nicht nur großartig aus, ist schön klein und anpassbar und liefert ganz praktische Gründe, einen Platz am Handgelenk zu finden. Apple ist damit weiter gegangen als jedes andere Unternehmen, um die Smartwatch-Ära einzuläuten."

Apple-Kritiker und Blogger Dave Winer findet die Apple Watch dagegen "zzzz", also zum Einschlafen langweilig. Das Apple-Management habe die Smartwatch lediglich vorgestellt, um beweisen zu können, dass man auch etwas Neues ausliefern könne. Winer zeigt sich allerdings davon überzeugt, dass das Bezahlsystem Apple Pay eine große Sache sei. "Wie wir heute unsere Sachen bezahlen, ist so archaisch wie die Art, wie wir Musik gekauft haben, bevor es Napster und den iPod gab."

Die Einschätzung von Winer, dass die neuen iPhone-Modelle und die Apple Watch von Apple Pay in den Schatten gestellt werden, teilen auch die meisten Branchenanalysten. Gene Munster von Piper Jaffray nannte Apple Pay "den Star der Show". Die Ankündigung werde die Einschätzung bei Investoren vorantreiben, dass Apple einen sinnvollen Bezahldienst entwickeln werde, der in Zukunft den Gewinn des Konzerns weiter verbessere.

Presseschau zur Apple-Keynote September 2014

spiegel.de: "... Zwei neue iPhones, eine Smartwatch, ein Bezahlsystem: Apple hat bei seiner Produktshow in Cupertino exakt das präsentiert, was erwartet worden war. Trotzdem könnten die neuen Produkte unseren Alltag nachhaltig verändern. ..."

zeit.de: " ... Apple hat erkannt, dass es mit Hardware-Entwicklungen alleine nicht mehr gegen die Konkurrenz im Smartphone-Segment punkten kann, zumal diese inzwischen meist jedes Jahr neue Modelle liefert. Stattdessen bemüht sich der Konzern mehr denn je darum, das beste Gesamtpaket zu liefern: Aus Technik und Usability, aus Anspruch und Design. Fitness, Games und NFC-Bezahlung können andere Smartphone-Hersteller auch. Aber das alles wirklich überzeugend zu vereinen hat bisher keiner geschafft. ..."

stern.de: "... Apple war bei den Smartwatches nicht am schnellsten, doch das Gesamtpaket wirkt bei den Kaliforniern bislang am stimmigsten. Die Apple Watch wirkt im Gegensatz zu Samsung Gear S nicht wie ein Smartphone fürs Handgelenk, sondern wie ein komplett eigenständiges Gerät. Wie beim iPad im Jahr 2010 könnte der Konzern erneut einen ganzen Markt umkrempeln und ein Nischenprodukt zum Bestseller machen. Dazu passt, dass Apple die Uhr nicht als Nerd-Gadget, sondern als hippes Lifestyleprodukt, gar als edlen Schmuck, positioniert. Und wie bei Smartphones und Tablets könnten auch die anderen Hersteller von dem Boom profitieren. ..."

faz.net: "... Die Apple Watch kommt indes erst 2015 auf den Markt, das ist ein geschickter Schachzug. Mit der Vorführung in Amerika werden schon jetzt Begehrlichkeiten und Leidenschaften geweckt. Die Konkurrenz sieht blass aus. In Cupertino lief zwar auf den Vorführuhren nur ein Demoprogramm. Aber einige Apple-Mitarbeiter hatten funktionierende Beta-Versionen am Arm, die sehr beeindruckend das Potential der neuen Geräte zeigten. Die Apple Watch wird in zwei Größen und drei Varianten erhältlich sein, die teuerste „Watch Edition“ hat ein Gehäuse aus 18 Karat Gold, während die günstigste schon für 350 Dollar angekündigt ist. ..."

sueddeutsche.de: "... Apple, das war einmal diese Firma mit dem Zauberhut, aus dem der Magier Steve Jobs immer wieder neue Produkte hervorholte, die den Alltag veränderten. Den iPod im Jahr 2001. Das iPhone, 2007. Das iPad, 2010. Doch das ist lange her. Der Aktienkurs, der viele Jahre nur stieg, stürzte 2012 ab. Zuletzt sprang er wieder spürbar nach oben, weil der Konzern für viele Milliarden Aktien zurückkaufte - Apple wusste einfach nicht mehr, wohin mit seinem Geld. Jetzt, im September 2014, hat der Nachfolger des verstorbenen Firmengründers Steve Jobs, Tim Cook, eine iShow aufgeführt, von der sich Aktionäre, Analysten und Apple-Fans Großes versprechen. Der Konzern wagt sich mit der "Apple Watch" an eine neue Produktklasse, die intelligente Uhr. ... "

ard.de: "... Ausgerechnet bei der wichtigen Präsentation leistete sich Apple eine Panne: Der Live-Stream im Internet brach immer wieder zusammen. Es war das erste Mal, dass Apple solche massiven Probleme bei einer Übertragung hatte. ... "

bild.de: "... Bis zum Verkaufsstart der Watch zu Beginn des nächsten Jahres wird Apple wohl noch reichlich Arbeit in die Watch stecken müssen, um aus ihr ein fertiges Produkt zu machen. Aber nach allem, was man jetzt von der Uhr gesehen hat, dürfte sich auch das (letzte) Warten darauf noch lohnen. ... "

focus.de: "... Bereits vor der Apple-Pressekonferenz verkündete der Apple-Chef-Designer Jony Ive selbstbewusst: „Die Schweiz wird ins Schwitzen kommen“. Denn das Uhrenland Nummer 1 kann angeblich nicht mit Apple mithalten. Nun hat der Hersteller zusammen mit dem iPhone 6und dem iPhone 6 Plus tatsächlich eine eigene Smartwatch vorgestellt. ... "

Das Marktforschungsunternehmen IHS geht davon aus, dass es Apple gelingen werde, das Bezahlungssystem rasch auch außerhalb der USA zu etablieren. "Die Produktstrategie von Apple ist global ausgerichtet." Die IHS-Analysten erinnerten daran, dass Dienste wie iTunes auch zuerst in den USA gestartet worden seien. "Der iTunes-Musikstore ist inzwischen in 119 Ländern verfügbar."

Ob Apple Pay aber tatsächlich ein durchschlagender Erfolg wird, ist längst noch nicht ausgemacht. Apple wage sich in einen "blutigen roten Ozean des Mobilen Bezahlens", konstatierte Brian R. Fitzgerald, Kolumnist beim "Wall Street Journal". Die spektakulären Kreditkarten-Hacks bei Target und Home Depot seien sicherlich hilfreich bei den Überzeugungsversuchen, antiquierte Zahlungssysteme abzuschaffen. "Die Allgegenwart der iPhones in Aussichten auf die Smartwatch könnten der Treibstoff sein, der Apple Pay zum Laufen bringt." Doch längst nicht jeder neu eingeführte Apple-Dienst sei auch erfolgreich gewesen. (dpa/tc)