Twitter, Facebook, Youtube

Wie die größten Konzerne Web 2.0 nutzen

27.04.2011 von Christiane Pütter
Insgesamt 77 der 100 weltgrößten Unternehmen nutzen Twitter. 61 arbeiten mit Facebook. Doch erst langsam setzt sich die Erkenntnis durch, dass Social Media keine Einbahnstraße ist, wie Burson Marsteller berichtet.

Kommt ein Mann zum Rabbi und klagt: "Rabbi, alle im Stetl sagen, ich sei pleite. Das stimmt aber gar nicht." Antwortet der Rabbi: "Wenn heute alle sagen, Du seiest pleite, wirst Du es morgen sein." Diese jiddische Anekdote verdeutlicht, wie wichtig das Gerede von Kunden und Geschäftspartnern ist. Unternehmen sind sich dessen offenbar immer stärker bewusst, denn sie suchen zunehmend mittels Social Media Kontakt zu den Menschen. Das zeigt die Studie "Global Social Media Check-up", in der sich die PR-Agentur Burson-Marsteller die Aktivitäten der 100 weltgrößten Konzerne angesehen hat.

Social Media-Nutzung der Top 100 laut Burson-Marsteller.
Foto: Burson-Marsteller

Am beliebtesten ist demnach der Kurznachrichtendienst Twitter. 77 der 100 Top-Unternehmen "zwitschern", vor einem Jahr waren es 65. 61 der 100 Firmen haben heute eine Facebook-Seite eingerichtet. Ein Jahr zuvor waren es erst 54.

Social-Media-Nutzung ausgebaut

Außerdem sind 57 Unternehmen auf Youtube vertreten (2010: 50). 36 Firmen betreiben Blogs (2010: 33). Insgesamt haben die Top 100 ihre Social Media-Nutzung im Vergleich zum Vorjahr also sichtbar ausgebaut.

Noch ein paar Zahlen zum jeweiligen Einsatz: Wer mit Blogs arbeitet, betreibt im Durchschnitt 6,8 Stück davon. Wer twittert, tut das auf 5,8 Konten. Auf Facebook sind die Anwender mit durchschnittlich 4,2 Seiten vertreten und auf Youtube mit 2,7 Kanälen.

Regionale Unterschiede bei der Twitter-Nutzung laut Burson-Marsteller.
Foto: Burson-Marsteller

Hinter diesen allgemeinen Zahlen verbergen sich jedoch deutliche regionale Unterschiede, wie Burston-Marsteller erhoben hat. Beispiel Twitter: 83 Prozent der europäischen Firmen zwitschern - im Schnitt haben sie aber nur drei Konten eingerichtet. Unter den asiatischen Firmen twittern 67 Prozent, sie richten aber gleich acht Konten ein. Spitzenreiter ist die US-IT-Firma IBM mit 76 Twitter-Konten.

Die Art, wie Twitter genutzt wird, scheint mit der wachsenden Erfahrung zusammenzuhängen. Laut Burson-Marsteller fangen die Unternehmen mit der Zeit an, dieses Medium nicht mehr nur als Einbahnstraße zu begreifen. Das heißt: Die Firmen reagieren auf andere Nutzer oder sprechen unzufriedene Kunden direkt an. Ein Beispiel dafür ist @telekom_hilft.

Sieben Fragen, die Unternehmen sich stellen sollte
1. Frage: Wie lautet die Strategie für Social Media in unserem Unternehmen?
Es kann viele Gründe für die Nutzung von Social Media in Unternehmen geben: Aktivitäten in diesem Bereich können laut Gartner fünf unterschiedliche Arten der Interaktion (von Monitoring bis Co-Creation) einschließen sowie vier verschiedene Zielgruppen (vom Kunden bis zum sozialen Networker) ansprechen. Viele Firmen schränken ihre Initiativen indes schon ein bevor sie sich über den Zweck dieses Marketing- und Kommunikationsinstrumentes überhaupt im Klaren sind. Eine Strategie der sozialen Medien sollte diese Kriterien erst entwickeln und sich nicht schon im Vorfeld an postulierten Normen orientieren, sagt Gartner.
2. Frage: Wer verfasst und überarbeitet die Social Media Strategie?
Am wichtigsten ist es laut Gartner, eine Einigung darüber zu finden, wer für die Social Media Strategie verantwortlich ist, wer als Ansprechpartner fungiert und in die Entwicklung einbezogen wird. Natürlich sollte das Team aber eine repräsentative Auswahl der gesamten Belegschaft darstellen, fordert Gartner und erinnert zugleich: Es gibt einen Unterschied zwischen Strategie und den operativen Prozessen – erfordert das eine klare und verlässliche Regeln, muss im Bereich der operativen Prozesse, etwa in der Kundenbetreuung, mehr Flexibilität zur Bewältigung der täglichen Aufgaben herrschen.
3. Frage: Wie kann die Strategie überprüft werden?
Ein fundiertes Feedback ist nicht nur wichtig, um die Strategie regelmäßig hinsichtlich Compliance, Sicherheit, Privacy und Corporate Branding auszutarieren, stautiert Gartner. Es sorgt nach Einschätzung der Analysten aber auch dafür, dass der Prozess selbst – die Art und Weise wie die Strategie bewertet und diskutiert wird – auf die Strategie selbst zurückwirkt, was den Buy-in an Verbesserungen wesentlich erhöht.
4. Frage: Wie informieren wir die Mitarbeiter über ihre Pflichten?
Eine Social Media Strategie muss in verständlicher Weise zu Papier gebracht werden, fordert Gartner. Das genügt aber nicht für eine Belehrung der Mitarbeiter. Um Social Media zur gelebten Politik eines Unternehmens zu erheben, bedarf es Gartner zufolge einer eigenen Kommunikations-Strategie, begleitet von einem Schulungsprogramm, das die Strategie und ihre Folgen für Unternehmen und Mitarbeiter klar darlegt.
5. Frage: Wer ist verantwortlich für das Monitoring der Mitarbeiteraktivitäten?
Es ist klar, dass die aufgestellten Regeln der Social Media Policy von den Mitarbeitern auch beachtet werden müssen. Dennoch warnt Gartner: Dies darf nicht im Rahmen einer Top-down-Strategie des Überwachens und Kontrollierens erfolgen. Die Führungskräfte müssen vielmehr dazu angehalten werden, die Selbststeuerung von Teams zu unterstützen.
6. Frage: Wie können wir Führungskräfte zu Trainern für Social Media ausbilden?
Nicht alle Führungskräfte fühlen sich in ihrer ihrer Rolle als Trainer in Sachen Social Media gleich wohl. Daher müssen aus Sicht von Gartner Mitarbeiter mit Leitungsfunktionen speziell geschult werden.
7. Frage: Wie können wir Fehler nutzen, um Strategie und Schulungen weiterzuentwickeln?
Fehlentwicklungen können beim Einsatz neuer Kommunikationsmedien wie den sozialen Medien nicht gänzlich ausgeschlossen werden, räumt auch Gartner ein. Doch Unternehmen, die beim Einsatz von Social Media strategisch und geplant vorgehen, können laut Gartner ihre Social Media Initiativen solide evaluieren und diese Erkenntnisse für die Fortentwicklung bestehender oder geplanter Social Media Projekte verwenden.

Über Twitter neue Mitarbeiter suchen

Nicht zuletzt kann Twitter zum Beispiel auch bei der Personalsuche eingesetzt werden. Das praktiziert bisher jedoch nur jedes zehnte Unternehmen.

Foto: imageteam, Fotolia.de

Die Studienautoren wollten außerdem wissen, wie häufig die Top 100 sozusagen Twitter-Objekt sind, das heißt, wie oft über sie getwittert wird. Hier zeigt sich ein immenser Zuwachs: 80 Unternehmen sind Gesprächsthema auf dem Kurznachrichtendienst - 2010 waren es mit 42 Prozent nur gut die Hälfte.

Ein paar Daten zu den regionalen Unterschieden bei Facebook: Hier liegen US-Firmen vorn. Von ihnen sind 72 Prozent aktiv, unter den europäischen Unternehmen nur 57 Prozent. Von den Asiaten ist es nur jeder Zweite.

Youtube ist der einzige Social Media-Kanal, der - mit Blick auf die regionalen Besonderheiten - ein Minus hinnehmen muss: Unter den amerikanischen Firmen in der Top 100-Liste arbeiten derzeit 56 Prozent mit Youtube, im Vorjahr waren es noch 59 Prozent. Dies vor dem Hintergrund, dass die absolute Nutzung unter den Top 100 weltweit aber gestiegen ist.

Am häufigsten sehen sich die Konsumenten Youtube-Videos asiatischer Großkonzerne an. Burson-Marsteller erklärt das damit, dass die Top 100-Vertreter aus diesem Raum meist aus den Branchen Elektro, Auto und Unterhaltung stammen. Solche Unternehmen setzten in ihrem Marketing besonders stark auf visuelle Elemente.

Die Zeit der Experimente ist vorbei

Die Studienautoren gehen davon aus, dass die Zeit des Experimentierens mit diesen Medien vorbei ist. Die Top 100 stellen mittlerweile fest, welche Aktivitäten sich lohnen und welche nicht. Obwohl Burson-Marsteller den großen Playern durchaus bescheinigt, Social Media insgesamt immer interaktiver zu nutzen, fordern die Berater hier mehr Tempo. Zu häufig sendeten die Unternehmen nur und hörten nicht zu, was die Menschen über sie redeten.

Totgeborene Social Media
Google Wave
Googles ambitioniertes Real-Time-Collaboration- und Kommunikations-Protokoll hielt kein Jahr durch, bis es wegen "öffentlicher Gleichgültigkeit" schon wieder vom Markt genommen wurden. Google begründete die fehlende Akzeptanz im Markt damit, dass Wave seiner Zeit voraus sei. Zugegeben: Das Logo war schon cool.
Cuil
Die Suchmaschine, die im Sommer 2008 mit großem Tamtam startete und einen Gegenpol zu Google bilden sollte, verschwand zwei Jahre später heimlich, still und leise durch die Hintertür. Einige ehemalige Google-Entwickler hatten Cuil aus der Taufe gehoben und rühmten ihre guten Suchergebnisse. Wochenlang lieferte sich die Blogosphäre Schlachten um die Relevanz und Irrelevanz von Cuil-Suchergebnissen. Genützt hat die Aufregung schlussendlich nichts - nicht einmal die Möglichkeit, dass sich Cuil-Nutzer über die Suchmaschine direkt beim derzeit übermächtigen Facebook einloggen konnten.
Palm Pre
Auch wenn HP jüngst das Palm Pre 2 auf den Markt geworfen hat, heißt das nicht, dass das Original noch lebt. Das Smartphone erreichte nie überzeugende Verkaufszahlen und kann nur hoffen, mit dem fürs erste Palm neu eingeführten mobilen Betriebssystem WebOS in Zukunft auf einige tollen HP-Tablets zumindest teilweise weiterzuleben.
MySpace
Der einstige Social-Media-Gigant ist nur noch ein Schatten seiner selbst. In den vergangenen zwölf Monaten wurde aus MySpace eher MyGeisterstadt. Die von Medienmogul Rupert Murdoch geführte News Corp. teilte mit, den Kampf gegen Facebook aufgegeben zu haben. Man wolle sich in Zukunft mit einem neuen Web-Angebot auf den Bereich "Social Entertainment" verlegen. Dazu gehörten Musik, Filme, Promis und Games.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der CW-Schwesterpublikation CIO. (mhr)