Cloud Finanz-Management

Wie die Cloud Finanzprozesse ändert

13.08.2012 von Klaus Manhart
Mit dem Aufbau von Private-Cloud-Modellen in Enterprise ITs verlagern sich die finanziellen Risiken von den Geschäftsabteilungen auf die IT-Organisation. Diese muss nicht nur Fehlinvestitionen vermeiden, sie sollte auch Services zu marktkonformen Preisen anbieten. Dazu müssen die Finanzprozesse anders gestaltet werden als in der traditionellen IT.
"Um in Private-Cloud-Modellen klare Servicepreise formulieren zu können, müssen Sie alle Kosten in direkte Kosten umwandeln. Und da straucheln IT-Organisationen heute, weil sie die entsprechenden Kostenrechnungsmodelle dazu nicht einsetzen", sagt Christian Reichenbach, Pursuit Solution Architect bei HP.
Foto: HP

Beim Thema Cloud denkt jeder an Kosten. Tatsächlich sind Kosteneinsparungen einer der wesentlichen Gründe für den Umstieg auf Public-Cloud-Infrastrukturen. "Einen Infrastrukturwechsel werden Unternehmen nur wagen, wenn sie dadurch nachweisbar Geld sparen", sagt Steve Janata, Senior Advisor und Cloud-Computing-Spezialist bei der Experton Group.

Bei der Kostendiskussion wird jedoch sträflich vernachlässigt, dass bereits mit Einführung einer Private Cloud sowohl die Methodik als auch die Prozesse der Investitionsplanung, Budgetierung und Abrechnung in der IT umfangreich modifiziert werden müssen. Schließlich ändert sich bei der Umstellung auf Cloud-Strukturen auch die Art der IT-Bereitstellung und damit der Investitionsprozess sowie damit einhergehend das finanzielle Risiko einer Fehlinvestition.

Das wird deutlich, wenn man die herkömmliche IT mit dem Cloud-Delivery-Modell vergleicht: In der klassischen IT gilt das Prinzip der Auftragsfertigung (Make-to-Order - MTO). Die Business Unit beauftragt die IT, diese liefert gemäß der Order die bestellten IT-Ressourcen - Hardware, Software, Lizenzen.

Das finanzielle Risiko liegt damit bei der Business Unit. Schließlich werden die IT-Ressourcen im Rahmen eines Projektbudgets beantragt, wenn nicht sogar direkt extern gekauft. Tragen diese Ressourcen nicht wie geplant zum Geschäftserfolg der Unit bei oder sind diese zu wenig ausgelastet, liegt das Risiko hierfür allein im Verantwortungsbereich des Auftraggebers, der Geschäftseinheit, während das langfristige Budgetrisiko in der Regel in der IT liegt.

Das ändert sich beim Übergang zu einem Cloud-Delivery-Modell. Nun trägt die IT-Organisation das finanzielle Investitionsrisiko. Statt des Prinzips der Auftragsfertigung gilt nun nämlich das Prinzip der Vorleistung (Make-to-Stock - MTS). Einer der wesentlichen Erfolgsfaktoren des Cloud-Computing-Ansatzes basiert darauf, dass geteilte Ressourcen schnell bereit stehen.

Aus diesem Grund muss die IT für die Private Cloud in Vorleistung treten und im Vorfeld in die IT-Ressourcen investieren. Die Kosten dafür werden über die verbrauchsbasierte Abrechnung im Unternehmen verrechnet. Sie muss also Geld in die Hand nehmen, um Hardware, Software und den IT-Betrieb aufzubauen - und das bevor eine konkrete Anforderung besteht - mit der Hoffnung auf entsprechende Abnehmer.

Business Units - Services statt Eigenbeschaffung

Beim Übergang von der traditionellen IT zu einem Public-Cloud-Modell gehen die finanziellen Risiken auf die IT-Organisation über.
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Welche Konsequenzen haben die geänderten Rahmenbedingungen für die Business Units und für die IT-Organisation? Die Business Units müssen sich mit dem Schwenk zum Cloud-Modell von den traditionellen IT-Auswahl- und Beschaffungsprozessen verabschieden. Nicht mehr die Business Unit legt fest, welche Applikation für einen bestimmten Service beschafft wird, sondern die IT-Abteilung.

Statt Hardware oder Software - wie im traditionellen Modell - sollten bei den Business Units nun im Rahmen von Coud Delivery ausschließlich Services im Mittelpunkt stehen. Für sie ist einzig relevant, welche Dienste benötigt werden. Wie ein Service umgesetzt wird - mit Microsoft CRM oder Salesforce.com, auf einem x86-Server von HP oder IBM -, obliegt im Cloud-Modell ganz der IT. Das geschieht selbstverständlich nach den gemeinsam definierten Policies und Rahmenbedingungen. Für die Business-Abteilungen hat dies auch die Konsequenz, dass nicht mehr jede Sonderlösung möglich ist.

"Es ist schwierig, sich von der Auftragsfertigung zu verabschieden, weil die Business Units das tagtäglich gemacht haben", sagt Christian Reichenbach, Pursuit Solution Architect bei HP. "Sie haben festgelegt, was sie haben wollten, weil es ja ihr Geld war. Und mit der Cloud-Einführung ist es plötzlich nicht mehr ihre Investition, sondern die Investition der IT-Organisation - womit auch der Verantwortungsbereich in die IT-Organisation übergeht. Sich davon als Business Unit freizumachen, ist oftmals nicht ganz einfach."

IT-Budget managen

Da die Geschäftseinheiten nur noch die Abnehmer der Dienste sind, ändert sich auch die Budgetplanung. Bei den IT-Investitionen geht der Prozess vollständig an die IT-Organisation über. Die laufenden Dienste hingegen müssen von den Business Units im Pay-Per-Use-Verfahren bezahlt werden.

Für eine verursachungsgerechte Leistungsverrechnung müssen die Business Units aktiv Einfluss nehmen können auf ihre IT-Ausgaben: Sie müssen jederzeit in der Lage sein, Services dynamisch zu ordern und wieder abzubestellen, wenn sie nicht mehr gebraucht werden.

Die Übersicht und Vorhersagbarkeit der IT-Kosten, wie sie noch in der traditionellen IT vorhanden war, geht allerdings für das Business im Cloud-Modell weitgehend verloren. "Dieser Nachteil lässt sich nur durch ein stringentes Management des IT-Budgets ausgleichen. Damit einher gehen sowohl die Einführung von transparenten und fairen Verrechnungsmodellen als auch eine gemeinsam - von Business und IT - durchgeführte Planung der IT", sagt Thomas Reiter, IT-Strategist bei HP. "Nicht in der klassischen Form wie bisher, sondern die IT-Ausgaben sollten kontinuierlich überprüft und verglichen werden."

IT-Organisation - Risiko verringern durch Kooperation

Auf Seiten der IT-Organisation besteht das Risiko, dass sie in großem Maß investiert, die IT-Ressourcen aber nicht oder zu wenig nachgefragt werden. Die mangelnde Nachfrage kann daran liegen, dass das Geschäft schlecht läuft oder die falschen Services geboten werden. Da die interne IT in der Regel keine anderen Abnehmer als die Business Units hat, an die sie ersatzweise ihre Dienste weiter verkaufen könnte, kann sie ihre Investitionen nicht reinvestieren, sie bleibt, salopp gesagt, auf ihrem IT-Equipment sitzen.

Eine Lösung für dieses Dilemma kann in einem externen Provider liegen, der der IT-Organisation das finanzielle Risiko abnimmt. Eine andere besteht darin, das Fehlinvestitionsrisiko weitgehend zu reduzieren und deutlich stärker mit den Geschäftseinheiten zu kooperieren als bisher. Das erfordert personelle Umstrukturierungen.

"Die IT-Organisation sollte wissen, was der Kunde im nächsten und übernächsten Jahr an neuen Innovationen auf den Markt bringt, um ihn mit IT-Systemen und Services unterstützen zu können", sagt HP Cloud-Experte Reichenbach. "Um nicht totes Investitionskapital, das das Business nicht abnimmt, an IT-Ressourcen gebunden zu haben, braucht es ein professionelles Demand und Capacity-Management."

Wettbewerbsfähigkeit und Effizienz

Mit dem Wechsel zu einer verursachungsgerechten Abrechnung steigt nicht nur das Risiko für die IT-Organisation. Sie tritt nun gleichzeitig auch in Wettbewerb mit externen Cloud-Providern. Davon profitieren die Business Units als Kunden, denn sie können jetzt die Servicekosten ihrer IT problemlos mit den Kosten vergleichen, die sie für die gleiche Leistung bei einem marktgängigen Provider bezahlen.

Dieser Wettbewerbsdruck hat für die Unternehmens-IT die Konsequenz, dass sie hocheffizient arbeiten muss: Daher wird sie nicht jeden Sonderwunsch erfüllen können und sie wird Technologien wie die Automatisierung einführen, um wettbewerbsfähige Preise erzielen zu können.

Doch es gibt auch Ausnahmen, bei denen ein marktkonformer Preis überschritten werden darf und muss. Dann nämlich, wenn die Cloud Services der IT-Organisation unternehmensspezifische Besonderheiten abbilden, die Provider wie Salesforce.com oder Amazon nicht anbieten. Solche Cloud-Service-Spezifika können beispielsweise ein erhöhter Sicherheitsstandard oder eine vollständige Integration der Cloud-Dienste in alle Geschäftsprozesse einer Business Unit sein.

Diese Sonderdienste kann kein externer Provider anbieten. Die interne IT hingegen ist dazu in der Lage, muss sie dann aber auch klar hervorheben und nach außen darstellen. Kostet der gleiche, intern angebotene Service 50 Euro, am externen Markt aber nur 25 Euro, sollte die IT-Organisation deutlich kommunizieren, dass im internen Service beispielsweise höhere Verfügbarkeiten von 99,999 Prozent garantiert sind oder die nahtlose Integration in die Backend-Systeme realisiert ist.

Controlling umstellen

Im Rahmen eines Cloud-Modells muss die IT auch ihr Controlling umstellen. Cloud-Modelle verlangen andere Kosten-Kalkulationsmethoden als herkömmliche Bereitstellungsmodelle. Da Ressourcen wie Server oder Betriebsteams geteilt werden, müssen die nicht-verursachungsgerechten, indirekten Kosten in verursachungsgerechte, direkte Servicekosten umgewandelt werden.

"Um überhaupt klare Servicepreise formulieren zu können, müssen Sie alle Kosten in direkte Kosten umwandeln. Und da straucheln IT-Organisationen heute, weil sie die entsprechenden Kostenrechnungsmodelle dazu nicht einsetzen" sagt Christian Reichenbach.

HP unterstützt IT-Organisationen bei der Umstellung des Controlling mit einem speziellen Kostenrechnungsansatz: der Time-Driven Activity-based Costing Methode. Dieses Kostenrechnungsverfahren ist eine Weiterentwicklung der in der Fertigungsindustrie eingesetzten Modelle, und transferiert über geeignete Maßnahmen die indirekten Kosten wieder in direkte Kosten. Die Methode wurde von Kaplan und Anderson 2004 in einem Artikel der Zeitschrift "Harvard Business Review" vorgestellt.

Resumee

Eine Umstellung der Vorgehensweise bei der IT-Budgetplanung und Kostenverrechnung ist nicht in jedem Fall notwendig. Wenn es nur darum geht, die Virtualisierung oder die Ressourcenauslastung durch einfache Konsolidierungsmaßnahmen voranzutreiben, dann muss das Thema Cloud Financial Management nicht im Mittelpunkt stehen.

Geht es aber auch darum, Cloud Computing als Mittel zur Kostenreduktion einzusetzen, oder Kostenvergleiche und Benchmarks durchzuführen, dann sollte auch die Transparenz der Kosten ein zentrales Thema sein. Laut Cloud-Experte Reichenbach hat sich in der Praxis folgender Ansatz bewährt:

Wird im Unternehmen ein Private-Cloud-Modell aufgebaut, starten die Consultants ihre Kostenkalkulation für einige wenige Services. "Wir führen die Methodik ein, passen sie an bestimmte Unternehmensspezifika an, die nicht zu ändern sind, schulen die IT-Controller und entwickeln aus dem Modell heraus eine Vorgehensweise für die Kostenrechnungsmethode in der IT-Organisation. Diese erproben wir dann an den ersten Services, mit denen wir das komplette Delivery-Modell aufbauen".

Ist erst einmal die Kostenrechnung für die ersten Services gemacht und das Kalkulationsmodell stabil, dann ist damit die Methodik an den konkreten Fall soweit angepasst, dass sie sich für die anderen Services anwenden lässt - wenn das Portfolio in diesem Cloud-Modell wächst.