Implementierung, Integration und Management

Wie AR und VR die Unternehmensmobilität verändern

09.02.2018 von Bob Violino und Manfred Bremmer
Auch wenn es noch etwas dauert: Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) kommen auf jeden Fall ins Unternehmen - und gelangen über mobile Anwendungen wieder nach außen. Höchste Zeit darüber nachzudenken, wie man sie verwaltet.

Zwei der derzeit heißesten Technologien - Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) - dürften nach Ansicht von Branchenexperten einen großen Einfluss auf die Mobility-Strategien von Unternehmen haben. Erst in ein paar Jahren, das ist wahr. Das heißt aber nicht, dass Sie nicht bereit sein sollten, sich im Rahmen Ihres Enterprise Mobility Management (EMM) damit auseinanderzusetzen.

Aus Sicht von Analysten besitzen Augmented Reality und Virtual Reality (Bild) auch im Business enormes Potenzial.
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AR und VR im Business

AR und VR sind verwandte Visualisierungstechnologien. Während VR eine vollständig digitale Umgebung darstellt, zeigt AR dem Anwender digitale Informationen, die die reale, physische Welt überlagern. Dabei sind beide in der Lage, eine Reihe von Anwendungen in einer Vielzahl von Branchen unterstützen, was zu einer steigenden Nachfrage nach den Technologien führen wird.

"Die Business-Use-Cases für AR/VR sind gerade erst am Entstehen", sagt Bryan Taylor, Research Director bei Gartner. Ein Großteil des heutigen Fokus liege jedoch auf spezifischen Aufgaben oder dem Außendienst. Dabei habe die Technik enormes Potenzial für Knowledge Worker - angefangen von virtuellen Meetings über interaktives Design bis hin zu Visualisierungen jeglicher Art."

"Die häufigsten Anwendungsfälle liegen heute in den Bereichen Immersive Design und Demonstration. Dabei wird eine digitale Version einer physischen Struktur oder eines Objekts verwendet, um es dem Benutzer zu ermöglichen, "dort zu sein" und ein Design/Gebäude/Objekt so zu erleben, als ob es physisch existieren würde", sagt Taylor.

Ein weiteres Beispiel ist das "freihändige Arbeiten", bei dem AR einem Mitarbeiter erlaubt, digitale Informationen projiziert auf seine Arbeitsumgebung zu sehen. Auf diese Weise kann der Nutzer an Ort und Stelle Informationen oder Anweisungen abrufen und muss nicht weggehen.

Außendienstmitarbeiter gehören zu den ersten Anwendern der Technologie, sagt Ramon Llamas, Forschungsleiter für Wearables und Mobiltelefone bei IDC. Anstatt in die Werkstatt und wieder zurückzufahren, um Handbücher zu besorgen, und dabei wertvolle Zeit und Ressourcen zu verbrauchen, ermöglichen AR und VR es den Außendienstmitarbeitern, online auf Handbücher zuzugreifen. Außerdem haben sie dabei ihre Hände frei, um ihren Arbeitsauftrag zu erledigen", sagt er. "Das gibt es tatsächlich heute schon."

Zu den Hauptanwendungen für die nahe Zukunft werden diejenigen gehören, die von realistischem 3D-Rendering profitieren, schätzt Paul Jackson, Principal Analyst beim Marktforschungsunternehmen Ovum im Bereich Media and Entertainment Practice. "Wie nicht anders zu erwarten, umfasst das Design, Architektur, Medizin, komplexe Finanzsimulationen und Datenrepräsentation", sagt er. Bis heute haben die klobige Hardware und die hohen Kosten viele dieser Anwendungen auf Demonstrationen, Werbeveranstaltungen und solche Organisationen beschränkt, die entweder Geld zum Verbrennen haben oder die den dringenden Bedarf hatten, als besonders innovativ zu gelten", sagt Jackson.

Zu den Branchen, in denen AR- und VR-Anwendungen am ehesten zum Einsatz kommen, gehören laut Gartner-Analyst Taylor die Fertigungsindustrie, das Gesundheitswesen und die medizinische Forschung, die Automobilindustrie, Versicherungen, das Transportwesen, die Energiewirtschaft, der Einzelhandel, die Reisebranche und das Bildungswesen. So nutze die Fertigung bereits den Hands-Free-Modus und auch bei Versorgungsunternehmen, Öl- und Gasfirmen sowie dem Transportwesen sei dieser im Kommen - plus die Möglichkeit, remote den Rat eines Experten einzuholen.

"All diese Anwendungsfälle wachsen und werden sich erweitern und weiterentwickeln", so Taylor. "Ich denke, Sie werden Schwierigkeiten haben, Industrien zu finden, die AR/VR in den kommenden Jahren nicht umfassend nutzen", erklärt der Gartner-Analyst. So sei zum Beispiel Training etwas, was in allen Branchen zu finden ist. Und viele Arten von Training würden durch AR und VR transformiert.

Herausforderungen bei der Einführung

Wie bei jeder Implementierung einer neuen Technologie müssen Unternehmen mit Hürden rechnen, wenn sie AR und VR einführen und nutzen. Eine davon ist es, herauszufinden, wie sich diese neueren Technologien in bestehende Prozesse einfügen. "Wir befinden uns noch ganz am Anfang, was die Adoption angeht", sagt IDC-Analyst Llamas. "Es gibt viele Firmen, die mit dem Problem zu kämpfen haben, dass 'sie nicht wissen, was sie nicht wissen'."

Zu den Fragen, die sie beantworten müssen, gehören unter anderem, welche Plattformen man verwenden muss, wie man diese Plattformen mit Back-End-Servern integrieren muss, in welche Hardware jetzt und in Zukunft investiert werden soll, welche Software verfügbar ist und welche am besten auf die Bedürfnisse des Unternehmens anwendbar ist und wie sich die Unternehmensmobilität - wenn überhaupt - darin einfügt.

"Dazu kommen noch alle Sicherheitsvorschriften, und die Aufgabe wird noch schwieriger", sagt Llamas. So sei es kein Wunder, dass einige Unternehmen zögern, AR/VR im Bereich Enterprise Mobility voranzutreiben. "Aus diesem Grund sehen wir viele Projekte in einem frühen Stadium der Implementierung und Pilotanwendungen, die von Unternehmen angestoßen wurden, damit sie besser verstehen, wie diese funktionieren", erklärt der IDC-Mann. Darüber hinaus müssten die AR/VR-Technologie und der Markt dafür erst noch reifen, bevor AR/VR zu einem vollwertigen Bestandteil der mobilen Infrastruktur oder der Unternehmensstrategie werden kann.

Aus Sicht von Gartner-Kollegen Taylor ist vor allem der Markt für Head Mounted Displays (HMD) noch nicht ausgereift und in Bewegung und einige Früheinstieger hätten bereits (schlechte) Erfahrungen mit der damit verbundenen Produktvolatilität gemacht. Unternehmen sollten bei ihren Plänen im Hinterkopf behalten, dass diese Unordnung zumindest in naher Zukunft noch ein Aspekt dieses jungen Marktes bleiben wird, so Taylor. Notfallpläne für den Austausch der Hardware seien deshalb ein grundlegender Bestandteil eines Best-Practice-Ansatzes.

Darüber hinaus "ist die Hardware schlecht, die Isolation durch die Geräte - insbesondere bei VR - erschwert eine längere Nutzung, und im Einsatz beim Kunden wird die Verwendung von Headsets oder gar das Zeigen eines Smartphones auf jemanden als aufdringlich oder unheimlich empfunden", sagt Jackson. "Es gibt viele Geschichten darüber, wie diese Faktoren die Akzeptanz von Google Glass erschwerten, und viele HoloLens-Demos wurden auch nur vorübergehend - für den PR-Effekt - eingesetzt."

Für viele sind nach wie vor die Kosten für die Systeme ein Hinderungsgrund, so dass es schwierig sein kann, den Business Case zu rechtfertigen. Es müssten mehr überzeugende und branchenübergreifende Anwendungsfälle verbreitet werden, um Unternehmen dabei zu helfen, den Wert der Technologie besser zu verstehen, sagt Ovum-Analyst Jackson, und zwar in einem Kontext, der für sie relevant ist.

AR/VR und IT

Wenn es um mobile Implementierungen von AR/VR geht, stehen die meisten Unternehmen aus Sicht von IDC-Mann Llamas noch am Anfang. Er sieht 2018 bis 2020 als die entscheidenden Jahre in Hinblick auf Geräteeinführungen, Plattformentwicklung und die Aufnahme in den Unternehmen".

Ovum-Kollege Jackson fügt hinzu, dass die AR- und VR-Technologie aktuell auch für das Enterprise Mobility Management (EMM) noch kein Thema sei: "Auf der VR-Seite sind die meisten Geräte entweder mit einem PC oder einer Konsole verknüpft und benötigen daher kein mobiles Management, oder sie verwenden handelsübliche iOS/Android-Smartphones, die auf dieselbe Weise verwaltet werden können wie es bereits in Unternehmen geschieht."

Jackson rechnet aber damit, dass es bald unabhängige Headsets geben wird, die auch ohne Smartphone auskommen: "Facebook hat Demos davon gezeigt, ebenso wie HTC und viele chinesische Hersteller. Die Headsets werden auf WLAN und möglicherweise auch Mobilfunk zugreifen und stellen somit eine größere Herausforderung für die Mitarbeiter im Unternehmen dar, die für Apps und Mobility verantwortlich sind." Angesichts der Einschränkungen hinsichtlich Hardware und Kosten seien diese unabhängigen VR-Headsets aktuell aber noch weitgehend noch Theorie, räumt Jackson ein.

Wie das iPhone 8 Augmented Reality pusht
Maps
Apple hat Zugriff auf seine eigenen Kartendaten. Ein iOS Maps Feature, das Informationen zu Gebäuden oder Bauwerken auf den Smartphone--Screen bannt sobald die Kamera sie erfasst, könnte einen relativ simplen, aber sehr nützlichen Augmented-Reality-Ansatz darstellen.
Chat
Gerüchten zufolge soll das iPhone 8 über Gesichtserkennung verfügen. Der dazu notwendige 3D-Scanner könnte aber nicht nur zur Authentifizierung, sondern auch für AR-Features genutzt werden. Zum Beispiel um, ähnlich wie bei Snapchat, AR-Elemente in (Video-) Chats einzubinden.
Fotografie
Laut Bloomberg interessiert sich Apple insbesondere für den Einsatz der Augmented-Reality-Technologie im Bereich der Fotografie, beziehungsweise der Bildbearbeitung: So könnten künftig bestimmte Objekte in einem Foto isoliert, hinzugefügt oder herausgenommen werden.
Games
Wenn die Kamera des iPhone 8 Augmented Reality unterstützt, könnte jeder iOS-Spieleentwickler die Vorzüge von 3D-Scanner und Sensoren nutzen. Sollte auch die Frontkamera des Jubiläums-iPhones die AR-Technologie unterstützen, könnten die Spieleentwickler Sie – beziehungsweise ein virtuelles Abbild Ihrer Person – künftig direkt ins Geschehen projizieren.

Was Augmented Reality angehe, "hängt es davon ab, welche Form von AR man betrachtet", sagt Jackson. Einfache, mit ARKit oder ARcore erstellte AR-Anwendungen für Smartphones ließen sich ähnlich wie andere mobilen Apps verwalten. Die proprietären Plattformen von Google, DAQRI und anderen müssten dagegen als Sonderfall verwaltet werden, würden aber wahrscheinlich nur für technische Nischenjobs eingesetzt.

"Vollständig immersive AR, wie sie Microsoft für die HoloLens verspricht, ist noch weit entfernt", sagt Jackson, "aber zumindest wird sie über eine Microsoft-Plattform verwaltbar sein, ebenso wie die Windows Mixed Reality Headsets", die im vierten Quartal dieses Jahres auf den Markt kommen."

Über kurz oder lang haben AR und VR eindeutig das Potenzial, die Art und Weise zu beeinflussen, wie Organisationen ihre mobile Umgebung verwalten. So prophezeit IDC-Mann Llamas, dass zusammen mit AR und VR auch die Möglichkeiten und der Bedarf an Enterprise Mobility wachsen werden. Dies gelte insbesondere für Standalone-Geräte wie HoloLens von Microsoft und Glass for Enterprise von Google, so Llamas.

Diese sollten genauso behandelt werden wie Smartphones, Tablets und Laptops, insbesondere wenn es um Updates von Anwendungen und Security geht", sagt er. Wir sehen auch einen Bedarf an Enterprise-Mobility-Lösungen für angebundene AR/VR-Lösungen, aber die meisten davon werden über einen PC, eine Konsole oder ein Smartphone aktualisiert.

EMM "ist das logische Management-System für AR/VR-Geräte und wird es letztendlich auch sein", befindet Gartner-Analyst Taylor. "Allerdings sind heute nicht mehr alle Head Mounted Displays (HMDs) für das Management via EMM ausgestattet, sondern benötigen proprietäre Tools, die Teil einer Gesamtlösung sind, oder es gibt gar keine Management-Tools."

Taylor weist darauf hin, dass viele dieser Geräte zwar auf Android basieren und damit mindestens eine Teilmenge der Management-APIs in ihre Plattform einbringen. Auf kurze Sicht seien diese APIs, die derzeit hauptsächlich für die Anforderungen von Unternehmen bei gängigen Smartphone- und Tablet-Use-Cases entwickelt wurden, nicht vollständig auf die Bedürfnisse von HMDs in AR/VR-Anwendungen abgestimmt.

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Die Experten sind sich jedoch einig, dass einige Software- und Mobility-Anbieter bereits Schritte unternehmen, um die Technologien zu unterstützen - oder es wahrscheinlich bald tun werden. "Windows 10 wurde mit AR/VR im Hinterkopf gebaut, also hat Microsoft darüber nachgedacht, seit die HoloLens vor fast drei Jahren eingeführt wurde", sagt Llamas. Darüber hinaus werde Microsoft die Windows-Mixed-Reality-Kompatibilität in seine Management- und Service-Angebote integrieren und sicherstellen, dass seine wichtigsten Angebote, darunter Office, Azure und Dynamics, AR und VR unterstützen. "Mit ihren jüngsten Ankündigungen für ARKit und ARCore kommen jetzt auch Apple und Google ins Spiel", sagt Llamas. "Angesichts dieser Trends können Sie damit rechnen, dass der Bereich Enterprise Mobility bald auf den Zug aufspringen wird."

"Aus EMM-Perspektive werden sich die Management-APIs in Android weiterentwickeln, und "die besseren EMM-Anbieter da draußen sind typischerweise bereit, diese APIs kurz nach Verfügbarkeit zu unterstützen", sagt Gartner-Analyst Taylor. Organisationen sollten daher bei der Auswahl einer Lösung die Verwaltbarkeit und Support-Fähigkeit zu einer primären Anforderung machen und was die Integration in eine EMM-Lösung betrifft zumindest die Roadmaps der HMD-Anbieter und den Zeitplan kennen.

"Insgesamt rechnen wir für den AR/VR-Markt in den nächsten Jahren mit mindestens zweistelligen Wachstumsraten, und die Teile des Puzzles fügen sich langsam zusammen. die Stücke fallen zusammen", sagt Llamas. "Gehen Sie davon aus, dass AR und VR bald einen festen Platz im Werkzeugkasten eines Arbeiters einnimmt."

Dieser Artikel basiert auf einen Beitrag der Schwesterpublikation Computerworld.com