Fachkräftemangel

Wie angelt man sich einen IT-Mitarbeiter?

27.07.2010 von Karen Funk
Im Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter müssen sich kleine IT-Firmen ganz schön ins Zeug legen, um gegen die Großunternehmen zu punkten.

Viele IT-Unternehmen haben sich als gute Arbeitgeber einen Namen gemacht: Branchengrößen wie Google stehen regelmäßig weit oben auf der Wunschliste von Studenten. Dieses Bild bestätigen auch zahlreiche Arbeitgeber-Wettbewerbe. So befinden sich beispielsweise zwölf IT-Unternehmen unter den Top-20 des Wettbewerbs "Deutschlands beste Arbeitgeber". Die ersten vier Plätze sind sogar vollständig in der Hand der ITler. Das gute Abschneiden kommt nicht von ungefähr: Die Mehrheit der Betriebe hat selbst in der Krise und bei historischen Umsatzeinbrüchen viel Aufmerksamkeit, Zeit und Geld in ihre Mitarbeiter investiert. Aus gutem Grund, denn qualifiziertes Personal ist knapp und entwickelt sich immer mehr zu einem Top-Wettbewerbsfaktor. Zurzeit kämpft jedes zweite IT-Unternehmen in Deutschland mit einem Fachkräftemangel. Die Stellen von rund 20.000 IT-Experten sind unbesetzt, so der IT-Branchenverband Bitkom.

Die beliebtesten deutschen Arbeitgeber 2009
Siemens
Vor einigen Jahren war Siemens noch der Traumarbeitgeber für den IT-Nachwuchs. Nach massivem Stellenabbau im IT- und TK-Bereich nur noch Rang 8 für den Konzern.
Brigitte Hirl-Höfer, Microsoft Deutschland
Die Personalchefin muss sich keine Sorgen machen: Der Softwarehersteller behauptet seit Jahren seinen Platz unter den beliebtesten Arbeitgebern (Platz 7).
Der iMac von Apple
Auch Apple fällt durch seine Produkte auf. Der Mac-Hersteller verbessert sich von Platz 8 auf Platz 4.
Blizzard Entertainment: World War Craft
Neueinsteiger Blizzard Entertainment landet auf Anhieb auf Platz Vier und belegt damit die große Anziehungskraft der Spieleindustrie auf junge Absolventen.
Die SAP Zentrale Campus Walldorf
Die Softwareschmiede SAP verliert weiterhin: Nachdem die Walldorfer in den vergangenen Jahren Platz eins und zwei belegt hatten, müssen sie sich nun wieder mit dem zweiten Platz begnügen.
Christoph Grandpierre, IBM
Christoph Grandpierre ist Personalgeschäftsführer von IBM und kümmert sich wie auf der CeBIT selbst um die Bewerber. Mit Erfolg: das größte IT-Unternehmen der Welt verbessert sich von Platz drei auf Platz zwei in diesem Jahr.
Google Microkitchen
And the winner is...erneut Google. Der Suchmaschinenbetreiber besticht auch dieses Jahr nicht nur durch ungewöhnliche Niederlassungen wie hier in Zürich,....
Google Meeting Informal
...sondern auch durch Innovation. Die Mitarbeiter dürfen ein Fünftel ihrer Arbeitszeit kreativ sein und wie hier in der Hängeschaukel neuen Ideen nachhängen.

Kleinere Betriebe müssen auf sich aufmerksam machen

Durch die Angebotslücke auf dem Arbeitsmarkt stehen IT-Unternehmen unter starkem Druck, neue kluge Köpfe anzuziehen. Vergleichsweise einfach haben es dabei noch größere Häuser. Sie sind durch ihre Marke bei Bewerbern in der Regel bekannt und deshalb als potenzieller Arbeitgeber beliebt. "Es gibt aber auch viele unbekannte, kleine IT-Betriebe. Für sie ist es besonders wichtig, aus der Masse hervorzustechen", sagt Professor Werner Sarges, Initiator des Wettbewerbs "Hamburgs beste Arbeitgeber". Immer mehr Unternehmen nutzen deshalb die Möglichkeit, an einem Arbeitgeber-Wettbewerb teilzunehmen und sich darüber mit anderen IT-Betrieben zu messen. Die bestplatzierten erhalten ein Gütesiegel und können sich damit in der Öffentlichkeit als guter Arbeiter präsentieren. "Das macht potenzielle Bewerber aufmerksam und erleichtert den Unternehmen so den Zugang zu Spitzenkräften", erklärt Sarges.

Kontakt zum Nachwuchs knüpfen - frühzeitig

Gleichzeitig suchen IT-Unternehmen verstärkt die Nähe zu Hochschulen, um den Nachwuchs zu fördern und frühzeitig mit ihm in Kontakt zu treten. In Hamburg haben beispielsweise mehrere Betriebe mit der Universität und der Handelskammer gemeinsam einen neuen Masterstudiengang ins Leben gerufen. "IT-Management und Consulting" startet zum kommenden Wintersemester.

Laut Informatik-Professorin Ingrid Schirmer unterstützen die Förderer den Studiengang nicht nur finanziell: "Gleichzeitig spielt der Dialog mit den Unternehmen eine wichtige Rolle, um Anforderungen und Erfahrungen aus der Praxis in der Ausbildung zu berücksichtigen." Durch Praktika und Projekte ermöglichen die Firmen den Studierenden Einblicke in komplexe Fragestellungen rund um den Einsatz von IT-Innovationen. Gemeinsames Ziel von Wirtschaft und Wissenschaft ist es, die Fach- und Führungskräfte von morgen bestmöglich auf eine IT-Karriere vorzubereiten. Ingrid Schirmer hofft, dem Personalmangel in der Metropolregion dadurch entgegenzusteuern. "Wir wollen mit dem Studiengang High Potentials nach Hamburg holen", sagt sie.

Was Arbeitgeber sexy macht

Neben den Bemühungen um neues Personal dürfen die IT-Betriebe jedoch nicht vergessen, die Arbeitsplatzkultur im eigenen Haus zu pflegen. Denn nur so schaffen sie es, qualifizierte Mitarbeiter langfristig an sich zu binden. "Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ist es für IT-Unternehmen erfolgsentscheidend, die Arbeitgeberqualitäten in den Fokus zu rücken und auszubauen", rät Sarges von "Hamburgs beste Arbeitgeber". Dafür bieten sich vielfältige Möglichkeiten - von flexiblen Arbeitszeiten über variable Vergütungsregelungen bis hin zu Beratungsangeboten oder individueller Mitarbeiterförderung.

Gemeinsame Karriereplanung

Das IT- und Beratungshaus PPI beispielsweise, das 320 Mitarbeiter beschäftigt (Stand 2009), ist einer der Förderer des neuen Studiengangs in Hamburg. Für die Weiterentwicklung der eigenen Belegschaft setzt das Unternehmen auf so genannte Laufbahnmodelle. Jeder Mitarbeiter erarbeitet mit seinem Vorgesetzten einen Karriereplan, der die persönlichen Entwicklungsziele und die dafür notwendigen Schulungen festlegt. "In regelmäßigen Abständen überprüfen mein Unit-Manager und ich gemeinsam, ob ich die Ziele erreicht habe und wie eine noch bessere Förderung aussehen kann", erklärt IT-Beraterin Ulrike Neemann.

Thomas Reher, Vorstand PPI: "Mitarbeiterzufriedenheit wird vor allem durch ein Arbeitsumfeld gefördert, in dem es partnerschaftlich zugeht und jeder Einzelne mit seinen Bedürfnissen ernst genommen wird".
Foto: Thomas Reher, Vorstand PPI

Die Maßnahmen müssen dabei laut Vorstand Thomas Reher nicht zwingend viel kosten: "Mitarbeiterzufriedenheit wird vor allem durch ein Arbeitsumfeld gefördert, in dem es partnerschaftlich zugeht und jeder Einzelne mit seinen Bedürfnissen ernst genommen wird". Häufig erzielen auch kleinere Maßnahmen eine große Wirkung. Beispiel Mentorenprogramm: In dem Hamburger Unternehmen bekommt jeder neue Mitarbeiter einen Paten zur Seite gestellt. Er gibt wertvolle Tipps, hilft bei Fragen weiter und erleichtert so den Einstieg in das Unternehmen.

Work-Life-Balance ermöglichen

Die Belegschaft zufrieden zu machen, ist jedoch keine leichte Aufgabe: Die Ansprüche der Deutschen an ihren Beruf steigen stetig. Eine gute Arbeitsplatzkultur hört für sie längst nicht mehr an der Unternehmenstür auf. Zwei von drei Arbeitnehmern fordern eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, so das Ergebnis einer vom Institut für Demoskopie Allensbach durchgeführten Studie. Neben Terminen, Kundenwünschen und der eigenen Karriereplanung wollen sie für die Familie da sein.

So auch Christian Wenz. Der PPI-Mitarbeiter ist nicht nur IT-Berater, sondern auch Familienvater. Die Entscheidung in Elternzeit zu gehen, wurde von seinem Arbeitgeber begrüßt und unterstützt. "Es lief alles ganz unbürokratisch ab." Vier Monate setzte Christian Wenz aus, danach arbeitete er zunächst für zwei Monate halbtags. "Ich hatte die ganze Zeit ein gutes Gefühl dabei und wusste, dass mich mein Unternehmen danach wieder mit offenen Armen empfangen wird." Seine guten Erfahrungen haben ihn bestärkt: Gerade hat der IT-Berater zum zweiten Mal Elternzeit beantragt.

Das Unternehmen steht den Mitarbeitern dabei auch finanziell zur Seite. PPI bezuschusst beispielsweise die Kinderbetreuung und zahlt den Eltern nach der Geburt des Kindes einen Einmalbetrag von 1000 Euro.

Geringe Mitarbeiterfluktuation

Ein Aufwand, der sich ebenfalls für das Unternehmen auszahlt: Die Fluktuationsrate des Hamburger IT- und Beratungshauses liegt seit Jahren unter zwei Prozent. Zahlreiche Mitarbeiter haben IT-Entwicklungen vom ersten Tag über Jahre hinweg betreut - teilweise bis zum sechzehnten Software-Release. Kunden müssen sich dadurch nicht ständig an neue Ansprechpartner gewöhnen.

"Die Ansprechpartner wechseln eher auf Kundenseite als bei uns", berichtet Vorstand Reher. Sind Mitarbeiter schon lange dabei, verfügen sie außerdem über besonders großes Wissen, von dem andere Teammitglieder profitieren. Dass sich das positiv auf den Erfolg der Projekte auswirkt, weiß Reher aus eigener Erfahrung: "Seit 25 Jahren haben wir keinen einzigen Kunden verloren."

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