IT-Projektmarkt 2009

Wer sich warm anziehen muss

01.04.2009 von Karen Funk
Viele IT-Freiberufler müssen sich in diesem Jahr auf weniger Aufträge und geringere Honorare einstellen - auch SAP-Berater sind betroffen. Aber es gibt auch Freelancer, denen die Krise kaum etwas anhaben kann.
Im Freiberuflermarkt stehen Oracle-Spezialisten nach wie vor gut da, SAP-Experten müssen teilweise mit Einbußen rechnen. (Foto: S. Hofschlaeger/Pixelio)
Foto: S. Hofschlaeger/Pixelio

Der IT-Projektmarkt ist geschrumpft, das belegen die Statistiken. Und IT-Freiberufler erfahren es am eigenen Leib. Doch eindeutig ist die Marktlage nicht. Während der eine Freiberufler seit Monaten ohne Projekt laviert, ist der andere IT-Experte bis ins nächste Jahr ausgebucht und arbeitet bis an die Grenzen seiner Kapazität. Die unterschiedliche Buchung der IT-Freelancer hängt vor allem von ihren Skills ab. Hosties und Oracle-Spezialisten beispielsweise spüren die Krise meist gar nicht, während SAP-Berater und Java-Freiberufler sich teilweise auf geringere Honorare einstellen müssen.

Die Nachfrage nach verschiedenen SAP-Modulen ist unterschiedlich. "Der Markt im Umfeld von SAP Business Warehouse, Business Objects, den klassischen Finanzmodulen und der SAP Basis ist nur bedingt rückläufig", sagt Dieter Brencher, Leiter des SAP-Arbeitskreises (DSAK) im Berufsverband für Selbständige in der Informatik (BVSI). Und es gäbe einen Hoffnungsschimmer: Projekte würden oft erst nach Ostern vergeben, weiß der Berater aus den letzten Jahren.

Auch SAP-Berater spüren die Krise

Mit seinen soliden Skills in den SAP-Logistik-Modulen war Peter M. die letzten Jahre praktisch ohne Unterbrechung im Einsatz. Doch jetzt spürt der SAP-Freiberufler die Krise. Vor vier Wochen lief der letzte Auftrag aus und ein Folgeprojekt ist noch nicht in Sicht. Bei sechs Projektanfragen wird das Profil des erfahrenen SAP-Beraters zurzeit angeboten. Auf eine Reihe von Bewerbungen hin ergaben sich einige Vorstellungstermine, aber letztlich kein neues Engagement. Die Gespräche beim Kunden seien gut verlaufen, sagt Peter M. Vor einem Jahr wäre er sicher gewesen, nach so einem positiven Gesprächsverlauf den Projektzuschlag zu erhalten. Doch inzwischen ist er skeptischer geworden.

"Möglicherweise werden weder ich noch ein Kollege das Projekt übernehmen", glaubt er. Denn die Unternehmen könnten Projekte momentan oft gar nicht vergeben, weil das IT-Budget eingefroren sei. Der Sparzwang führt in so manchen Unternehmen dazu, dass Projekte auf Eis gelegt werden. Trotzdem laden die IT-Leiter potenzielle Projektmitarbeiter zum Vorstellungsgespräch ein, damit sie im "Ernstfall" das benötigte Personal zeitnah zur Verfügung haben.

Die Akquise wird schwieriger

Sie erhalten kontinuierlich Einladungen zu Bewerbungsgesprächen, bestätigen andere IT-Freiberufler. Während sie jedoch 2008 nach zwei Vorstellungsgesprächen ein Folgeprojekt an der Hand hatten, müssen die freiberuflichen IT-Experten seit der Jahreswende einen ungewohnten Bewerbungsmarathon absolvieren, bis es denn klappt - oder auch nicht. Sechsmal sei er zu Vorstellungsgesprächen eingeladen gewesen, erzählt ein IT-Freiberufler. Ein Projektauftrag sei aber nicht erfolgt.

Peter M. zählt nicht zu den Pessimisten, er nutzt die freie Zeit für die Qualifizierung und weiß aus Erfahrung, dass sich seine Situation von Tag zu Tag drehen kann. Doch ob er kurzfristig ein neues Projekt akquirieren wird, bezweifelt er jetzt manchmal. Als langjähriger aktiver Xing-Nutzer schaute er kürzlich bei der IT-Freelancer-Gruppe hinein und fand ein einziges SAP-Projekt: "Ein Null-Acht-Fünfzehn-Projekt, mit standardmäßigen Anforderungen." Der SAP-Experte schickte der Vermittlerin sein Profil. Am nächsten Morgen rief er an - und staunte: 184 SAP-Freiberufler hätten sich über das Wochenende auf die Anfrage hin gemeldet, erzählte die Vermittlerin.

Oracle-Profis haben gute Karten

Anders sieht es im Oracle-Projektmarkt aus. Legt man den Marktmonitor der Projektwerk-Börse zugrunde, ist die Zahl der eingetragenen Oracle-Projekte gegenüber dem Vergleichszeitraum 2008 sogar gestiegen. Entgegen den Trends liegt der Marktindex für Oracle-Projekte fast 30 Prozent höher als vor einem Jahr.

Die positive Situation kann Xenofon Grigoriadis, Oracle-Experte aus Bonn und Verantwortlicher für den Oracle-Arbeitskreis im BVSI bestätigen. "Die Lage ist überraschend gut", allerdings sei sie branchenabhängig. So würden derzeit in der Automobilindustrie die Projekte zusammengestrichen. Doch Sorgen mache er sich derzeit nicht. "Unabhängig von den Schreckensmeldungen gibt es weiterhin neue Projektausschreibungen im Oracle-Bereich - vor allem im Großkundenbereich wie bei Banken, TK-Unternehmen und großen Hotelketten, in dem die Oracle-Berater überwiegend tätig sind."

Mainframe-Experten sind sehr gefragt

Auch im Großrechnerbereich sieht die Marktsituation nach wie vor sehr gut aus. Der erfahrene Großrechner-Spezialist Alfons Warschburger ist zurzeit in zwei Projekten tätig. Er arbeitet in einem Third-Level-Projekt bei der IBM in München und betreut ein Rechenzentrum in Hannover. Mit beiden Kunden hat der Jahresverträge unterzeichnet. "Die Lage für Systemtechniker ist im Moment ausgezeichnet. Wir können uns vor Aufträgen kaum retten. Von Krise keine Spur", sagt Alfons Warschburger, Co-Leiter des BVSI-Mainframe-Arbeitskreises.

Der Nachwuchs fehlt

Dass der Markt für Großrechner-Spezialisten so leergefegt ist, liegt nach Meinung von Warschburger daran, dass kaum junge Cobol-Spezialisten nachkommen. Es fehle einfach der Nachwuchs. Anwendungsentwickler haben es nach Einschätzung von Warschburger etwas schwerer. "Sie sollten mehr können als Cobol, viele Anwendungsentwickler nehmen auch Java mit hinzu".

Java-Profis verdienen weniger

Im Java-Bereich ist die Zahl der Projektanfragen zurückgegangen: "Java-Experten mit Erfahrung erhalten weiterhin Projektangebote, aber sie erzielen niedrigere Honorar", sagt Frank Dolibois, Java-Experte und akkreditierter Prüfer aus Köln. Dies gelte insbesondere für alle Java-Freiberufler, die mit Agenturen und Vermittlern zusammenarbeiten und die für Großkunden, Banken, Versicherungen und Telekommunikationsunternehmen tätig sind. Am eigenen Leib verspürt Frank Dolibois, der auch Leiter des Java-Arbeitskreises im BVSI ist, die Krise noch nicht. "Wer als Java Experte im Mittelstand unterwegs ist, spürt diese Entwicklung so nicht. Die Honorare bei den mittelständischen Unternehmen sind noch relativ stabil."

Der Java-Experte betreut seit 15 Jahren mittelständische Unternehmen im Kölner Raum und hat sich über die Jahre ein dichtes Netzwerk aufgebaut. Er arbeitet nur für Direktkunden. Ungewöhnlich in Zeiten, wo sicherlich 80 Prozent der IT-Projekte über Vermittler und Agenturen vergeben wird. Die Netzwerkpflege sei zeitintensiv, so Frank Dolibois. "Zu meinen Terminen gehören auch Geschäftsessen am Abend, Einladungen zu Firmenterminen, doch gerade in Krisenzeiten zahlen die Kontakte sich aus".

Der Markt ändert sich

Insgesamt zeichnet sich ein differenziertes Bild vom IT-Freiberuflermarkt. Eine Krise, die auf den gesamten Projektmarkt durchschlägt, existiert so nicht. Aber die Signale für eine Veränderung des Marktes sind für IT-Freiberufler unübersehbar:

"Die Zeiten, die Preise für Berater nach oben zu schrauben, sind momentan nicht gegeben", sagt Dieter Brencher, Leiter des SAP-Arbeitskreises im BVSI. Aber trotzdem sollte der Freiberufler Preisverhandlungen führen. Manche Vermittlungsagenturen jammerten heftig über die Finanzkrise, um gute Margen zu bekommen, verdienen eigentlich jedoch noch gut. Der international tätige SAP-Spezialist Dieter Brencher rät dazu: "Daher lohnt es sich für den IT-Freiberufler, auch noch um den letzten Euro hart zu verhandeln". (ka)

BVSI, das Netzwerk für IT-Freiberufler

Der Berufsverband der Selbständigen in der Informatik (BVSI) e. V. setzt sich deutschlandweit für die Interessen von IT-Freiberuflern ein. Im BVSI treffen die selbständigen IT-Experten, die im Projektalltag eher Einzelkämpfer sind, auf ein stabiles Netzwerk freiberuflicher IT-Fachleute. Die BVSI- Arbeitskreise (SAP, Java, Mainframe, BI, Projektmanagement) und Events bieten die Möglichkeit, Kollegen aus der eigenen Branche persönlich kennen zu lernen und sich gemeinsam zu qualifizieren. Außerdem unterstützen sich die Arbeitskreiskollegen bei der Projektakquise. Wenn weniger Projekte am Markt sind, gewinnen Beziehungen und die richtigen Kontakte an Bedeutung. Gerade in schwierigen Zeiten erfüllen Netzwerke unter Berufskollegen deshalb eine wichtige Funktion.

  • Im SAP-Arbeitskreis kommen Fachleute aus ganz Deutschland zusammen, um ihr Wissen mit Hilfe eines SAP R / 3 Demosystems ständig zu aktualisieren.

  • Großrechner-Spezialisten treffen sich viermal pro Jahr im Mainframe Arbeitskreis. Gemeinsam gehen sie neue Herausforderungen im Projektgeschäft an.

  • Mit Fachreferaten und Projektmanagement-Schulungen fördert der Projektmanagement-Arbeitskreis die Weiterbildung seiner Mitglieder.

  • Im Java-Arbeitskreis kommen Java-Experten zusammen, um sich beruflich auszutauschen und sich mit Fachvorträgen gemeinsam zu qualifizieren.

  • Die Mitglieder im neuen Business-Intelligence-Arbeitskreis haben sich das Ziel gesetzt, die verschiedenen Werkzeugumgebungen der Data Warehouse kennenzulernen und so das Know-how zu erweitern.

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter office@bvsi.de.