Die Marktzahlen sprechen eine klare Sprache: Den Untersuchungen von Gartner zufolge lag das Google-Betriebssystem Android im Schlussquartal 2012 bei den weltweiten Smartphone-Verkäufen mit knapp 70 Prozent klar in Führung vor iOS - das Apple-System war gerade einmal auf 21 Prozent der in den Monaten Oktober, November und Dezember verkauften Geräte installiert. Danach folgen erst mit großem Abstand Blackberry OS (3,5 Prozent), Windows Phone (3 Prozent) und andere Konkurrenten.
Diese De-facto-Duokultur hat ihre Vor- und Nachteile: Im Unternehmenseinsatz ist es theoretisch von Vorteil, wenn die IT-Abteilung nur wenige Plattformen unterstützen muss, zum Beispiel mit Enterprise-Apps oder beim Support. Gleichzeitig sind aber weder iOS noch Android Wunschkandidaten. Die Betriebssysteme wie auch die darauf basierenden Geräte wurden primär mit Blick auf den Privatkundenmarkt entworfen, vom Business gewünschte Features wie Verwaltungs- und Verschlüsselungsfunktionen kamen erst sukzessive hinzu und dies auch nur unzureichend.
Hinzu kommen verschiedene individuelle Eigenschaften, die die beiden Systeme problematisch machen: Bei Android sind es etwa die zahlreichen Versionen, verschärft durch die nur zögerliche Update-Kultur. So wird das noch junge Betriebssystem von Google zwar kontinuierlich weiterentwickelt und erhält so nach und nach neue Funktionen. Wegen den oft gravierenden Veränderungen, die Hardware-Hersteller und Carrier an dem Betriebssystem vornehmen (und der oft geringen Motivation), werden die Updates - wenn überhaupt – aber erst mit deutlicher Verspätung vorgenommen.
Weitere Mankos sind die Möglichkeit, Apps aus verschiedensten Kanälen zu installieren und - generell - die Offenheit der Linux-Plattform. Diese erlaubt es zwar im Prinzip, das System komplett abzuschotten und zu „härten“. Auf der anderen Seite stellt aber das recht einfach mögliche Rooten ein erhebliches Risiko dar und nicht alle Android-Devices lassen sich von vorne herein mit MDM-Lösungen verwalten.
Auch Apple hat iOS nur scheinbar unter Kontrolle. Zwar lassen sich die Updates sofort nach der allgemeinen Bereitstellung auf den Geräten installieren, wenn die Systemvoraussetzungen passen, werden dabei auch ältere Baujahre unterstützt. Gleichzeitig hat die Company aus Cupertino aber noch immer kein wirksames Mittel gegen Jailbreak gefunden – in der Regel schaffen es findige Hacker schon kurz nach der Vorstellung einer neuen OS-Version, die darin enthaltenen Nutzungsbeschränkungen wie das Installieren von Apps abseits vom AppStore zu entfernen. Zusätzlich gibt es für iOS nur wenige hochpreisige Geräte, eine begrenzte Anzahl an freigegebenen Schnittstellen und generell restriktive Vorgaben, was etwa App-Entwicklung oder Content-Nutzung und -weitergabe anbelangt.
Zusammengefasst gibt es also allein aus Unternehmenssicht genügend Argumente, die für eine dritte Plattform sprechen. Daneben haben natürlich auch Carrier, Entwickler und nicht zuletzt - im Android-Umfeld - Gerätehersteller ihre speziellen Gründe: Sie versprechen sich von einem neuen starken Player eine geringere Abhängigkeit von einem einzelnen Plattform-Lieferanten, wollen weniger Einmischung in ihre Geschäfte und hoffen generell auf einen größeren Anteil am Mobile-Kuchen.
Das Jahr der Entscheidung?
Die Chancen stehen gut, dass dieser Wunsch im laufenden Jahr in Erfüllung geht. So rechnet etwa Anshul Gupta, Principal Research Analyst bei Gartner, dass im Zuge der Schlacht zwischen dem neuen Blackberry 10 und Windows Phone ein drittes mächtiges Ökosystem entsteht. Gleichzeitig sieht er auch Chance dafür, dass alternative Betriebssysteme wie Tizen, Firefox, oder Jolla die Chance wahrnehmen, um sich als profitable Alternative zu Android zu positionieren. Eine Einschätzung dazu, wer letztendlich tatsächlich das Rennen um den dritten Platz gewinnt, gibt Gupta nicht ab – was auch wenig verwundert: Bei einem Marktanteil im niedrigen einstelligen Prozentbereich sind praktisch alle Chancen offen, auch für ganz neue Betriebssysteme, für die es aktuell noch gar keine Geräte gibt. Hier eine Analyse der vielversprechendsten Kandidaten:
Windows Phone 8: Und bist Du nicht willig....
Seit Microsoft vor mittlerweile knapp drei Jahren das veraltete Windows Mobile endgültig ad acta gelegt hatte, versucht der Softwareriese unermüdlich, den Nachfolger Windows Phone erfolgreich am Markt zu platzieren. Dabei tritt das neue System nicht unbedingt in die Fußstapfen seines Vorgängers: Um seiner Aufholjagd keine wertvolle Zeit zu verlieren, konzentrierte sich Microsoft bei Windows Phone zunächst auf den Endkundenmarkt und setzte auf optische Akzente wie das Metro-Design. Erst mit der aktuellen Version 8 nahm der Softwareriese auch das Enterprise-Geschäft und dabei insbesondere die ByoD-Thematik stärker ins Visier. So stellt Microsoft inzwischen mit Windows Intune und dem System Center Configuration Manager (SCCM) Firmen eine Verwaltungslösung bereit, die neben Windows Phone 8 auch weitere Plattformen abdeckt. Drittanbietern erhielten entsprechende Schnittstellen, um eine ausreichende Kontrolle mit Mobile-Device-Management-Lösungen zu ermöglichen.
Doch obwohl es inzwischen eine ordentliche - wenn auch nicht umfassende - Anzahl an Apps gibt und dank der Allianz mit dem finnischen Hersteller Nokia auch eine ganze Palette an Endgeräten herausgebracht wurde, blieb der erhoffte Durchbruch bislang aus. Das Betriebssystem steckt in einer Zwickmühle: Um von Entwickler und letztendlich wohl auch Käufern als weitere große Plattform neben Android und iOS ernst genommen zu werden, braucht es einen Marktanteil von zehn Prozent und mehr - dazu sind aber wiederum mehr Apps und Kunden notwendig.
Blackberry 10 - Neues OS, neues Glück?
Blackberry (vormals Research in Motion) plagten bis vor kurzem ähnliche Probleme wie Microsoft mit Windows Mobile. Trotz Bemühungen (und durchaus auch Fortschritten), das Betriebssystem moderner zu machen, wirkten die klassischen Blackberry-Geräte mit Volltastatur und kleinem Display neben iPhones und Android-Geräten nicht nur optisch wie Dinosaurier, auch die Bedienung war veraltet.
Um die Abwanderung der Nutzer im Privat- und Business-Umfeld zu stoppen, besannen sich die Kanadier auf das 2010 erworbene Unix-ähnliche Betriebssystem QNX, das zuvor primär in Embedded-Systemen von Autos zum Einsatz kam. Nachdem die Company zunächst auf Basis von QNX ihr Tablet-Betriebsystem Playbook-OS entwickelten, wurde das OS im zweiten Schritt als Blackberry 10 auf Smartphones portiert. Erstes darauf basierendes Gerät ist das Touchscreen-Device Z10, demnächst soll aber mit dem Q10 auch ein Modell mit physischer Qwertz-Tastatur auf den Markt kommen.
Gemessen an der Aufgabenstellung, in puncto Benutzerfreundlichkeit und Touch-Bedienung mit Android und iOS gleichzuziehen, hat Blackberry mit BB10 das Ziel weitgehend erreicht. Gleichzeitig haben die Kanadier auch die Business-Tauglichkeit nicht aus den Augen verloren: Die Funktion Blackberry Balance trennt auf dem Smartphone Berufliches von Privatem und unterstützt damit auch ByoD-Szenarien. Zusätzlich zu Blackberry Balance hat der Hersteller bereits vor kurzem mit Blackberry Enterprise Service 10 (BES10) eine Lösung vorgestellt, um Blackberry-10-Geräte zusammen mit alten Blackberrys, Blackberry-Playbook-Tablets sowie iOS- und Android-Geräten über eine gemeinsame Web-basierende Konsole zu verwalten. Wie bisher stellt Blackberry allerdings keine Schnittstellen für andere MDM-Lösungen bereit.
Probleme bereitet dagegen noch die App-Auswahl, da trotz mehr als 100.000 Anwendungen in Blackberry World noch etliche bekannte Apps fehlen. Außerdem wird erwartet, dass in diesem Jahr nur drei Smartphones mit Blackberry 10 auf den Markt kommen. Selbst wenn das Unternehmen mit einer Million ausgelieferten Z10 im ersten Monat einen deutlichen Anfangserfolg verbuchte, dürfte Blackberry bei den Marktanteilen daher noch länger auf günstige Geräte mit Blackberry-OS 7 angewiesen sein.
Firefox OS: Smartphone-OS für die nächste Milliarde?
Dem einstmals als "Boot to Gecko" von der Mozilla Foundation gestarteten mobilen Betriebssystem sieht man seine Herkunft aus dem Browser- oder generell Web-Umfeld gar nicht an – zumindest oberflächlich. Bei der Bedienung erinnert Firefox OS mit Sperr- und Startbildschirm, Benachrichtigungsleiste sowie App-Übersicht an vergleichbare Systeme wie Android, iOS oder Windows Phone. Die Unterschiede stecken primär unter der Haube: So nutzt Firefox OS die Fähigkeiten des Web-Standards HTML5 und der Skriptsprache JavaScript, um direkt auf Hardware-Ressourcen zugreifen zu können. Beim Start werden Web- und JavaScript-Engine - also die Basis-Software zur Ausführung von entsprechendem Code - in den Arbeitsspeicher des mobilen Geräts geladen.
Relevant könnte Firefox OS insbesondere deswegen werden, weil es gleich von einer ganzen Reihe von Mobilfunkanbietern Rückendeckung erhält. 17 große Netzbetreiber weltweit haben sich der Initiative für offene Firefox-Webgeräte verpflichtet: América Móvil, China Unicom, Deutsche Telekom, Etisalat, Hutchison Three Group, KDDI, KT, MegaFon, Qtel, SingTel, Smart, Sprint, Telecom Italia Group, Telefónica, Telenor, TMN und VimpelCom. Für sie ist das Betriebssystem vor allem wegen der Möglichkeit interessant, eigene Marktplätze zu betreiben und so an Apple oder Google vorbei mehr mit Anwendungen und Services zu verdienen.
Insbesondere in Schwellenländern, wo gerade die Zahl der Smartphone-Nutzern deutlich wächst, wollen sie daher entsprechende Einsteigergeräte als Alternative zu Android-Devices platzieren. Auf den europäischen Markt will die Telekom als erster Mobilfunkanbieter ein Smartphone mit dem Mozilla-Betriebssystem bringen: Im Sommer startet der Vertrieb des Alcatel One Touch Fire in Polen. Weitere Länder in Osteuropa sollen noch in diesem Jahr folgen.
Ob sich die Plattform in Industrieländern durchsetzen kann, bleibt angesichts der niedrigen Hardware-Voraussetzungen abzuwarten. Damit Smartphones das Firefox-Logo tragen dürfen, müssen die Geräte mindestens eine Single-Core-CPU mit 800 MHz und 256 MB RAM haben. Und auch die Mindestanforderung an das Display ist mit einer QVGA-Auflösung (320 mal 240 Pixel) nicht sehr hoch. Die Marktforscher von Strategy Analytics gehen entsprechend für das laufende Jahr nur von ein Prozent Marktanteil im weltweiten Smartphone-Markt aus und verweisen darauf, dass das gesamte Ökosystem von Firefox OS mit Apps und Services noch relativ unerprobt ist.
Tizen: Samsungs Plan B
Dass Samsung und Android kaum mehr als eine Zweckgemeinschaft darstellen, dürfte mittlerweile weitläufig bekannt sein. Der Hersteller hat das Google-Betriebssystem und Benutzeroberfläche um zahlreiche Funktionen erweitert und verkauft mit Samsung Apps und Video Hub bereits eigene Inhalte auf den Geräten.
Spätestens seit der Übernahme von Motorola Mobility durch Google arbeiten die Südkoreaner verstärkt an einer Alternative, um ihre Abhängigkeit von Android zu reduzieren. Nach Schätzungen von Marktexperten laufen aktuell mehr als 90 Prozent der verkauften Samsung-Smartphones mit Android. Nachdem Bada und Windows Phone bislang nicht die Erwartungen erfüllten, scheint der Handy-Riese mit der Open-Source-Plattform Tizen nun die ideale Lösung für Plan B gefunden zu haben und arbeitet daran, falls notwendig von Google unabhängig zu sein.
Der Vorstoß darf nicht unterschätzt werden: Neben den Koreanern sitzen außerdem die Hardwarehersteller Fujitsu, Huawei, Intel, NEC und Panasonic im Verwaltungsrat der Tizen Association. Mit an Bo(a)rd sind zudem große Carrier wie NTT Docomo, Orange, Sprint oder Vodafone. Und auch bis zum Launch der ersten Tizen-Geräte wird es nicht lange dauern. Wie ein hochrangiger Samsung-Manager kürzlich in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur „Bloomberg“ ankündigte, wird der Konzern bereits im August oder September sein erste Smartphone mit Tizen-Betriebssystem herausbringen.
Lee Young Hee, Executive Vice President von of Samsung’s Mobile-Sparte, zufolge, handelt es sich dabei um eines von drei Highend-Smartphones, die die Koreaner in diesem Jahr herausbringen wollen. Eines davon hat Samsung bereits mit dem Galaxy S4 vorgestellt, außerdem steht die neue Generation des Phablets Galaxy Note in den Startlöchern.
Der schnelle Vorstoß wird dabei offenbar dadurch erleichtert, dass Samsung und Co. nicht erst Entwickler um ihre Unterstützung bitten müssen. Der Application Compatibility Layer von OpenMobile (PDF) erlaubt es nämlich, dass Android-Anwendungen unmodifiziert auf Tizen-Geräten laufen. Und auch sonst ist dank der hauseigenen Touchwiz-Oberfläche gut möglich, dass nicht so technikaffine Nutzer nicht einmal merken, dass ihr neues Samsung-Smartphone gar nicht mit Android läuft. Was die Business-Tauglichkeit von Tizen anbelangt, kann derzeit nur spekuliert werden. Unumstritten ist jedoch, dass die Koreaner mit ihrem SAFE-Programm (Samsung for Enterprise) bereits ihr Interesse an Business-Kunden bewiesen haben und gute Beziehungen zu MDM-Anbietern wie Airwatch oder MobileIron pflegen.
Sailfish OS: Das Erbe der Nokianer
Das Betriebssystem des finnischen Startups Jolla Mobile stammt ähnlich wie Tizen von Meego ab – allerdings von der Nokia-Seite: Nachdem der finnische Hersteller im vergangenen Jahr die vielversprechende Smartphone-Plattform zugunsten von Windows Phone aufgab, übernahmen kurzerhand ehemalige Nokia-Entwickler die Reste um das einzige Meego-Gerät N9. Sailfish OS setzt auf Mer, dem Kern von Meego auf, daneben kommen QT (Sailfish Silica Qt), QML, aber auch HTML5 zum Einsatz. Außerdem soll wie bei Tizen der Application Compatibility Layer von OpenMobile zum Einsatz kommen und gewährleisten, dass auch Android-Apps laufen. Für native Anwendungen stehen QT oder QML zur Verfügung. Wie von Maemo und Meego bekannt, unterstützt Sailfish OS echtes Multitasking.
Auch wenn erste Geräte noch in diesem Jahr auf den Markt kommen und bereits eine Kooperation mit dem finnischen Carrier DNA existiert, wird es das Betriebssystem nicht leicht haben. Jolla-CEO Marc Dillon gibt sich dennoch kampfeslustig: „Die Industrie für mobile Endgeräte und Inhalte steht vor dem Scheideweg“, tönte der frühere Meego-Chefentwickler von Nokia auf dem Mobile World Congress, mit der Option, den Status Quo beizubehalten oder endlich damit anzufangen, eine Auswahl zu bieten.