Schon seit geraumer Zeit werden Szenarien im Markt diskutiert, in denen Kühlschränke selbst im Supermarkt bestellen oder Autos ohne zutun ihres Fahrers selbst einen Termin mit der Werkstatt vereinbaren und Ersatzteile ordern. Eine Kombination spezieller Soft- und Hardware soll für diese Fähigkeit sorgen. Viele Unternehmen investieren in zusätzliche "Intelligenz" für ihre Produkte (Software und Hardware), um sie einfacher, selbstständiger und kommunikativer zu machen.
Gartner fasst diese Entwicklung unter dem Begriff "Operational Technology" (OT) zusammen. Die mitunter komplexen Systeme entwickeln sich rapide weiter und die Technologien gleichen immer mehr denen der Back-end-IT was etwa die Sicherheit, Software, Plattform und Kommunikation betrifft. Außerdem produziert OT große Datenmengen, die in von der IT gemanagten Datenbanken abgelegt werden. Das Abgleichen von IT- und OT-Prozessen in Unternehmen wird immer wichtiger. Dazu gibt es auch heute schon weitreichende Anwendungsbeispiele in verschiedenen Industrien.
Praxisbeispiele aus verschiedenen Branchen
Handel: Zentrale Überwachung von Lebensmittelfilialen
In Lebensmittelfilialen findet man häufig einen PC mit Zugriff auf das Bestellsystem, ein meist PC-basiertes Kassensystem und einen Netzwerk-Router über den die Filiale mit der Zentrale verbunden ist. Bestellungen werden auf diese Weise direkt in der Zentrale bearbeitet und neue Preise in die Kassensysteme eingespielt. Dieser Kommunikationskanal wird zunehmend auch für die Übertragung von Umgebungsdaten wie Luftfeuchtigkeit und Temperatur genutzt. So können zentrale Überwachungsteams den Zustand ihrer Filialen in Echtzeit beobachten. Das hat den Vorteil effizienter, IT- und OT- übergreifender Wartungsplanung und unterstützt die Früherkennung von Problemen, was wiederum erheblich Kosten einsparen kann.
Finanzen: Intelligente Geldautomaten
Schon lange basieren Geldautomaten auf PC-Technologien, die die Überwachung und Fernwartung erleichtern. Aber wer kennt nicht die Situation, dass genau der Geldautomat leer ist, an dem man gerade steht. Es gibt heutzutage Technologien, die den Füllstand der Geldfächer in den Automaten ermitteln können (OT). Diese Information können Banken dann dazu nutzen, den Geldautomaten rechtzeitig wieder aufzufüllen. Das erhöht die Kundenzufriedenheit und trägt zur Geldfluss-Optimierung bei.
Gesundheit: Patienten-Fernüberwachung
Was in einigen Ländern in kleinen Schritten Wirklichkeit wird, ist hierzulande eher noch ein Denkmodell: Der virtuelle Patient. Die Idee dahinter: Blutdruckmessgeräte, Fiebermessgeräte oder Herzrhythmusmonitore übermitteln per Internet den Zustand eines kranken Menschen zu Hause an das Krankenhaus. Dort werden die Daten dann ausgewertet und der Patient bei Änderungen seines Zustands behandelt oder ins Krankenhaus bestellt. Damit können Therapien optimiert und langfristig Gesundheitskosten gesenkt werden.
Status quo: Vier Integrationsmodelle gibt es
Gartner betrachtet zwei Dimensionen, um das Potenzial einer IT- und OT-Konvergenz zu ermitteln. Zum einen wird der Level an Standard-Technologien ermittelt, der in Unternehmen eingesetzt wird. Zum anderen ist die Menge an Informationen entscheidend, die erzeugt, dokumentiert, bearbeitet und gespeichert wird. Je mehr Informationen zwischen IT und OT ausgetauscht werden, desto wichtiger ist es, in Unternehmen das Zusammenspiel zwischen den Welten zu optimieren. Diese zwei Dimensionen ergeben folgende Konvergenzmodelle:
Standardisierungsgrad der IT und OT |
Informationsaustausch |
Konvergenzmodell |
Niedrig |
Niedrig |
Limitiert (Home-Rule Model) |
Hoch |
Niedrig |
Utility (Federated plug-and-play utility) |
Niedrig |
Hoch |
Informationszentrisch (Information-centricmodel) |
Hoch |
Hoch |
Konsolidiert (Consolidated IT/OT model) |
Limitiertes Modell: Hier befinden sich heute wohl die meisten Unternehmen. Der Grad der OT-Spezialisierung ist hoch und Informationen werden nur limitiert mit den IT-Anwendungen ausgetauscht. Plattformseitig besteht nur eine minimale Verbindung und Integration mit der IT, oft gibt es gar keine. Die OT hat in der Regel einen eigenen Mitarbeiterstamm für IT-Fragen.
Utility Modell: In diesem Modell befinden sich Unternehmen mit einem hohen internen infrastrukturellen Standardisierungsgrad. Die OT-Betriebsmannschaft agiert separat von anderen operationalen Geschäftseinheiten, der Informationsaustausch mit IT-Anwendungen ist gering. IT und OT benutzen gemeinsame Werkzeuge, um den Anwendungslebenszyklus und die Sicherheit zu managen.
Informationszentrisches Modell: Dieses Modell ist informations-dominant. Die operationalen Geschäftseinheiten erzeugen, dokumentieren, bearbeiten und speichern Information über IT und OT hinweg. Das Unternehmen hält es in der Regel für wichtig, datenhaltige Systeme über IT- und OT-Grenzen hinweg zu integrieren. Gemeinsame Dienstleistungen und Sicherheitsmodelle sind dabei weniger wichtig.
Konsolidiertes Modell: In diesem Modell treiben Unternehmen nicht nur die Standardisierung der Infrastruktur voran, sondern integrieren auch den Datenaustausch über IT- und OT-Systeme hinweg. Sie agieren mit dem Verständnis, dass separate IT- und OT-Abteilungen die Kosten und Komplexität, nicht aber den Wertbeitrag erhöhen. Die Unternehmen haben einen Mitarbeiterstamm, der IT und OT unterstützt, wodurch wiederum der Anwendungslebenszyklus und die Sicherheitsthemen gestärkt werden.
Wie sich IT- und OT-Konvergenz auf IT-Services auswirkt
Um die Frage zu beantworten, wie sich die IT- und OT-Konvergenz auf klassische IT-Dienstleistungen auswirkt, müssen die unterschiedlichen Dienstleistungsarten separat betrachtet werden:
Consulting: Berater, die erfolgreiche IT/OT-Konvergenzstrategien entwickeln, brauchen ein tiefes Branchen- und Detailwissen über Geschäftsprozesse, in denen OT verwendet werden. Transformationsdienstleistungen (von IT und OT zu IT/OT) sind ein wichtiges Beratungsfeld. Berater müssen die Implikationen der IT/OT-Konvergenz verstehen und kommunizieren.
Planung und Entwurf: Die Konvergenz-Beratung wird die IT/OT-Integration auch auf der Lösungsseite vorantreiben beispielsweise auf den OSI-Ebenen. Hierbei ist es wichtig zu verstehen, dass OT nicht zwingend IT umfasst und mitunter große Nicht-IT-Komponenten integriert hat. Darüber hinaus kann jede OT mit einer Anwendung, die von extern gewartet werden kann, auch in die IT eingebunden werden.
Konstruktion: Wie bei der Konstruktion von IT-Lösungen ist auch bei IT/OT-Lösungen wichtig, entsprechende Qualitäts- und Sicherheitsstandards einzuhalten und die Nachhaltigkeit der Lösung im Auge zu behalten. Hierbei gibt es oft zwei Schwierigkeiten, die dem Erfolg einer IT/OT-Lösung im Weg stehen. Zum einen sind OT häufig Echtzeit-Anwendungen und Konvergenzlösungen, die externe Interaktion erfordern und dadurch diese Anforderung negativ beeinflussen können. Darüber hinaus sind OT oft Teil der Kernproduktionsprozesse in einem Unternehmen. Die Konstruktion der IT/OT-Lösung sollte daher auch von OT-Ingenieuren durchgeführt werden - diese sind jedoch noch nicht auf systemübergreifende Zusammenarbeit fokussiert.
Betrieb: Oft sind Betriebsdienstleistungen der geeignete Ausgangspunkt für IT/OT-Konvergenz. Dienstleister können Ihre industriespezifischen IT- und OT-Kenntnisse dafür verwenden, einen Informationsaustausch über IT und OT hinweg zu implementieren. Oft helfen von Partnerschaften, wie sie etwa in Smart-Metering- Projekten bereits vereinbart wurden. Beispiele sind die Kooperationen von IBM mit Netinium, Atos mit ERDF, Logica mit OnStream. Dabei verwenden die Anbieter Werkzeuge, die IT und OT steuern können, und verbessern ihre internen Betriebsprozesse kontinuierlich auf Basis der Analyse von Daten, die diese Werkzeuge zur Verfügung stellen. Viele Dienstleister haben in diesem Bereich die Herausforderung, dass sie für den IT-Betrieb Werkzeuge von Anbietern einsetzen, die noch keine OT-Betriebsfähigkeit in Ihre Plattform etabliert haben.
Betriebsunterstützung: Noch sind der Durchdringungsgrad und die Komplexität von OT in den einzelnen Industrien sehr unterschiedlich. IT-Dienstleister sollten direkt mit den Herstellern von OT zusammenarbeiten, um ihre Kernprozesse (Logistik, Planung, Koordination und Benutzerunterstützung) zu integrieren.
Die Konsequenzen für klassische IT-Kontrollmechanismen
Governance: IT-Governance verbindet die Anforderungen der Geschäftsbereiche mit den Liefereinheiten in einem Unternehmen. Unternehmen müssen ihre Governance für die Konvergenz ändern und Wissensträger und Manager aus den OT-Bereichen mit einbinden, um Themen wie IT/OT-Architektur, -Betrieb und -Beschaffung zu strukturieren.
Geschäftsmodelle: Die IT-Welt erfährt momentan eine rapide und massive Veränderung der Geschäftsmodelle. Mehr Ergebnisorientierung, vorhersagbare Kosten und verbrauchsabhängige Bezahlmodelle sind nur einige Aspekte, die zu nennen sind. Wenn IT und OT konvergieren, müssen diese Veränderungen erneut auf Risiken und Anwendbarkeit hin untersucht werden.
Betreiber-Management: IT und OT unterliegen einem unterschiedlichen Reifungsprozess, der Reifegrad der Bereiche verändert sich mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. In konvergierten Betriebsmodellen sollten Unternehmen die Führung in die Hände des reiferen Bereichs legen - und Unternehmen sollten zudem ihre Vertrags-Templates für Betreiberverträge im Sinne von OT-Verträglichkeit anpassen.
Metriken: Erfolgs- und Qualitätsmessung ist in der IT ein Thema mit langer Historie, welches immer noch intensiv bearbeitet wird. In IT/OT-Lösungen ist es wichtig, auch die Metriken zwischen OT und IT abzugleichen. OT kann hier von der IT lernen und Unternehmen können die Konvergenzdiskussionen nutzen, um generell ihre Metriken zwischen Geschäftseinheiten und den internen und externen Lieferanten zu überarbeiten und auf mehr Ergebnisorientierung zu trimmen.
Fazit
OT ist kein neues Thema, aber Unternehmen müssen sich zunehmend mit der Konvergenz zwischen IT und OT beschäftigen. Traditionelle Dienstleister müssen ihr Portfolio erweitern und Chancen und Risiken für sich und die potenziellen Kunden erkennen. Der Markt wird neue Partnerschaften hervorbringen und die Marktkonsolidierungsdiskussion wird um einen neuen Aspekt reicher.
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