Tipps vom Insolvenzexperten

Wenn der Geschäftspartner pleite ist

01.07.2015 von Lucas Flöther
Die Insolvenz von Geschäftspartnern kann zur Zahlungsunfähigkeit eines Unternehmens führen und dessen Existenz akut bedrohen. Sanierungsexperte und Insolvenzverwalter Prof. Dr. Lucas F. Flöther gibt Expertentipps für diesen Krisenfall.
  • Unternehmer sollten im Sinne einer Risikostreuung maximal zehn Prozent des Umsatzes mit einem einzelnen Kunden erwirtschaften
  • Die erste Handlungsoption sollte immer das Gespräch mit dem Geschäftspartner sein

Bei der Insolvenz von Geschäftspartnern ist grundsätzlich zwischen zwei Konstellationen zu unterscheiden: die Insolvenz eines Kunden und die Insolvenz eines Lieferanten beziehungsweise Subunternehmers. So überraschend es klingen mag: Die Insolvenz eines Kunden ist in der Regel weit weniger dramatisch als die Insolvenz eines Lieferanten. Geht ein Kunde "pleite", bedeutet dies meist "nur" den Ausfall der Vergütung. "Dieser Ausfall sollte allerdings von einem seriösen Unternehmer grundsätzlich einkalkuliert und vor allem abgesichert sein - dies ist seine kaufmännische Pflicht", betont Flöther.

Hierzu bieten sich vorbeugend eine ganze Reihe verschiedener Sicherheitsinstrumente an: Neben einer gründlichen Prüfung und Auswahl des Kunden, etwa durch Einholung von Informationen über eine Wirtschaftsauskunftei, kann sich ein Unternehmer zum Beispiel über Vorkassezahlungen oder angemessene Zahlungsraten sowie über Bankbürgschaften, Warenkreditversicherungen, Eigentumsvorbehalte oder andere dingliche Sicherheiten, wie Forderungsabtretungen und Sicherungsübereignungen, gut absichern.

Die Insolvenz eines Kunden ist in der Regel weit weniger dramatisch als die Insolvenz eines Lieferanten.
Foto: Markus Bormann - Fotolia.com

Risikostreuung als Prinzip

"Wichtig ist nur, dass er dies im Vorfeld und vor allem bei jedem Kunden veranlasst und im Sinne einer Risikostreuung maximal 10 Prozent des Umsatzes mit einem einzelnen Kunden erwirtschaftet", ergänzt Flöther. "Denn einen hundertprozentigen Schutz vor der Insolvenz meines Geschäftspartners habe ich nie." Hat der Kunde dann tatsächlich Insolvenz angemeldet, sollte man - wenn immer möglich - schnell mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter Kontakt aufnehmen, um den Schaden zu minimieren und möglicherweise die Geschäftsbeziehung für die Zukunft zu retten. Die Rechte der Gläubiger im Insolvenzverfahren sind durch eine Reform des Insolvenzrechts im Jahr 2012 enorm gestärkt worden. Deshalb lohnt es sich in der Regel, frühzeitig auf den Verlauf der Insolvenz des Geschäftspartners Einfluss zu nehmen.

Auf Warnsignale hören - offene Kommunikation suchen

Weitaus komplexer stellt sich die Lage dar, wenn ein Lieferant oder ein Subunternehmer ins Straucheln gerät. Wenn nämlich notwendige Lieferungen ausbleiben, kann dies schnell zu immensen Problemen für den Belieferten führen. Im Extremfall kann die Lieferstockung den ganzen Betrieb zum Erliegen bringen. Allerdings kommt eine Zahlungsunfähigkeit in der Regel nicht aus heiterem Himmel, sondern ist ein schleichender Prozess. Erste Lieferprobleme, Unzufriedenheit bei Mitarbeitern oder gar Entlassungen oder nachlassende Qualität sind Warnsignale, die auch den Geschäftspartnern nicht verborgen bleiben. "Treten diese Fälle öfter auf, sollte man hellhörig werden und schnellstmöglich die Reißleine ziehen", empfiehlt Flöther.

Zunächst das Gespräch suchen

In einem ersten Schritt sollte hier schnell das Gespräch mit der Geschäftsleitung des Lieferanten gesucht und die Situation offen angesprochen werden. Gemeinsam muss die aktuelle Situation analysiert und nach Lösungen für die Zukunft gesucht werden. "Allerdings sollte man sich hier nicht nur auf Versprechen seines Partners verlassen, es sei eine einmalige Sache gewesen und komme nicht wieder vor", betont der Sanierungsexperte. "Entscheidend ist es, alles Besprochene schriftlich zu fixieren, um bei weiteren Verstößen schnellstmöglich von dem Vertrag zurücktreten und seine Rechte geltend machen zu können."

Alternativen haben - Rechtsweg einschlagen

Gleichzeitig sollte sich ein Unternehmen, wenn ein Lieferant wackelt, sofort nach Alternativen umschauen. Wenn dann der Geschäftspartner tatsächlich Insolvenz anmeldet und seine zugesagten Leistungen nicht mehr erbringen kann, ist im Fall der Fälle sofort Ersatz durch einen anderen Lieferanten zur Hand. "Beginnt man erst nach dem Insolvenzantrag mit der Suche nach Ersatz, ist es oft zu spät", so Flöther. "Denn ein gleichwertiger Lieferant ist nicht von heute auf morgen gefunden." Eine Ausweichlösung in der Hinterhand zu haben, stellt auch keinen Vertrauensbruch gegenüber dem bestehenden Geschäftspartner dar, sondern zeugt von vorausschauender Unternehmensführung.

Die eigenen Kunden haben Vorrang

"Ihre Kunden interessieren sich nicht für Ihre Probleme mit Ihren Lieferanten, sondern machen ausschließlich Sie für Probleme in der Lieferkette verantwortlich", mahnt Flöther die Unternehmer. Zudem sollte sich das belieferte Unternehmen immer die Möglichkeit offen halten, den Rechtsweg einzuschlagen. "Zwar ist das Gespräch mit dem teilweise langjährigen Geschäftspartner oftmals ausreichend und sollte immer die erste Handlungsoption sein", unterstreicht Flöther. "Aber für den Notfall - dies gilt vor allem bei führungslosen und unseriösen Geschäftspartnern - muss man sogar darauf vorbereitet sein, Insolvenz für seinen Lieferanten zu beantragen."

Rechtliche Expertise einholen - Forderungen anmelden

Wenn der Lieferant nun tatsächlich Insolvenz anmelden muss, gilt es auch für den Unternehmer, sich rechtliche Unterstützung ins Boot zu holen. "In den meisten Unternehmen gibt es nicht genug insolvenzrechtliche Expertise", so Flöther. "Diese ist aber entscheidend, will ich meine Forderungen bestmöglich durchsetzen." Wichtige Fragen müssen nun geklärt werden, etwa nach der genauen Art des Verfahrens oder nach dem Verfahrensstand. "Ab dem Zeitpunkt der Insolvenzanmeldung übernimmt faktisch der vorläufige Insolvenzverwalter das Ruder im Unternehmen des Geschäftspartners.

Insolvenzverwalter aktiv kontaktieren

Mit ihm sollte dann schnellstmöglich über ausstehende Lieferungen, bestehende Verträge und das weitere Vorgehen verhandelt werden. "In den meisten Fällen ist der vorläufige Insolvenzverwalter sogar daran interessiert, Lieferungen weiter auszuführen und keinen Kunden zu verlieren, um den Geschäftsbetrieb auch langfristig aufrechterhalten zu können", erklärt Flöther. Sobald das Insolvenzverfahren eröffnet ist, kann der Insolvenzverwalter alle bestehenden Verträge umgehend kündigen. Ist der Insolvenzverwalter an einer weiteren Zusammenarbeit interessiert, müssen also oft neue Verträge ausgehandelt werden. "Wichtig ist aber grundsätzlich, dass man seine Rechte konsequent verfolgt und beispielsweise Forderungen an den Lieferanten rechtzeitig anmeldet", rät Flöther. Zudem wählen Unternehmen bei einer Insolvenz verschiedene Verfahrenswege, zum Beispiel das Schutzschirmverfahren, die Eigenverwaltung oder die klassische Regelinsolvenz. "Hier lauern unterschiedliche rechtliche Risiken - umso wichtiger ist insolvenzrechtliche Unterstützung."

Die größten Pleiten in der ITK-Branche in den vergangenen Jahren
IDS Scheer Consulting (September 2014)
Das IT-Beratungshaus IDS Scheer Consulting, das erst im Juni von der Software AG an die Scheer Group verkauft wurde, steht vor der Insolvenz. Jeder vierte Mitarbeiter muss gehen.
Printer Care (Juli 2014)
Einer der wichtigsten Online-Händler für Drucker und Zubehör hat Insolvenz angemeldet. Geschäftsführer Claus Grünig glaubt aber fest an eine Zukunft von Printer Care.
mStore (Juli 2014)
Gegen den Apple-Händler mStore wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Die zunächst angestrebte Sanierung in Eigenverantwortung ist damit gescheitert. Noch in dieser Woche sollen die meisten Filialen der Kette geschlossen werden.
Vitec (Juli 2014)
Der britische AV-Distributor Imago will alle Mitarbeiter des insolventen Multimediaspezialisten Vitec übernehmen. Die Geschäfte sollen unter Vitec-Gründer Dr. Wilhelm Mettner am Standort Mainz weitergeführt werden.
ACI Supplies (März 2014)
Die Telefone stehen still bei ACI Supplies in Ratingen. Grund: Die Unternehmensmutter ACI Adam BV mit Sitz in Maastricht, hat Insolvenz angemeldet. Der Distributor ist in Zahlungsschwierigkeiten geraten.
DiTech (März 2014)
Mit weit über 100 Millionen Euro Umsatz ist der österreichische Multichannel-Händler DiTech alles andere als ein Leichtgewicht. Im März 2014 musste das Unternehmen ein Sanierungsverfahren zur Abwendung einer Insolvenz einleiten.
Getgoods (November 2013)
Nachdem sich die Hinweise auf eine bevorstehende Insolvenz des Elektronikversender Getgoods gehäuft hatten, hat das Unternehmen Mitte November seine Zahlungsunfähigkeit offiziell bestätigt. Der Geschäftsbetrieb soll allerdings aufrechterhalten werden.<br>
BHS Binkert (November 2013)
Der auf das Imaging-Segment spezialisierte Distributor BHS Binkert hat einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt. Wie es weitergeht, ist derzeit noch ungewiss.<br>
Loewe (Juli 2013)
Nur wenige Wochen vor der IFA in Berlin ist Aushängeschild der deutschen Fernsehproduktion, Loewe, in ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten geraten: Um einer Insolvenz vorzubeugen, hat sich das Unternehmen nun für ein Schutzschirmverfahren entschlossen.<br>
Chips and More (Juli 2013)
Der Freiburger Distributor Chips and More musste im Sommer 2013 Insolvenz anmelden. Der Grossist war unter anderem durch seine Eigenmarke CnMemory bekannt.
Niedermeyer (Mai 2013)
Sanierungskosten von bis zu 10 Millionen Euro – so viel war auch dem deutschen Onlinehändler Cyberport sein österreichischer Partner im stationären Handel nicht wert: Die Investorensuche für die Elektronikkette Niedermeyer blieb erfolglos, die verbleibenden 45 Filialen des einst 98 Standorte starken Filialnetzes mussten schließen.
Devil und COS (April 2013)
Nachdem die Kreditversicherer sowohl für Devil als auch für COS die Limits gekürzt hatten, mussten die beiden Distributoren im April 2013 Insolvenz anmelden.<br> Sechs Wochen später war die Zukunft von COS in Pohlheim gesichert: Der Api-Konzern wird das Unternehmen unter dem Namen COS Computerhandels GmbH weiterführen. Und im Juli 2013 wurde bekannt, dass der polnische Distributor Action S.A. den Braunschweiger Grossisten Devil übernehmen wird.<br>
b.com (März 2013)
Der Kölner Distributor B.com musste beim Amtsgericht Köln einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellen. Ein bereits erarbeiteter Sanierungs- und Restrukturierungsplan sollte an die neue Situation angepasst werden.<br> Kurz Zeit später wurde mit der Wortmann AG ein Retter gefunden.<br>
Jet Computer (März 2013)
Auch der Spezialdistributor Jet Computer Products war in finanzielle Schieflage geraten und musste beim Amtsgericht Hannover einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen. Vertrieb und Support sollten zusammen mit den Herstellern aufrechterhalten werden.<br>
BT Kopier (Dezember 2012)
Nachdem Büroring angekündigt hat, sich aus dem übernahmegeschäft mit BT Kopier zurück zu ziehen, musste der Büromaschinenspezialist beim Amtsgericht Duisburg Insolvenz anmelden.<br>
H&S (Oktober 2012)
Im Oktober 2012 hatte die H & S Entwicklungsgesellschaft Nettetal GmbH vor dem Amtsgericht Krefeld Insolvenz angemeldet. Besser bekannt war die Firma allerdings unter dem vormaligen Namen Terratec. <br>
Neckermann (Juli 2012)
Während die Rettung von Neckermann scheiterte, gab es zumindest für einen durch die Insolvenz in Bedrängnis geratenen Partner-Shop eine neue Zukunft: Der zum Distributor Wave gehörende Elektronikversender Alternate wollte den Onlinehändler Styleon.de weiterführen.<br>
ADA – Das Systemhaus (März 2012)
Das zu diesem Zeitpunkt siebtgrößte Systemhaus Deutschlands musste im März 2012 Insolvenz anmelden. Zum 1. Juli 2012 übernahm Ricoh das operative Geschäft und machte ADA zu einer Business Unit.<br>
PC live (Januar 2012)
Das Peripherie-Label Typhoon schien dem kein Glück zu bringen: Mit PC live wurde schon die dritte Eigentümerfirma insolvent. <br>
Asdis Software (Juni 2010)
Auch Thomas Benz, Geschäftsführer des Systemhauses Asdis Software, musste im Juni 2010 den Gang zum Insolvenzverwalter antreten.<br>
RZNet (August 2009)
Mit Lothar Papenberg, Vorstand der RZNet AG, musste ein weiterer Systemhaus-Chef im August 2009 den Gang zum Insolvenzgericht antreten.<br>
TDMi (Juli 2009)
Deutschlands drittgrößtes Systemhaus, die TDMi-Gruppe, musste im Juli 2009 Insolvenz anmelden. Betroffen waren die TDMi-Tochter Comparex, die Muttergesellschaften TDMi Deutschland Holding GmbH und die TDMi AG.<br>
COS (Juli 2009)
Besonders wild ging es bei der COS-Pleite im Juli 2009 zu: Erst verkaufte Firmenmutter Tiscon den Distributor an den russischen Investor Green Gold, der COS wohl entgegen den getroffenen Absprachen in die Insolvenz schickte. Als rettender Engel für die COS erwies sich ausgerechnet der Braunschweiger Wettbewerber Devil.<br>
Trekstor (Juli 2009)
Im Juli 2009 mussten auch die Trekstor-Geschäftsführer Daniel und Shimon Szmigiel (Foto) Insolvenz anmelden.<br>
Tandberg Data (April 2009)
Weil der Speicherspezialist Tandberg Data Kredite an den Investor Cyrus Capital nicht zurückzahlen konnte, musste das Unternehmen im April 2009 Insolvenz anmelden. Im Zuge der Restrukturierung verließen Deutschland-Chef Frank Roszyk und eine ganze Reihe führender Manager das Unternehmen und gründeten den direkten Wettbewerber Actidata.<br>
Finanzielle Schieflage
Auf den nächsten Seiten gibt es eine Auflistung der wichtigsten ITK-Distributoren, -Systemhäuser, -Hersteller, und -Händler die in letzter Zeit Insolvenz anmelden mussten oder pleite gingen.<br>
Netsquare (Juli 2015)
Distributor und PC-Fertiger Netsquare ist zahlungsunfähig. Ob der Geschäftsbetrieb weitergehen kann, ist laut Insolvenzverwalter noch nicht absehbar.
Weltbild (Juli 2015)
Also will die aus der Insolvenzmasse der Weltbild erworbenen Logistikaktivität nicht mehr finanziell unterstützen. Damit droht in Augsburg die Insolvenz.
Atelco (Juli 2015)
Das Sparprogramm, das die Atelco-Gruppe nach anhaltenden Umsatzrückgängen und Verlusten eingeleitet hatte, ist gescheitert. Nachdem Investorengespräche nicht schnell genug abgeschlossen werden konnten, beantragte das Unternehmen im Juli 2015 die Insolvenz.

Dieser Artikel stammt aus dem IT Job Magazin.