Linux oder Windows

Welches Betriebssystem gehört auf den Server?

08.06.2010 von Jan Schulze
Die Wahl der Server-Plattform ist keine Frage von Lizenzkosten und Funktionsumfang des Betriebssystems. Wichtiger sind einfache Lizenzverfahren und passende Applikationen.

Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten werden gerne die IT-Kosten einer kritischen Prüfung unterzogen. Lizenz- und Wartungskosten spielen besonders bei mittleren Unternehmen eine große Rolle im IT-Budget. Und eine enge Personaldecke lässt wenig Raum für technologische Innovationen, die einen Wettbewerbsvorteil bieten könnten. Die IT muss also nicht nur im Einkauf preiswert sein, auch die tägliche Administration muss möglichst einfach ablaufen.

Im Bereich der Server-Plattformen buhlen dabei vor allem zwei Betriebssysteme um die Kundengunst: Microsoft Windows und einige Linux-Distributionen - während das klassische Unix in den vergangenen Jahren deutlich zurückgedrängt wurde und im Mittelstand nur noch eine Nischenrolle für Spezialanwendungen spielt. Für das vierten Quartal 2009 haben die Marktforscher von IDC ermittelt, dass in der Region EMEA (Europe, Middle East, Africa) Linux als Server-Betriebssystem gesunde Umsatzzuwächse verzeichnen kann, Microsofts Windows-Server mit über 42 Prozent Marktanteil gemessen am Umsatz jedoch der Platzhirsch ist und die dominierende Stellung noch ausbauen wird. Allerdings ist ein Vergleich von Linux und Windows nach Umsatzzahlen nur bedingt aussagekräftig: Linux-Server sind wegen des Open-Source-Modells nicht immer mit einer kommerziellen Lizenz hinterlegt, die so genannten freien Distributionen werden in der Statistik nicht erfasst.

Vor allem die großen IT-Anbieter wie IBM oder Oracle propagieren den Einsatz des Open-Source-Betriebssystems. Besonders Big Blue möchte Linux im Markt für kleine und mittelgroße Unternehmen einführen, etwa durch vorkonfigurierte Linux-Server als Basis für den hauseigenen Groupware-Server Lotus Domino. Aber auch reine Linux-Spezialisten oder regional aktive Systemhäuser bieten Linux in allen Geschmacksrichtungen für kleine und mittlere Unternehmen an. Der Markt für kommerziell lizenzierte Linux-Server wird laut Carlo Velten, Senior Advisor der Experton Group, in Deutschland vor allem von drei Anbietern bestimmt: Novell mit Suse Linux, Red Hat und Collax.

Plattform-Vergleich: Es fehlt die gemeinsame Basis

Die beiden Server-Plattformen Windows und Linux direkt zu vergleichen, ist eine Sisyphus-Arbeit: Unterschiedliche Lizenzformen, Software-Ausstattungen und Einschränkungen trüben die Transparenz. Während im Windows-Umfeld die Lizenzierung anhand von Servern und zugreifenden Clients üblich ist, verdienen die Linux-Distributoren ihr Geld mit Support-Verträgen. In diesem Rahmen stellen sie nicht nur Hilfe bei Problemen bereit, sondern evaluieren auch Updates aus der Community, zertifizieren die Plattform für bestimmte Anwendungen und stellen Patches und Fixes bereit. In der Regel werden jährliche Gebühren erhoben. Im Gegenzug spielt die Zahl der zugreifenden PCs in der Regel keine Rolle - Ausnahmen wie die Novell Open Workgroup Suite Small Business Edition oder der Collax Business Server bestätigen die Regel. Diese werden im Gegensatz zu den reinen Server-Produkten wie Suse Linux Enterprise oder Red Hat Enterprise Linux auf Benutzerbasis abgerechnet werden. Für Sparsame ist es bei entsprechendem Know-how jedoch problemlos möglich, in unkritischen Bereichen kostenlose Community-Distributionen einzusetzen, die nicht mit Garantien eines Herstellers hinterlegt sind.

Auch der Funktionsumfang ist schwer zu vergleichen. Längst werden keine reinen Betriebssysteme mehr angeboten. Alle Plattformen umfassen ein breites Spektrum an Funktionen, die streng genommen der Anwendungsseite zuzurechnen sind. Und viele Open-Source-Anwendungen werden zwar typischer Weise auf Linux betrieben, stehen aber ebenso für Windows zur Verfügung. Ein Beispiel dafür ist der Web-Server Apache. "Das Server-Betriebssystem und dessen Funktionalitäten sind Commodity", erläutert Experton-Berater Velten. "Es ist von dieser Warte aus egal, ob sich ein Unternehmen für Windows oder für Linux entscheidet."

Eine Frage des Geldes

Damit rückt die finanzielle Frage ins Zentrum. Besonders bei Lizenzkosten hat der Mittelstand Bedarf an unkomplizierten Angeboten, etwa wegen der Konsolidierung von Servern mittels Virtualisierung: Laut einer Umfrage von Forrester Research aus dem vergangenen Jahr unter 2600 IT-Entscheidern in den USA und in Europa hinken die KMUs bei der Virtualisierung den großen Unternehmen nicht nach. So gaben 53 Prozent der befragten Entscheider aus kleinen und mittleren Unternehmen an, Virtualisierung auf x86-Servern bereits zu nutzen oder in Kürze einzuführen. Bei großen Unternehmen ermittelte Forrester eine Quote von 54 Prozent. Bei der Virtualisierung von Betriebssystemen hingegen lagen die KMUs deutlich vor den Großen. Und mit dem Einsatz von Virtualisierung gewinnt das Thema Lizenzkosten für virtuelle Maschinen und den darauf betriebenen Anwendungen Gewicht. Allerdings: Geht es um die Frage, welches Server-Betriebssystem im Unternehmen eingesetzt werden soll, sind nicht die reinen Investitionskosten sondern die langfristigen Aufwendungen entscheidend.

Windows ist nicht teurer

Das oft zitierte Argument, Linux sei billiger als Windows, will Velten nicht gelten lassen: "Windows ist nicht unbedingt teurer. Man darf nicht nur die Lizenzkosten sehen, auch der Verwaltungsaufwand muss da mit eingerechnet werden. Hier hängen die Kosten vor allem vom Know-how der Administratoren ab. Ein Administrator mit guten Windows-Kenntnissen kann Windows billiger bereitstellen als Linux." Zudem habe Microsoft für den Mittelstand günstige Produktpakete geschnürt.

Best pf ERP-OSS
Best of Open Source Enterprise Software
Bossie-Awards: Die Gewinner des Jahres 2009 in der Kategorie quelloffene Enterprise Software.
Compiere
Neben ERP-Funktionen bietet Compiere auch Features für die Kunden- und Personalverwaltung sowie das Business Performance Management (BPM).
Dimdim
Das Collaboration-Tool Dimdim funktioniert Web-basiert und kommt fast ohne Softwareinstallation aus. Bis zu 20 Teilnehmer können sich kostenlos zu Online-Konferenzen treffen.
Drupal
Rund um Drupal hat sich inzwischen ein Kosmos von rund 1800 Add-on-Modulen entwickelt, die die Funktionspalette des Content-Management-Systems (CMS) deutlich erweitern.
Intalio BPM
Die freie BPM-Suite Intalio überzeugt durch eine breite Funktionspalette, ihre BPEL-Engine, einen Workflow-Server sowie ein Modellierungs-Tool auf Eclipse-Basis.
JasperSoft BI Suite
Nach Einschätzung der Jury kann Jaspersoft mit seinen Reporting-Funktionen durchaus mit den kommerziellen Business-Intelligence-Lösungen der etablierten Anbieter mithalten.
Magento
Das E-Commerce-Tool Magento unterstützt mehrere Sprachen und Währungen. Zudem lassen sich die eigenen Online-Geschäfte mit verschiedenen Reports analysieren.
Openbravo ERP
Anders als viele andere Open-Source-Suiten bietet Openbravo in seinen Community- und Enterprise-Editionen fast den gleichen Funktionsumfang.
Pentaho BI Suite
Die Stärken der freien Business-Intelligence-Lösung Pentaho liegen in erster Linie in den OLAP-Features sowie den Workflow- und ETL-Funkltionen.
Piwik
Piwik macht Google Analytics Konkurrenz. Nutzer können ihre Konsole individuell per drag-and-drop konfigurieren.
SugarCRM
Der Open-Source-Pionier in Sachen Business Software SugarCRM bietet seinen Nutzern eine reichhaltige Funktionspalette, die sich zudem über einfach zu handhabende Entwicklungs-Tools unkompliziert erweitern lässt.
WordPress
Die Jury lobte die Möglichkeiten, Wordpress individuell anpassen zu können. Außerdem bietet das Tools zahlreiche Themen für die Gestaltung von Blogs sowie Plug-ins für die Werkzeugpalette.

Microsoft setzt in diesem Markt neben den herkömmlichen Einzelprodukten auf den Windows Small Business Server (SBS). Er enthält neben dem Server-Betriebssystem gleich die wichtigsten Anwendungen in einer Box etwa Exchange- und Sharepoint-Server. Konfiguration und Administration wurden zudem an den Bedarf kleiner und mittlerer Unternehmen angepasst und vereinfacht.

Der Windows SBS kann maximal 75 Benutzer versorgen. Er ist in einer Premium- und einer Standard-Version erhältlich - Premium beinhaltet den SQL-Datenbank-Server aus Redmond, der in der Standard-Ausgabe nicht zur Verfügung steht. Neu im Microsoft-Portfolio ist der Windows Server 2008 R2 Foundation, der als Einzelserver für maximal 15 Benutzer eingesetzt werden kann.

Linzenzierung: Linux ist einfacher

Für den Experton-Advisor Velten stellt sich vor allem die Frage, ob mittelständische Unternehmen nicht mit den Lizenzmodellen von Microsoft überfordert sind: "Gerade im Mittelstand finden wir oft Überlizenzierungen, wenn mehr als 100 Benutzer vorhanden sind." Unternehmen müssten zum Beispiel bei steigenden Mitarbeiterzahlen genau ermitteln, welche Funktionen an welchem Arbeitsplatz benötigt würden. "Durch Nachlizenzierungen entstehen leicht hohe Kosten. Das ist bei Linux wesentlich einfacher, da in der Regel die Lizenzen einfach auf der Basis physikalischer Server abgerechnet werden", so Velten. "Gerade die sehr übersichtlichen Lizenzmodelle der Linux-Distributionen machen das Betriebssystem und Open Source für Mittelständler interessant."

Microsoft: Viele Optionen trüben die Transparenz

Microsoft kontert diesen Vorwurf mit speziellen Mittelstandsangeboten und entsprechenden Skalierungsmöglichkeiten. "Mit dem Windows Small Business Server 2008 steht kleinen bis mittelständischen Unternehmen mit bis zu 75 PCs eine sehr kostengünstige Möglichkeit bereit, eine vollständig integrierte Serverinfrastruktur zum Einsatz zu bringen", erläutert Dietmar Meng, Produktmanager Windows Essential Server Solutions bei Microsoft. "Die Lizenzkosten des SBS 2008 liegen in der Standard-Edition bei rund 35 Prozent unter den Lizenzkosten der Einzelprodukte, bei der Premium-Edition sind es sogar 45 Prozent. Neben der vereinfachten Bereitstellung und Verwaltung sind auch die Lizenzmodelle des SBS sehr einfach gehalten, die Client Access Licences (CALS) decken alle vorhandenen Technologien ab. Zudem bieten wir nicht mehr nur Fünferpakete bei den CALs an. Die Anwender können auch einzelne CALs für die Premium- oder Standard-Versionen erwerben."

Server-Markt erholt sich

Der Server-Markt ist nach einem deutlichen Einbruch im vergangenen Jahr wieder auf Wachstumskurs. Für das erste Quartal 2010 stellte Gartner im Vergleich vom Vorjahreszeitraum weltweit ein Wachstum der Server-Umsätze von sechs Prozent fest. In Stückzahlen gemessen lag der Zuwachs sogar bei 23 Prozent. Der Großteil des Wachstums entfällt auf Standard-Server mit x86-Prozessoren. Diese Kategorie konnte beim Umsatz über 32 Prozent zulegen. RISC- und Itanium-basierende Maschinen sowie Mainframes mussten hingegen deutliche Verluste in Kauf nehmen.

Selbstverständlich könne eine SBS-Umgebung durch weitere Member-Server (auch Domain Controller) erweitert werden - je nach Anforderung und Einsatzszenario, erklärt Meng. Diese seien Server-seitig zusätzlich zu lizenzieren, wobei die Client-Seite (CALs) für zum Beispiel einen zusätzlichen Windows Server 2008 R2 in der SBS-Domain bereits durch die SBS Client-Zugrifflizenz abgedeckt sei. SBS 2008 verfolgt ein Single-Domain-Konzept, so dass die Betriebsmasterrollen (FSMO; Flexible Single Master Operation) beim SBS liegen müssen. Auch sind keine Vertrauensstellungen zu anderen Domains oder Sub-Domains möglich. Dennoch ist auch eine SBS-Umgebung für bis zu 75 Benutzer oder Geräte skalierbar.

Bei den Linux-Distributoren ist die Lizenzierung der Server anders aufgebaut. Der wichtigste Unterschied ist, dass es sich dabei um eine jährliche Gebühr für Wartung und Support handelt. Bei Red Hat zum Beispiel bestimmt neben der gewünschten Support-Leistung die Größe der Maschine den Preis. Es gibt Angebote für Maschinen mit zwei Prozessorsockeln und für Hardware mit mehr als zwei Sockeln. "Wir berechnen pro physikalischem Server eine Subscription", so Jan Wildeboer, EMEA Open Source Evangelist bei Red Hat. "Dabei ist es zum Beispiel egal, wie viele virtuelle Server auf der Maschine laufen."

Virtualisierung fördert Linux-Trend

Gerade im Bereich der Virtualisierung sieht Wildeboer denn auch eine der Triebfedern für Linux im Mittelstand. Subscriptions-Kosten seien nicht das Hauptargument für Mittelständler, denn Kosten entstehen an anderer Stelle: "Linux braucht Investitionen in die Mitarbeiter, etwa in Form von Schulungen." Vorteile biete Linux seiner Meinung nach etwa in Form einer einfacheren Verwaltung durch den modularen Aufbau, mit dem die Anwender nicht benötigte Funktionen außen vor lassen könnten. Die Lizenzfrage stelle sich vor allem dann, wenn schnell bezahlbare neue Lösungen aufgebaut werden müssten. "Bei Webshops oder bei CRM ist Open Source als Kostenalternative inzwischen bekannt. Das beginnt nun auch im ERP-Umfeld", so Wildeboer. Die Wahl des Betriebssystem folgt bei mittelständischen Unternehmen seiner Beobachtung nach ohnehin einer recht pragmatischen Vorgehensweise: "Oft wird diese Entscheidung einfach nach den Vorlieben der IT-Mitarbeiter gefällt."

Applikationen: Closed-Source bietet oft mehr Funktionen

Auch für Experton-Berater Velten ist die Wahl der richtigen Server-Plattform auf einen einfachen Nenner zu bringen: "Entscheidend sind die Anwendungen auf dem Server. Linux kann zum Beispiel sinnvoll bei Web-Anwendungen im Bereich eCommerce oder CRM sein. Client-orientierte Anwendungen wie Sharepoint oder Exchange bedingen Windows als Basis." Ein Umstieg bei den Anwendungen sei mit Risiken verbunden. "In der Regel hinken die Open-Source-Anwendungen den Closed-Source-Vorbildern in Sachen Funktionalität hinterher. Hat man zum Beispiel viele Exchange-Poweruser im Unternehmen, wird eine Umstellung auf ein Linux-basierendes Open-Source-Produkt fast sicher scheitern." Für Velten bieten sich deswegen vor allem neue Anwendungen dazu an, verschiedene Plattformen zu evaluieren. Auch wenn große Migrationsprojekte anstehen, kann sich ein genauer Vergleich der verfügbaren Plattformen lohnen. (jha)

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