Thin-Clients und Browser-Anwendungen wollen das Schwergewicht PC ablösen

Welcher Client passt zu mir?

15.10.2003 von von Wolfgang
Der PC gilt seit langem als kosten- und wartungsintensives Werkzeug. Als potenzielle Alternativen empfehlen sich Konzepte wie Terminal-Clients oder Browser-Frontends.

PCS SIND BELIEBT und verhasst zugleich. Als universell einsetzbare Geräte haben sie in den Unternehmen eine enorme Verbreitung gefunden - ob als bessere Schreibmaschine, im Grafik-, Design und Konstruktionsbereich oder als Rechenmaschine für alle erdenklichen betriebswirtschaftlichen Aufgaben. Ein weiterer Grund für den Siegeszug der Schreibtischrechner war die Tatsache, dass sich dank der günstigen Preise auch kleine Firmen eine IT leisten konnten. Doch die Nachteile der immer komplexer werdenden Technologie wiegen schwer: Windows, das Quasi-Standardbetriebssystem, ist mit den Jahren immer schwergewichtiger und komplexer geworden. Das erfordert einerseits regelmäßige Aktualisierungen bei der PC-Hardware, andererseits ist mit der Komplexität am Arbeitsplatz auch der Aufwand für Anwenderunterstützung, Service und Verwaltung der Systeme enorm gestiegen. Kritiker bemängeln seit langem das Grundprinzip der „Fat Clients“ und

propagieren alternative Konzepte, welche die Hard- und Software am Arbeitsplatz vereinfachen und an leicht zu administrierende Server angeschlossen sind. Als bedeutendstes Gegenmodell zur PC-Architektur hat sich das Terminal-Server-Konzept etabliert. Vom Grundprinzip her erinnert es an den klassischen Mainframe: Anwendungen wie etwa Microsoft Office werden nicht mehr auf jedem PC separat installiert, sondern laufen als einzelne Instanz zentral auf dem Server. Die Anwender sitzen an einfach ausgestatteten, relativ preisgünstigen Terminals, die weder über eine Festplatte noch einen schnellen Prozessor verfügen. Bei der Arbeit bleibt die Minimalausstattung des Clients verborgen. Wird beispielsweise ein Windows-basierender Terminal- Server eingesetzt, zeigt der Bildschirm die bekannte Windows-Oberfläche mit allen gängigen Programmen - ob Office, Notes oder SAP.

Gerechnet wird auf dem Server

Technisch ist dieses Prinzip, das Citrix mit „Metaframe“ in der Windows-Welt etabliert hat, einfach zu erklären: Am Server läuft eine Windows-Instanz, die für jeden im Netz angeschlossenen Anwender eine persönliche Umgebung bereitstellt und dabei die Bildschirminhalte an die Terminals überträgt. Die Rechenleistung wird ausschließlich am Server erbracht. Aus Sicht der Administration löst das Terminal-Konzept die drängendsten Probleme im Windows-Umfeld: Software muss nur noch einmal installiert werden, die Clients sind praktisch wartungsfrei. Auch eventuelle Sicherheitsprobleme beschränken sich ausschließlich auf den Server und sind so leichter zu überschauen.

Vor allem beim Umstieg auf neue Anwendungen können Firmen mit Windows- Terminals Kosten sparen, wie das Beispiel der Hermann Bach GmbH & Co. KG in Lippstadt zeigt. Das auf Baustoffe, Fliesen und Sanitärprodukte spezialisierte Unternehmen mit 350 Mitarbeitern hat sich im Zuge einer Umstellung auf Microsoft Office 2000 für die komplette Zentralisierung auf Basis von Citrix Metaframe XPe entschieden.

Umstellung hat sich rentiert

„Wir hätten für Office 2000 etwa 80 Prozent unserer PCs ersetzen müssen, weil sie den Hardwareanforderungen nicht mehr entsprochen hätten“, führt Jörg Weddemann aus, der für die Serververwaltung bei Bach zuständig ist. Die 220 Citrix-Clients in allen Niederlassungen - sowohl PCs als auch Terminals - sind über T-DSL mit der Serverfarm verbunden. „Der Aufwand für Betreuung, Installation und Administration hat sich im PC-Bereich erheblich verringert“, resümiert Weddemann. „Hier hat sich die neue Architektur bereits innerhalb kurzer Zeit bezahlt gemacht, und wir können heute bei Problemen wesentlich schneller reagieren.“ Einen weiteren Ausweg aus dem „Fat-Client“-Dilemma eröffnet die Ausbreitung der Web- Technologien: Der Browser kann auch als universelles Anwendungs-Frontend für Internet-, Intranet- oder Extranet- Anwendungen dienen.

Es handelt sich dabei - zumindest auf Client-Seite - um eine reine Softwarelösung, die sowohl auf einem Fat-Client als auch einem Thin-Client betrieben werden kann. Wie beim klassischen Thin-Client residiert auch bei Browser-Anwendungen die gesamte Anwendungslogik auf dem Server, was die Verteilung und die Verwaltung enorm vereinfacht: Eine Überarbeitung oder Neuentwicklung muss nur einmal zentral eingespielt werden. Außerdem sind ähnlich wie beim Thin-Client die Hardwareanforderungen relativ gering. Unabhängig vom darunter liegenden Betriebssystem reicht ein einfacher Browser aus, um die Anwendung zu bedienen.

Mehr Last auf dem Netz

Steht ein Unternehmen vor der Entscheidung für eine bestimmte Client-Strategie, sind allerdings die Vor- und Nachteile der jeweiligen Architekturen unter Berücksichtigung der eigenen Bedürfnisse genauestens zu erörtern. Der Einsatzbereich von Thin-Clients ist beispielsweise klar begrenzt: Als Faustregel gilt, dass grafikintensive Programme nicht sinnvoll über einen Terminal-Server bereitgestellt werden können, weil die Bildschirmaktualisierungen über das Netz zu langsam sind. Ein anderes, grundsätzliches Problem stellt das Drucken dar. Da die Berechnung der Druckdaten am Server geschieht, müssen beim Ausdruck alle Daten vom Server an das Terminal übertragen werden, an dem der Drucker hängt. Bei größeren Dateien wie Fotos mit hoher Auflösung oder umfangreichen Powerpoint-Präsentationen sowie häufigem Druckergebrauch sind hier auch leistungsfähige Netze überfordert und bremsen alle anderen Anwender aus.

Interessanterweise hat sich daher in vielen Firmen der parallele Betrieb von Fat-Clients und Terminal- Diensten auf Softwarebasis etabliert. Unternehmenskritische Programme wie Lotus Notes werden so beispielsweise auf einem Terminal-Server bereitgestellt, die Anwender greifen darauf allerdings über ihren klassischen Windows- PC über ein Terminal-Fenster zu. Für die IT-Abteilung hat ein solcher Mischbetrieb ohne echte Thin-Client-Hardware den Vorteil, dass die wichtigsten Anwendungen praktisch ausfallsicher bereitzustellen sind. Selbst wenn der PC des Geschäftsführers „abrauchen“ sollte, kann dieser umgehend an einem Ersatzgerät ohne aufwändige Neuinstallationen auf seine wichtigen Daten und Funktionen zugreifen.

Nicht zu unterschätzen sind beim Aufbau einer Terminal-Server- Umgebung auch die Themen Netzlast und Prozessorleistung. Während beim Fat-Client lediglich gelegentliche Datenzugriffe über das Netz - etwa auf Datenbanken oder ins Internet - erfolgen, produzieren Terminal-Clients eine Dauerlast, die mit der Zahl der aktiven Anwender kontinuierlich steigt. Hinzu kommt eine enorme Auslastung für den Terminal- Server - für jeden Anwender muss eine eigenständige Windows- Sitzung geöffnet werden, die Arbeitsspeicher belegt und Rechenleistung in Anspruch nimmt. In der Praxis teilen sich daher etwa 50 bis 100 Anwender einen Server. Zusätzliche Server sind notwendig, um eine Ausfallsicherheit beispielsweise mittels eines Cluster- Verbunds zu gewährleisten.

Thin-Clients in der Produktion

Der Einsatz von Thin Clients ist laut Theodoros Paraskevopoulos, Geschäftsführer bei der Deron Systemhaus GmbH in Ostfildern- Ruit, erst dann wirtschaftlich sinnvoll, wenn eine gewisse Anzahl an Usern erreicht wird und es sich um Applikationen handelt, die wenig Rechenkapazität und eine geringe grafische Leistung in Anspruch nehmen. „Vorteile haben die schlanken Endgeräte auch im Produktionsbereich, da sie weitgehend unempfindlich gegen Staub und thermische Belastung sind“, erklärt Paraskevopoulos. Interessanterweise werden Terminalserver zunehmend vor allem in Verbindung mit PC-Clients eingesetzt. Mit der kostenlosen Integration des Windows-Terminal-Servers in die neueren Windows-Server senkt Microsoft die Eintrittsschwelle für diese Art der Anwendungsbereitstellung. Viele Unternehmen nutzen die Gelegenheit, um das kostenlose Windows-Feature zu testen. Laut der Marktstudie „Client- Management-Studie“, die Deron 2002 durchgeführt hatte, liegt bei den

500 untersuchten Firmen die Verbreitung des Windows-Terminal- Servers etwa gleichauf mit dem lange Zeit unangefochtenen Citrix-Pendant.

Die Vorliebe für den Einsatz von Terminal-Servern hängt übrigens stark von der Unternehmensgröße ab. So hat Deron ermittelt, dass etwa 45 Prozent der Firmen mit 100 bis 500 Clients entweder auf eine Windows- oder eine Citrix- Terminal-Lösung setzten. Sehr geringe Verbreitung findet das Konzept hingegen bei Unternehmen mit weniger als 100 sowie mehr als 5000 Clients. In Sachen Administrationsaufwand haben die Fat-Clients der Deron-Studie zufolge gegenüber den Terminal- Clients große Fortschritte gemacht und liegen beim Zeitaufwand ungefähr gleichauf. Das ist vor allem auf die Management- Werkzeuge von Drittanbietern und Techniken wie Active Directory zurückzuführen.

Die grundsätzliche Frage, ob in den nächsten Jahren eher schlanke oder eher leistungsfähige Clients gefragt sind, ist schwer zu beantworten. Selbst der Fat-Client- Protagonist Nummer eins, Microsoft, fährt mittlerweile zweigleisig: Mit der Web-basierenden Anwendungsplattform ASP.NET liefert der Softwaregigant ein serverzentriertes Modell. Das an der klassischen Windows-Idee orientierte Framework .NET Windows Forms („Smart Client“) setzt auf ein Fat- Client-Paradigma, das allerdings durch einige Neuerungen einfach zu administrieren ist. Uneinheitlich zeigt sich auch das Linux-Lager. Üblich sind Anwendungen für grafische Oberflächen auf Basis von Frameworks wie KDE oder Gnome - und diese erfordern viel Rechenleistung am Arbeitsplatz- PC. Daneben gibt es Terminallösungen auf Linux-Basis.

Kein klarer Trend

in Sicht Auch im Java-Lager ist man von der ursprünglichen Idee leichtgewichtiger, über den Browser verteilter Anwendungen abgerückt. Um die Akzeptanz von Java auf dem Client wieder zu steigern, wird beispielsweise im Eclipse- Projekt mit SWT (Standard Wiget Toolkit) an einem umfassenden Framework für GUI-Anwendungen (GUI = Graphical User Interface) gearbeitet. Eclipse-Anwendungen sollen damit einen vergleichbar hohen Bedienkomfort wie Windows-Programme bieten. Ein einheitlicher Trend in der Client-Frage ist heute weniger denn je auszumachen. Aufgrund der zunehmenden Verfügbarkeit von Terminal-Servern als kostenlose Server-Add-ons ist davon auszugehen, dass Anwender zumindest testweise auch Mischumgebungen mit Thin- und Fat-Clients aufbauen werden.