Webtrends zwingen Microsoft zu radikalem Umbau

21.09.2005
Wesentlicher Antrieb für die Neuordnung sei der Trend zu software-basierenden Services, begründete Firmenchef Ballmer die Aufgliederung in drei Geschäftsbereiche.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Der weltgrößte Softwarekonzern Microsoft will seine Unternehmensstruktur gründlich umbauen. Künftig soll es die drei Geschäftsbereiche "Business Division", "Entertainment & Devices" sowie "Platform Products & Services" geben. Unternehmenschef Steve Ballmer erklärte, ein wesentlicher Antrieb für die Neuordnung sei der Trend zu softwarebasierenden Services. Der Microsoft-Boss erklärte: "Wir sind nicht die einzigen, die versuchen werden, Software mit einer Service-basierenden Komponente anzubieten. Wir müssen hier aggressiv und schnell sein." Alle Software müsse als Service verfügbar sein - dafür wolle man mit der Restrukturierung ein Fundament legen.

Bei Microsoft weiß man seit langem, dass die Strategie, Software als Produkte zu verkaufen und regelmäßige Upgrades anzubieten, auf Dauer nicht mehr verfängt. Eine Vielzahl Web-affiner Anbieter, darunter auch Google oder Salesforce.com, nutzen das Internet, um Kunden sehr schnell mit neuen Services bedienen zu können. Das will auch Microsoft schaffen. Das Unternehmen war zuletzt in einigen Artikeln großer US-Zeitschriften, darunter "Business Week" und "Forbes", wegen Unbeweglichkeit und bürokratischer Strukturen teils harsch krisitiert worden (siehe auch CW-Notizblog: "Schlechte Presse für Microsoft"). Deshalb schafft der Konzern die neuen Konzerneinheiten, denen jeweils Topmanager im Rang eines President vorstehen.

Den Bereich Platform Products and Services, in dem das Windows-Geschäft einschließlich Client- und Server-Systemen sowie den Tools und der Online-Sparte MSN zusammengeführt werden, sollen Jim Allchin und Kevin Johnson vorerst gemeinsam leiten. Offenbar spekuliert Microsoft damit, MSN vermehrt als Distributionskanal für Windows-Produkte und -Erweiterungen nutzen zu können. Allchin, derzeit noch verantwortlich für die Windows-Sparte, will nächstes Jahr nach Veröffentlichung der neuesten Windows-Version "Vista" in den Ruhestand treten. Dann wird Johnson die Unit leiten - er hatte erst vor kurzem in der Funktion eines Group Vice President die Verantwortung für den Microsoft-Vertrieb übernommen.

Die Business Division soll sich um Office-Produkte und die gesamte Palette an Geschäftssoftware einschließlich der an kleine und mittlere Unternehmen gerichteten ERP- und CRM-Produkte kümmern. Sie umfasst also die bisherigen Sparten Information Worker und Microsoft Business Solutions. Verantwortlich wird Jeff Raikes, bislang als Group Vice President für das Office-Geschäft zuständig.

Mit Robbie Bach schließlich übernimmt der Mann, der die Xbox gegen Sonys Playstation etablierte, die neue Sparte Entertainment and Devices. Hier sind die bisherigen Geschäftseinheiten Home and Entertainment (Xbox), Mobile und Embedded Devices zusammengefasst. Zu den Herausforderungen von Bach wird es unter anderem gehören, erfolgreiche Angebote gegen Apples iPod zu positionieren.

Die Chefs der drei Unternehmensbereiche haben - mit Ausnahme von Allchin - ihre Karrieren jeweils genau wie Unternehmenschef Ballmer in Vertrieb und Marketing gestartet. Die von Gates repräsentierte technische Seite ist hier also nicht vertreten. Doch auch hier hat Microsoft eine Lösung parat: Der erst kürzlich zum Unternehmen gestoßene Lotus-Notes-Erfinder Ray Ozzie soll im Konzern eine wichtigere Rolle einnehmen. Ozzie hat den Auftrag, die drei Unternehmenseinheiten daraufhin zu kontrollieren, ob sie verstärkt Web-basierende Distributionsmodelle verfolgen. Ozzie soll direkt an Gates berichten. Er war mit der Übernahme seines Unternehmens Groove Networks zu Microsoft gestoßen.

Ebenfalls direkt an Gates wird Senior Vice President Eric Rudder berichten. Bislang für den Bereich Server und Tools verantwortlich, wird Rudder gemeinsam mit dem Unternehmensgründer die gesamte technische Strategie des Konzerns überblicken. Presseberichten zufolge ist nicht auszuschließen, dass Rudder eines Tages Gates in der Rolle des Chief Software Architect ablösen wird. (hv)