Web-Trends bestimmen die Unternehmens-IT

19.12.2007
Das Web gibt seit seinen Anfängen den Takt vor für die Unternehmens-IT. Die derzeit besonders populären sozialen Netzwerke finden allmählich ihren Weg in die Firmen.

Als frühe Beispiele für den Einfluss des Web auf die IT von Unternehmen gelten Portale. Sie orientierten sich an den großen Einstiegsseiten von Yahoo und Netscape. Während Unternehmensportale als Aggregatoren von Anwendungen und Daten nach wie vor einen hohen Stellenwert besitzen, haben redaktionell betreute Startseiten im öffentlichen Web weitgehend an Bedeutung verloren. Das Web 2.0 setzt derweil in rasantem Tempo neue Schwerpunkte, die den Benutzer stärker ins Zentrum rücken: Kooperation, Kommunikation, kollektive Intelligenz und Mashups heißen die neuen Schlagworte.

Angesichts des großen Einflusses von Web-Trends auf die Unternehmens-IT zeichnet sich ab, dass sich auch dort die Gewichte von statischen Sites mit wenigen Möglichkeiten der Benutzerinteraktion in Richtung offener und kommunikativer Anwendungen verschieben. Der Bedeutungsverlust von öffentlichen Web-Portalen geht besonders auf den Erfolg von Google & Co. zurück, die das Informationsbedürfnis der Anwender über algorithmische Sortierung und Filterung besser befriedigen können als von Hand gepflegte Seiten. Während der Web-Benutzer heute gewohnt ist, Milliarden von Dokumenten in Sekunden durchsuchen zu können, gestaltet sich die Recherche in Unternehmensdaten weit mühseliger. Derzeit setzt nach Schätzungen von Microsoft nur ein Prozent der US-Firmen eine unternehmensweite Suchlösung ein. Analysten gehen davon aus, dass die Nachfrage nach Suchmaschinen für den internen Gebrauch rasant wachsen wird. Nicht zufällig buhlen die Branchenschwergewichte Google, IBM und Microsoft mit günstigen Einstiegsversionen um die Gunst der Unternehmen.

Social Software statt Einstiegsseiten

Was dem Web 1.0 die Portale waren, sind soziale Netzwerke für das Read-Write-Web von heute. Spätestens seit dem Hype um Facebook zeigt sich, dass derartige Anwendungen mehr sein können als bloß Online-Adressbücher. Die Benutzer organisieren und qualifizieren dort nicht nur ihre sozialen Kontakte, sondern nutzen die Website, um Texte, Fotos und Videos zu publizieren oder Nachrichten mit Bekannten auszutauschen. Seit der Öffnung von Facebook für externe Anwendungsentwickler können im Kontext einer persönlichen Seite auch externe Applikationen ablaufen.

Die Betreiber derartiger Websites profitieren nicht nur von den zahllosen persönlichen Daten. Als besonderer Wert gilt der "Social Graph", also das soziale Geflecht der Teilnehmer. Menschen sind die Knoten in diesem Netzwerk, die Kanten des Graphen stellen die Beziehungen zwischen ihnen dar und definieren gleichzeitig die Kanäle für Werbebotschaften, mit denen die Anbieter Geld verdienen möchten. Kritiker dieses Modells sehen darin eine virtuelle Version von Tupperware oder Amway.

Firmen als soziale Netzwerke

Aus Sicht von Unternehmen scheint es nicht unproblematisch, wenn ihre Mitarbeiter in solchen Netzwerken geschäftliche Kontakte mit internen und externen Partnern für jedermann offenlegen. Konkurrenten können daraus nicht nur Rückschlüsse auf Aktivitäten der Firma ziehen, sondern auch Schlüsselfiguren von Projekten leichter abwerben. Gleichzeitig fehlt vielen Unternehmen das Wissen über das soziale Geflecht zwischen den eigenen Mitarbeitern, das keineswegs mit dem Organigramm deckungsgleich ist. Eine intern eingesetzte Social Software könnte nicht nur Kommunikationslinien sichtbar machen, sondern auch Fachwissen abteilungs- und standortübergreifend lokalisieren.

Social Software für die firmeninterne Nutzung dürfte in Zukunft die herkömmlichen, relativ statischen Portale entweder ersetzen oder erweitern. Jeder Mitarbeiter nutzt in einem solchen Szenario seine eigene Homepage als Einstiegsseite, wo er nicht nur seine Kontakte pflegt, sondern auch über Weblogs seine Aktivitäten protokolliert und mit Hilfe von Social Bookmarks seine Fachgebiete deklariert. Derzeit angebotene Produkte wie "Lotus Connections" von IBM oder diverse Features von Microsofts "Sharepoint Server" (People Search, Weblogs, Wikis, Profile) bleiben derzeit noch deutlich hinter den innovativsten Angeboten des Consumer-Web zurück.

Der dort beobachtbare Trend, soziale Netzwerke zu Anwendungsplattformen auszubauen, wird auch Enterprise-Software erfassen. Wer sich an seine Lieblings-Tools bei Facebook oder Myspace gewöhnt hat, möchte diese auch im Unternehmensnetzwerk nicht mehr missen. Nicholas Carr, Autor von "IT doesn't matter", misst dem von Google vorgeschlagenen Standard OpenSocial daher große Bedeutung im Enterprise-Kontext zu. Es handelt sich dabei um mehrere Programmierschnittstellen für Anwendungen von Drittanbietern, über die sie auf Informationen des Social Network zugreifen können. Für die These von Carr spricht, dass zu den Unterstützern von OpenSocial nicht nur Consumer-Services wie Xing, Orkut oder Ning zählen, sondern auch Oracle und Salesforce.com.

User Generated Applications

Derartige Kombinationen aus sozialen Plattformen und eingebetteten Applikationen repräsentieren eine Form von Mashups. Dieser Begriff bezeichnet eine leichtgewichtige Form der Anwendungsintegration und gilt als eines der häufig genannten Merkmale des Web 2.0. Die meisten neueren Web-Angebote von Startup-Firmen bieten nicht nur das übliche Browser-Interface für die interaktive Nutzung, sondern auch einfache Schnittstellen für den programmatischen Zugriff.

Diese neue Offenheit von Websites erlaubt die unkomplizierte Kreation von zusammengesetzten Anwendungen, nicht nur auf Basis von Social Software. Diese beschränkt sich nicht auf die immer wieder zitierte Integration von Google Maps zur Visualisierung von Adressdaten. Vielmehr ist heute fast jedes private Weblog ein Mashup, das Bookmarks, Fotos oder Informationen über die Zahl der RSS-Abonnenten von externen Sites einbindet.

Diese Form der einfachen Integration dient als Modell für Enterprise-Mashups, die idealerweise von Anwendern ohne Programmierkenntnisse in Selbstbedienungsmanier zusammengefügt werden können. Nötig sind dafür nicht nur visuelle Werkzeuge, die den Benutzer von Code abschirmen, sondern auch simple Schnittstellen auf REST-Basis oder RSS-Feeds für interne Programme. Dabei geht es nicht um eine Konkurrenz zu SOA-Frameworks und Enterprise Service Bus zur Integration von operativen Anwendungen. Vielmehr stehen individuelle oder projektbezogene Ad-hoc-Mixturen im Vordergrund.

Fazit

Das Web 2.0 bringt in kurzer Abfolge immer neue Ideen und Konzepte hervor, die nicht nur Chancen für die Unternehmens-IT und ihre Lieferanten bieten, sondern diese auch unter Druck setzen. Viele Anwender erwarten am Arbeitsplatz ähnliche Gestaltungsfreiheiten und gelungene Anwendungen, wie sie sie vom öffentlichen Web kennen. Das beschränkt sich nicht nur darauf, Programme aus verschiedenen Services selbst komponieren zu können, sondern betrifft auch die erweiterten Kommunikations- und Kooperationsfunktionen aus sozialen Netzwerken. Schließlich setzen viele Startups im Web Maßstäbe hinsichtlich Design und Bedienerfreundlichkeit von Browser-Anwendungen. Entsprechend erwarten die Benutzer auch von der Firmen-IT immer mehr komfortable Web-Frontends auf Basis von Ajax oder Flash. (ws)