Web-Services öffnen Maklern das Backend

17.09.2002 von Peter Gruber
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die Programmierung auf Basis des .NET-Frameworks muss keine graue Theorie sein, wie das Beispiel „Alte Leipziger “ zeigt. Die Versicherung integriert unabhängige Makler über ein Portal in ihr Backoffice und hat die Anwendungen mit Web-Services umgesetzt.

Im hart umkämpften Versicherungsmarkt lassen sich Policen keineswegs so einfach an die Frau und den Mann bringen, wie es „Herr Kaiser“ von der Hamburg Mannheimer in der Werbung gerne glauben machen möchte. Einer der Gründe ist, dass sich in übertragenem Sinne viele Kaisers in Gestalt unabhängiger Vermittler auf der Straße tummeln, die als so genannte Mehrfachagenten Angebote verschiedener Konzerne im Portfolio führen. Infolgedessen muss jede Versicherungsgesellschaft versuchen, sich vom Service der Wettbewerber abzuheben, sei es im Tarif, der Versicherungsleistung oder einem sonstigen Mehrwert.

Diese Marktgesetze gelten ganz besonders für den Alte Leipziger Unternehmensverbund, der 80 Prozent seines Geschäfts über unabhängige Makler generiert. Damit hängt das Wohl des Konzerns sehr stark von der Akzeptanz seiner Produkte bei diesen Vermittlern ab. In Oberursel wurden deshalb Überlegungen angestellt, wie für diese Klientel ein echter Mehrwert geschaffen und damit die Bindung an die Alte Leipziger erhöht werden könnte. Am Ende des Denkprozesses stand der Beschluss, ein Portal mit dem Ziel aufzubauen, nicht nur das Informationsangebot für die Vermittler zu optimieren, sondern auch die Geschäftsprozesse deutlich zu beschleunigen.

„Wir wollen, dass der Vermittler Zugriff auf alle für ihn wichtigen Informationen hat, sie downloaden kann, und nicht mehr auf einen von der Alten Leipziger gesteuerten Diskettenweitwurf angewiesen ist“, erklärt Arno Schott, Zentralbereichsleiter Anwendungsservices die Motivation für das Portal. Für den Makler soll die Plattform folgende Vorteile bringen:

Kundendaten via Portaloberfläche bearbeiten

Bei der Alten Leipziger ist man besonders auf die erste Option stolz, Kunden-, Vertrags- und Vorgangsdaten aus den Bestandführungssystemen im Backend aufrufen zu können. Diese Möglichkeit hat nach Einschätzung von Schott noch kein Wettbewerber. Allerdings will sich das Unternehmen damit nicht zufrieden geben. Vermittler sollen das Portal nicht nur als Informationsplattform nutzen, sondern schon Ende 2002 in einer bidirektionalen Transaktion Kundendaten und Schadensmeldungen direkt über die Portaloberfläche bearbeiten können. Angenehmer Nebeneffekt für die Alte Leipziger: Sie spart sich Arbeitschritte und kann die Bearbeitungsprozesse forcieren.

Die Entscheidung, über die Einführung des Vermittlerportals die Geschäftsabläufe Web-basierend zu optimieren, stellte das Team um Schott aber auch vor eine große Herausforderung. Es galt das Problem der Anwendungsintegration zu stemmen, also für eine reibungslose Koppelung zwischen Portal und den operativen Systemen im Backend zu sorgen. Dafür zeichnet die „Technische Anwendungsarchitektur“ (TAA) verantwortlich, die die Alte Leipziger gemeinsam mit der Firma Teamwise entwickelte und schon im Vorfeld für den Aufbau neuer Bestandsführungssysteme einsetzte.

Diesen Umstand nutzend fasste die Projektgruppe den Beschluss, das Portal ohne den Einkauf einer speziellen Portalsoftware zu realisieren, sondern mit bestehender Infrastruktur sowie dem Zukauf von Einzelsystemen aufzusetzen. Beschlusslage im März 2001 war:

Entscheidung gegen Java

Beim Content-Management-System fiel die Wahl auf „C3“ von Obtree. Außerdem wurde die Security-Lösung „Siteminder“ von Netegrity eingeführt. Den Ausschlag zugunsten des .NET-Frameworks und gegen Java gaben laut Claudia Rettinger, Projektleiterin Portalentwicklung, drei Hauptkriterien: Erstens die Web-basierende Interoperabilität zwischen beliebigen Anwendungen und Diensten. Zweitens die Beschränkung auf offene Standards wie XML (Extensible Markup Language) und SOAP (Simple Object Access Protocol) bei der technischen Kopplung von Komponenten und Systemen. Drittens schließlich die Möglichkeit, im Haus vorhandene Microsoft-Skills weiter zu nutzen.

Die ersten Gehversuche in der .NET-Programmierung hatten dem Team aber gezeigt, dass es möglich war, wie gewohnt Oberflächen zu bauen. Und das sogar relativ komfortabel, weil man, so Rettinger, durch die zur Verfügung stehenden Controls in .NET eine ganze Menge Oberflächenfunktionen geschenkt bekommt.

Nach knapp einjähriger Aufbauphase fiel im Februar 2002 der Startschuss, zunächst mit wenigen Pilotanwendern. Nach und nach wurde seitdem die Zahl der Teilnehmer gesteigert. Heute sind insgesamt 1864 Portalnutzer registriert, davon 347 Generalagenten, 419 Makler und 1098 Mitarbeiter der Alten Leipziger.

Bestandsführungssysteme Marke Eigenbau

In der derzeitigen Ausbaustufe besteht die Portalarchitektur aus jeweils zwei identischen Web-Servern (IIS 5.0), die unter Windows 2000 laufen, wobei das eine Serverpaar das Content-Management-System beherbergt, das andere die Applikation „Kundeninformation“. Beide Systeme werden über ein zweistufiges Load Balancing angesprochen.

Im Backend sind die Kunden-, Vertrags- und Geschäftsvorgangsdaten in zwei unterschiedlichen Plattformen vorgehalten. Einmal auf einer Unix-Maschine von HP. Auf ihr läuft das optische Archiv von Ixos, das in einer Oracle -Datenbank die eingescannten Vertragsdokumente für die Sachbearbeiter speichert. Ebenfalls in einer Oracle-Datenbank ist der GDV-Daten-Pool organisiert. Dabei handelt es sich um Bestandsdaten aller Sparten, die in dem vom Versicherungsverband vorgegebenen GDV-Format gesammelt werden.

Die zweite Backend-Einheit bildet ein IBM -Host S/390, der die Kundendatenbank, die Bestandsführungssysteme für die Lebens- uns Sachversicherung - beide Marke Eigenbau -, sowie das Workflow-Management-System und die Dokumentendaten beherbergt.

Bei der Realisierung der einzelnen Transaktionsanwendungen zwischen den Backend-Systemen und dem Portal haben die Programmierer der Alten Leipziger tief in die Trickkiste der Web-Services gegriffen. Für die Speisung des Portals mit Kunden- und Vertragsdaten aus dem GDV-Datenpool ist auf der Unix-Seite ein Java-basierender Web-Service verantwortlich, der laut Rettinger von der .NET-Anwendung abgerufen wird. Für die Verarbeitung der Daten nutzt die Applikation die Funktionen von MSXML - genau gesagt XMLDataDocument.

Ebenfalls als Web-Service ist der Transfer gescannter Dokumente aus dem Ixos-Archiv zum Portal angelegt, also zwischen HP-UX und Windows 2000. Die vom Web-Service angelieferten Daten im tiff-Format werden in Echtzeit in das pdf-Format umgewandelt. Demgegenüber erfolgt die Verbindung zum Workflow-Management-System, und damit zu den aktuellen Vorgangsdaten, über ein C# Assembly mittels ADO.NET.

Konkret handelt es sich hier um eine transaktionsorientierte Anwendung. Dabei sind dem Portal mit DataSet und der TAA-Workflow-Datenquelle mit OleDB-Provider Objektstrukturen zugeordnet, die es erlauben, Datenzugriffe zu handeln und Requests anzustoßen. Diese Lösung ist dem Entwicklerteam der Alten Leipziger zufolge nicht auf den gegenwärtig praktizierten unidirektionalen Datenaustausch beschränkt. Auf der Portalseite sollen künftig nicht nur Daten über die TAA gelesen, sondern in einem bidirektionalen Prozess auch Informationen über das System geliefert werden, wenn die Vermittler Kundendaten oder Schadensmeldungen direkt in die Portal-Oberfläche ihres Browsers eintippen. Das User Interface des Portals ist mit ASP.NET, dem Nachfolger von Active Server Pages (ASP), realisiert.

Direkte Integration von Firmenkunden geplant

Das Zugangs-Management wird über den Siteminder Policy Server gesteuert. Das System nimmt dabei regelbasiert den Schutz der Portalressourcen sowie die Authentifizierung mit Hilfe eines User-Dictionary wahr. Auf allen Maschinen installierte Web-Security-Agents prüfen bei jedem Request von einem Rechner zum anderen die Autorisierung neu.

Bei der Alten Leipziger ist man sich sicher, mit diesem Portalkonzept den richtigen Weg eingeschlagen zu haben. Projekt-Chef Schott träumt sogar schon von einer weiteren Ausbaustufe zur Optimierung der Geschäftsprozesse. Er würde gerne potente Geschäftspartner wie Großmakler, aber auch Firmenkunden, deren betriebliche Altersversorgung die Oberurseler in Händen haben, direkt über Schnittstellen ins Backoffice integrieren. „Da liegt noch viel Geld auf der Straße, das heute durch die suboptimale Abwicklung von Geschäftsprozessen verbrannt wird“, wittert Schott Einsparungspotenzial in der unternehmensübergreifenden Kommunikation.