Digitalisierung in der Wasserversorgung

Wasserwirtschaft 4.0

10.10.2017 von Steffen Wischmann
Der Sommer 2017 wartete mit teils heftigem Starkregen auf. Eine moderne und digitale Wasserwirtschaft kann helfen, Schäden gering zu halten sowie Effizienz, Schnelligkeit und Flexibilität der Wasser- und Abwasserwirtschaft zu verbessern.

"Wetter - Das größte Rätsel der Welt". So titelt Anfang August 2107 eine große deutsche Wochenzeitung und trifft damit genau ins Schwarze. Wie uns der Sommer 2017 mancherorts zeigte, scheint nichts unberechenbarer als das Wetter.

Extreme Wetterverhältnisse werden durch den Klimawandel zukünftig häufiger auftreten.
Foto: egd - shutterstock.com

Extreme, sich spontan ändernde Wetterlagen werden durch den Klimawandel zunehmen. Dies müssen auch Kommunen sowie die zugehörige Wasser- und Abwasserwirtschaft immer wieder schmerzlich feststellen. Es liegt an den Kommunen, in Zukunft dafür zu sorgen, infrastrukturelle Ausfälle und dadurch entstehende Schäden möglichst gering zu halten.

Wasserwirtschaft nur im Mittelfeld

Wie eine Studie zum Digitalisierungsstand in deutschen Unternehmen von Kantar TNS zeigt, befindet sich die Energie- und Wasserwirtschaft im Mittelfeld, wenn es um den Digitalisierungsgrad geht. Demnach erreichen die Betriebe aus der Energie- und Wasserbranche 48 von möglichen 100 Punkten, was einem durchschnittlichen Digitalisierungsgrad hierzulande entspricht.

Es ist also noch Luft nach oben. Wenn die Wasserwirtschaft auf dem aktuellen Stand bleiben möchte, dann muss sie ihre digitalen Infrastrukturen neu aufstellen und neue Geschäftsmodelle entwickeln, um besser auf Extremwetterlagen und Kundenwünsche reagieren zu können. Was es braucht, ist eine digitale Serviceplattform, welche die vorhandenen Daten aus Städten und Gemeinden bündelt und auswertet.

Digitalisierung: 8 Tipps für das Change Management und den Rollout
Wie Sie Mitarbeiter für die digitale Transformation begeistern
Die Analysten von IDC geben Tipps, wie die Digtialisierungsstrategie von CDO und CIO in kurz-, mittel- und langfristigen Schritten geplant werden sollte. Der Fokus richtet sich dabei auf den Faktor Mensch, denn nur mit motivierten Mitarbeitern wird die digitale Transformation ein Erfolg.
Tipp 1: Prozesse überprüfen
Schritt 1 - kurzfristige Maßnahmen: Durchleuchten Sie die aktuellen Digitalisierungsinitiativen. In welchem Maß erfordern diese Projekte Veränderungen an den organisatorischen Abläufen, den Arbeitsprozessen und der Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen?
Tipp 2: Bedenken der Mitarbeiter sondieren
Schritt 2 - kurzfristige Maßnahmen: Besprechen Sie gemeinsam mit den Abteilungsleitern, welche Bedenken die Mitarbeiter hinsichtlich der Veränderungen haben könnten.
Tipp 3: Sorgen der Mitarbeiter adressieren
Schritt 3 - kurzfristige Maßnahmen: Überlegen Sie, wie die möglichen Sorgen der Mitarbeiter hinsichtlich der Veränderungen durch Kommunikationsmaßnahmen angesprochen werden können.
Tipp 4: Fokusgruppen bilden
Schritt 1 - mittelfristige Maßnahmen: Führen Sie für künftige Digitalisierungsinitiativen, die organisatorische Veränderungen zur Folge haben, Fokusgruppen oder Interviews mit Mitarbeitern ein, um deren Bedenken kennenzulernen.
Tipp 5: Kommunikationsstratiegie ausarbeiten
Schritt 2 - mittelfristige Maßnahmen: Prüfen Sie die Möglichkeiten, wie die interne Kommunikation für künftige Rollouts eine Kommunikationsstrategie gestalten kann, um diese Bedenken zu adressieren.
Tipp 6: Mitarbeiter motivieren
Schritt 3 - mittelfristige Maßnahmen: Überlegen Sie, wie Sie durch die Einbindung der Mitarbeiter in den Planungsprozess deren Engagement im Vorfeld des Rollouts gewinnen können.
Tipp 7: Mitarbeiter schulen
Schritt 1 - langfristige Maßnahmen (12 bis 24 Monate): Bauen Sie ein gutes Verhältnis zur internen Kommunikation und zur Personalabteilung auf. Prüfen Sie die Möglichkeiten, wie diese Abteilungen mit Kommunikation und Mitarbeitertraining die menschliche Komponente der digitalen Transformation flankieren können.
Tipp 8: Budget prüfen
Schritt 2 - langfristige Maßnahmen: Identifizieren Sie mögliche Auswirkungen dieser menschlichen Komponente innerhalb der digitalen Transformation auf das Budget. Suchen Sie Unterstützung bei der Rechtfertigung zusätzlicher Mittel, um die Akzeptanz der Mitarbeiter im Rahmen eines Digitalisierungsprojekts effektiv sicherzustellen.

An so einer Plattform arbeitet „KOMMUNAL 4.0“, eines von 20 Projekten, das im Rahmen des Technologieprogramms „Smart Service Welt“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie gefördert wird. Am Beispiel der Wasserwirtschaft zeigt das Projekt, wie neue Geschäftsmodelle für Kommunen entwickelt werden können, um die Planung und den Betrieb kommunaler Infrastrukturen zu optimieren.

Flexibilität rückt in den Fokus

Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Flexibilisierung der Betriebsabläufe. Wurden Kapazitäten in der Vergangenheit ausgehend vom Maximalbedarf geplant, reicht ein solches Vorgehen heute nicht mehr aus. Extreme Schwankungen des Wetters und der Niederschlagsmengen sorgen inzwischen dafür, dass die traditionelle Planung in Ernstfällen schnell an ihre Grenzen stößt.

Nun wird eine effiziente Speicherung benötigt, die die Basistechnologien nicht am Maximalbedarf ausrichtet. Im Notfall kann dieser Bedarf jedoch trotzdem abgedeckt werden. Darüber hinaus werden Ansätze gesucht, die die Wirtschaftlichkeit der zentralen Verteilersysteme auch bei Minimalauslastung sicherstellen. Damit das Vorhaben gelingen kann, wird eine ausreichend große Datenbasis benötigt, um sichere und verlässliche Entscheidungen für die nächsten Jahre treffen zu können.

Datengrundlage nötig

Dazu muss zunächst eine Datengrundlage geschaffen werden. Zwar erfassen die betroffenen kommunalen Einrichtungen bereits heute zahlreiche Daten. Diese liegen aber oft in unterschiedlichen Formaten vor. KOMMUNAL 4.0 entwickelt in einem ersten Schritt also eine Übersetzungs- und Konvertierungsfunktion für die verschiedenen Datenformate.

Außerdem stammen die Daten aus unterschiedlichen Bereichen der Wasser- und Abwasserwirtschaft. Eine die Daten abteilungs- und bereichsübergreifend erfassende Plattform würde eine enorme Verbesserung der Betriebsführung ermöglichen. Die besondere Hürde: Die von den Kommunen erhobenen Daten unterliegen der verwaltungsrechtlichen Datenhoheit und müssen unter Beachtung hoher Sicherheitsauflagen verarbeitet werden.

Ein weiteres Problem im aktuellen Vorgehen liegt darin, dass die bereits erhobenen Daten nicht zielgerichtet von den Kommunen genutzt werden. Die Städte und Gemeinden erfassen und werten die Daten nicht aufeinander bezogen aus, was wiederrum für eine ganzheitliche Betriebsführung grundlegend wäre. Um erfolgreich zu starten, erfasst KOMMUNAL 4.0 zunächst in einer Studie, welche Anforderungen die Wasser- und Abwasserbetriebe an eine neue Plattform stellen. Die Studie soll jährlich durchgeführt werden, um einen fortlaufenden Kenntnisstand über den Digitalisierungsgrad der entsprechenden Unternehmen zu erlangen. Außerdem dient sie der konstanten Erfassung des Digitalisierungsstands der betroffenen Unternehmen.

Ein weiter Weg

Klar ist, dass der Weg zu einer vollkommen digitalisierten Wasser- und Abwasserwirtschaft kein leichter ist. Da aber bereits heute Daten gesammelt und gespeichert werden, beginnt die Arbeit nicht bei null. Wenn es KOMMUNAL 4.0 gelingt, sein Vorhaben durchzusetzen und zur Marktreife zu bringen, können durch die Verarbeitung der Daten die Betriebsabläufe flexibilisiert werden. Die Gefahr von überfluteten Straßen und vollgelaufenen Kellern, wie zum Beispiel im Sommer 2017 in Berlin, kann dann reduziert werden. (haf)