Nach dem FSC-Deal

Was macht Siemens mit dem IT-Waisenkind SIS?

06.11.2008 von Jan-Bernd Meyer
Ian Brown, Senior Analyst von Ovum, glaubt, dass sich Siemens binnen eines Jahres auch von seiner Dienstleistungsparte Siemens IT Solutions and Services (SIS) als dem letzten Relikt aus der IT-Geschäftswelt trennen wird.

Brown vertritt die Ansicht, dass die Übernahme des 50prozentigen Siemensanteils an FSC insbesondere wegen des IT-Service-Geschäfts für Fujitsu viel Sinn gibt. FSCs Support-Manschaft habe ein erfolgreiches Support-Geschäftsmodell etabliert, und einige große Managed-Services-Kunden in Deutschland und Großbritannien gewinnen können, sagt der Ovum-Analyst.

Christoph Kollatz ist Chef von Siemens IT Solutions and Services (SIS). Ovum-Analyst Ian Brown fragt sich, wann Siemens auch SIS abstoßen wird.
Foto: SBS

FSCs erklärte Strategie sei gewesen, sich in Europa als führender IT-Infrastruktur-Anbieter zu mausern - und dies sowohl bezüglich seiner Hardware-Produkt- als auch Service-Offerten. Es sei FSC gelungen, eine eindrucksvolle Zahl an europäischen Unternehmenskunden zu gewinnen für seine Managed-Services-Dienstleistungen. Hinderlich sei aber immer gewesen, dass FSC Kunden dann an Fujitsu-Services oder an die Dienstleistungsdivision Siemens IT Solutions and Services (SIS) abtreten musste, wenn es um Outsourcing- und Projekt-Services-Deals ging.

Geht PRS an Fujitsu Services?

Ovum-Analyst Brown hält es für unausweichlich, dass die FSC-Geschäftseinheit Product Related Services (PRS) in die Fujitsu-Services-Division eingeht. FSC hatte PRS im Jahr 2005 von der früher als Siemens Business Services (SBS) genannten Siemens-Dienstleistungsdivision geerbt. PRS habe in Europa - und hier insbesondere in Großbritannien und Deutschland - ein erfolgreiches Managed-Services-Geschäft aufgebaut. Allerdings bestreitet das FSC-Management, dass PRS komplett in Fujitsu-Services aufgeht. Dabei gibt solch ein Schritt Sinn, meint Brown. Sinnvoll, weil die zusammengelegten Geschäftseinheiten eine größere Marktmacht entwickeln könnten. Sinnvoll auch, weil so Redundanzen verhindert werden würden. Schließlich würden sich Fujitsu Services und PRS gut ergänzen.

SIS - übrig gebliebenes IT-Waisenkind von Siemens

Zu Recht stellt sich Ovum-Mann Brown die Frage, was nach der hundertprozentigen Übernahme von FSC durch Fujitsu mit SIS passieren wird. Sein Urteil ist ziemlich eindeutig: SIS habe sich zwar nie darauf verlassen, von FSC Geschäft zugeschanzt zu bekommen und habe insofern autark operiert. Im Siemens-Angebotsportfolio stehe SIS nach der Trennung von FSC nun aber isoliert wie ein übrig gebliebenes IT-Waisenkind im Konzern.

Siemens selbst stelle die Rolle von SIS für den gesamten Siemenskonzern zwar als die eines Partners dar. Brown glaubt aber, dass das bayerische Großunternehmen sich binnen eines Jahres auch von diesem letzten Relikt aus der IT-Welt trennen wird. Insofern sei der jetzt vollzogene Übergang des 50-Prozent-FSC-Anteils von Siemens an Fujitsu viel mehr als ein Hardware-Thema. Die Konsequenzen seien weit reichender und würden den IT-Dienstleistungsmarkt wesentlich beeinflussen und verändern.

Geburtsfehler des Joint Ventures

Brown sieht einige Geburtsfehler des Joint Ventures zwischen Siemens und Fujitsu, die den Erfolg von FSC behinderten. Er argumentiert, FSC habe zwar PCs und Industrie-Standard-Server entwickelt, zudem auch Fujitsus Unix-Server auf Sparc- und Solaris-Basis vertrieben. Letztere stammen aus einer Kooperation von Fujitsu mit Sun Microsystems. Allerdings war FSC aufgrund der Vereinbarungen der beiden Joint-Venture-Partner Siemens und Fujitsu angehalten, seine Rechner nur im Emea-Raum zu vertreiben. Es gab zwar Vereinbarungen zwischen FSC und Fujitsu North America, denen zufolge FSC PCs und x86-Server auch auf dem US-Markt verkaufen durfte. Diese Übereinkunft war aber nach Ansicht von Brown nie eine besonders gedeihliche. In der Folge habe sich Fujitsu - abgesehen von Japan und Europa - nie als führender PC- oder Server-Anbieter etablieren können.

FSC-Marke völlig unbedeutend

Für US-Kunden sei der FSC-Markenname völlig unbedeutend gewesen, sagt Brown. Das lag sicher zum einen an den Verkaufsrestriktionen, denen sich das bayerisch-japanische Unternehmen in den USA ausgesetzt sah. Aber auch unter dem Fujitsu-Brand haben PCs und x86-Server jenseits des großen Teichs nie eine besondere Rolle gespielt.

Mit der Übernahme des Siemensanteils und der damit verbundenen kompletten Kontrolle über FSC bringe sich nun aber Fujitsu nach Meinung des Ovum-Analysten in eine bessere Position. Jetzt könne Fujitsu ein global angelegtes, einheitliches IT-Hardware-Geschäftsmodell entwickeln. Ebenso sei Fujitsu nunmehr in der Lage, konsistente Design- und Produktionsstrategien zu entwerfen. Außerdem habe Fujitsu jetzt die Chance, sich mit Vertragspartner an solchen Orten der Welt zu verbandeln, an denen es wirtschaftlich am meisten Sinn gibt. Diese Aussage kann man als Hinweis verstehen, dass Fertigungsstätten, die mit hohen Personalkosten verbunden sind, von den Japanern unter die Lupe genommen werden.

Brown argumentiert weiter, Fujitsu sei in der Vergangenheit wegen der Joint-Venture-Vereinbarungen nicht als global agierendes Unternehmen mit einer reibungslos abgestimmten Strategie aufgetreten. Viele Firmenteile seien geprägt durch das Erbe der Vergangenheit: So sei Fujitsu Services aus der dem britischen Anbieter ICL hervorgegangen. Dieser wiederum habe enge Verbindungen mit dem öffentlichen Sektor Großbritanniens unterhalten. Diesen Beziehungen verdanke Fujitsu bis auf den heutigen Tag viele Erfolge. Ähnlich verhält es sich auch in Deutschland, wo FSC ein gerüttelt Maß seiner Verkäufe dem Behördengeschäft zuschreiben kann.

Amdahl und Sun als Steigbügelhalter

Fujitsu North America wiederum entwickelte sich in erster Linie aus dem Mainframe-Geschäft des ehemaligen Großrechneranbieters Amdahl und als Wiederverkäufer von Sun-Microsystems-Systemen. Auch hier habe Fujitsu also keinen eigenständigen Eindruck etablieren können.

FSC, resümiert Brown, habe seinen Anspruch, sich aus dem Emea-Bereich heraus als ein weltweit agierendes Unternehmen zu entwickeln, nie verwirklicht. Der Konzern sei immer der Inbegriff einer Firma gewesen, die mit starken Einschränkungen bezüglich ihrer geografischen Entwicklungsmöglichkeiten leben musste. Jetzt habe Fujitsu die Chance, sich als globaler IT-Markenname zu etablieren und als Anbieter weltweit zu operieren. (jm)