Projekt-Management

Was ist eigentlich Prince2?

09.07.2009 von Martin Rother
Kürzlich wurde die Version 2009 von "Prince2" vorgestellt. Die Projekt-Management-Methode setzt sich allmählich auch bei den Anwendern durch. Aber was ist daran eigentlich so besonders?
Die Zertifizierung nach Prince2 untersteht der APMG.
Foto: APMG

Die Abkürzung bedeutet "Projects in Controlled Environments", auf deutsch: "Projekte unter Kontrolle". Prince2 ist also eine Methode für das Management von Projekten. 1996 erschien sie in der Version 2. Sie ist Eigentum der britischen Regierung, namentlich des Office of Government Commerce (OGC). Eine überarbeitete Ausführung wurde kürzlich - genauer gesagt: am 16. Juni 2009 - veröffentlicht.

Mit der Ausbildung und Zertifizierung ist ein britisches Unternehmen, die APMG Ltd. beauftragt. Sie betreibt weltweit das Ausbildungs- und Zertifizierungsgeschäft aller OGC-Methoden; dazu zählen Prince2, Itil, MSP für das Programm-Mangement und MoR für das Risiko-Management sowie diverse Ergänzungen. Jede Ausbildungsorganisation muss sich bei der APMG akkreditieren lassen und ist dann als akkreditierte Trainingsorganisation (ATO) berechtigt, Schulungen und Zertifizierungen vorzunehmen. DiePrince2-Ausbildung ist zweigeteilt; sie besteht aus einem "Foundation"-Teil, der den Überblick über die Methode vermitteln soll, und dem "Practitioner", der sich der Anwendung widmet.

Prince2 ist kein "Body of Knowledge" wie PMBOK, also eine Sammlung von "good practices" (was man alles tun könnte), sondern eine Methode, die vom Start bis zum Ende eines Projekts festlegt, was zu tun ist. Dabei stützt sich Prince2 nicht auf akademische Modelle, sondern auf in der Praxis bereits bewährte Verfahren.

Die Methode trennt scharf das Management von Projekten und die Herstellung von "Produkten". Sie sagt nicht, wie etwas hergestellt wird, sondern was, von wem und wann. Deshalb arbeitet sie harmonisch mit jeder Produktherstellungsmethode zusammen.

So schließt Prince2 eine Lücke im Projekt-Management. Die Methode gibt Antwort auf die Frage, wie Projekte gemanagt, gesichert und gelenkt werden.

Was ist eigentlich ein Projekt?

Ein Projekt ist eine Aufgabe, deren Ausführung gesteuert werden muss. Dabei handelt es sich immer auch um eine Veränderung (Change) der Ausgangssituation. Projekte sind temporär und benötigen Ressourcen, die, wenn sie nicht extern zugekauft werden, eigentlich dem normalen Geschäftsbetrieb zugeordnet sind. Im Vergleich zum Alltagsbetrieb ist ein Projekt immer mit höheren Unsicherheiten und Risiken verbunden.

Projekte sind innerhalb des Unternehmens oft funktionsübergreifend. Sie erfordern damit die zeitweilige Zusammenarbeit von unterschiedlichen Abteilungen und Organisationen. Ohne einen adäquaten Steuerungsapparat sind sie zum Scheitern verurteilt.

Die ergänzende Definition eines Projekts nach Prince2 lautet daher folgerichtig: "Ein Projekt ist eine temporäre Organisation, die aufgesetzt wird zum Zwecke der Bereitstellung eines oder mehrerer Business-Produkte, gemäß einem vereinbarten Business Case."

Abenteuer Wertvernichtung

Manfred Gröger, Professor an der Universität Würzburg, hat 2004 eine Studie zum Projekt-Management in Deutschland veröffentlicht. Die Ergebnisse waren so erschreckend, dass die Studie den Titel "Projektmanagement: Abenteuer Wertvernichtung" bekam. Dort wurde nachgerechnet, dass in Deutschland pro Jahr in einem durchschnittlichen Gesamtwert der Projektarbeit von 244,5 Milliarden Euro ein nicht wertschöpfender Anteil von 150 Milliarden Euro enthalten ist. Die Ursachen ließen sich fast immer auf mangelnde Projektkompetenz zurückführen.

Der hohe wirtschaftliche Druck zwingt die Unternehmen, Optimierungspotenziale zu identifizieren und auszuschöpfen. Die Fähigkeit eines Unternehmens, Änderungen effektiv und effizient umzusetzen, entscheidet über seinen künftigen Erfolg. Der Weg von der Strategie bis zur Operation führt fast immer über Projekte. Zukunftsentscheidend ist damit auch die Fähigkeit, Projekte erfolgreich abzuschließen.

Was P2M2 leistet

Eigentlich wissen wir, warum Projekte scheitern. Wir wissen auch, wie wir diese Probleme im Einzelfall verhindern können. Was lange fehlte, ist eine durchgehende Systematik, die Regeln und Anweisungen vorgibt beziehungsweise -schreibt, nach denen ein Projekt duchgezogen werden sollte. Genau das leistet Prince2.

Das zweite große Problemfeld betrifft die Organisation. Für den Projekterfolg müssen dort bestimmte Rahmenbedingungen gegeben sein. Das betrifft die Auswahl von Projekten, die Abbildung von Projekten im Rechnungswesen, die Qualifizierung von Projektmitarbeitern etc. Hierfür ist Prince2 nicht zuständig. Um die Prozessreife eines Unternehmens im Projekt-Management sicherzustellen, hat die OGC das Prince2 Maturity Model (P2M2) geschaffen, an dem sich eine Organisation ausrichten und von der APMG zertifizieren lassen kann.

Wie adressiert Prince2 die Probleme?

Die Prince2-Prozesse decken das gesamte Projektspektrum ab.
Foto: OCG, Crown 2009

Um zu verstehen, was Prince2 leisten kann, muss man einen Blick auf dessen Struktur werfen. Die Prince2-Prozesse umfassen das komplette Projekt von der Vorbereitung über Initiierung und Durchführung bis zum Abschluss. Bei den Prozessen handelt es sich um konkrete Handlungsanweisungen, die Inhalte werden in Management-Produkten, beispielsweise Checklisten oder Dokumentvorlagen, festgehalten. Unterstützt werden die Prozesse von einzelnen Wissensgebieten, "Themen" genannt.

COMPUTERWOCHE-Serie "Prince2"

Dieser Artikel stellt den ersten Teil einer dreiteiligen COMPUTERWOCHE-Serie dar, die sich mit dem Projekt-Management-Standard "Prince2" beschäftigt. Die Themen im Einzelnen:

Teil 1: Was ist eigentlich Prince2?

Teil 2: Was bringt die Prince2-Version 2009 Neues?

Teil 3: Was unterscheidet Prince2 von den Konkurrenten?

Grundsätzlich eignet sich Prince2 für jede Art von Projekten und kann unabhängig von der Größe, des Typs, der Organisationsform, der geografischen Lage oder der Kultur eingesetzt werden. Das ist möglich, weil Prince2 auf sieben Prinzipien basiert, denen ihrerseits "lessons learned" zugrunde liegen, also aus Projekten - guten wie schlechten - gewonnene Erfahrungen.

Prinzip 1: Fortlaufende Ausrichtung an den geschäftlichen Anforderungen

Prince2 unterscheidet zwischen den Zielen eines Projekts und seinem Nutzen. Die Ziele sind das, was ein Projekt herstellen beziehungsweise erreichen muss. Sie sind am Ende eines Projekts messbar, aber nur Mittel zum Zweck. Der Nutzen hingegen lässt sich oft nicht direkt messen, sondern wird erst nach einer gewissen Anwendungszeit sichtbar. Er macht den eigentlichen Projekterfolg aus. Die Gründe für ein Projekt und der angestrebte Nutzen werden bei Prince2 in einem Business Case festgehalten. Er hilft dem Auftraggeber, zu Beginn jeder neuen Management-Phase zu beurteilen, ob in das Projekt (weiter) investiert werden soll. Der Business Case wird sich über die Laufzeit eines Projekts verändern, deshalb muss er gepflegt werden. Wann das der Fall ist, legen die Prince2-Prozesse fest.

Prinzip 2: Lernen aus der Erfahrung

Um zu verhindern, dass derselbe Fehler zweimal gemacht wird, besteht Prince2 darauf, dass während eines Projekts ein Erfahrungsprotokoll gepflegt wird. So werden während des Projekts Chancen zur Verbesserung deutlich. Am Ende lässt sich daraus ein Erfahrungsbericht generieren, der anderen Projekten zur Verfügung gestellt wird. Diese Dokumente sind standardisiert und fragen systematisch ab, was gut lief, was schlecht lief, was fehlte, welche Risiken aufgetreten sind etc. Jedes Projekt muss die Erfahrungsberichte früherer Projekte berücksichtigen.

Prinzip 3: Definierte Rollen und Verantwortlichkeiten

Der Erfolg eines Projekts hängt von der Interessenwahrung der Beteiligten ab. Es gibt in jedem Projekt drei primäre Interessen:

Die Interessen der verschiedenen Parteien ("Stakeholder") müssen im Projekt adäquat repräsentiert sein. Prince2 arbeitet mit Rollen. So kann man die drei Interessen unabhängig von der tatsächlichen Personenanzahl in drei Rollen unterbringen. Jede Rolle in einem Projekt-Management-Team wird zu Beginn eines Projekts definiert und abgestimmt.

Die Steuerung der Ressourcen muss vom Projekt aus möglich sein. Wenn in einer Organisation ausschließlich die Linienorganisation über die Ressourcen entscheidet, besteht immer die Gefahr, dass die Ziele des Projekts und die Ziele einer Linie nicht deckungsgleich sind. Die Lösungsansätze "Matrixorganisation" oder "Projektorganisation" sind oft nicht praktikabel, da die Arbeitsverträge in den meisten Fällen keine temporäre Übergabe der disziplinarischen Verantwortung an einen Projekt-Manager erlauben oder ein Umbau der Organisation unerwünscht ist. Deshalb besteht Prince2 darauf, dass im Lenkungsausschuss eines Projekts diejenigen sitzen, die auch in der Linie über die Ressourcen entscheiden. Dieser Ansatz definiert also nicht den Projekt-Manager als zentrale Rolle eines Projekts, sondern das Projekt-Management-Team, in dem der Lenkungsausschuss alle wichtigen Entscheidungen trifft.

Prinzip 4: Steuern über Phasen

Prince2 verwendet einen "Stage-Gate-Ansatz". Die Methode definiert neben den technischen Phasen "Management-Phasen". Dabei handelt es sich um sequenzielle budgetierte Zeitabschnitte, für die es jeweils einen eigenen Phasenplan gibt. Der Projektplan bietet den Gesamtüberblick. Beim Übergang von einer zur anderen Management-Phase muss der Lenkungsausschuss ausdrücklich entscheiden, ob weiter in das Projekt investiert werden soll. Prince2 definiert ein Minimum von zwei Management-Phasen: Projektinitiierung und mindestens eine weitere. Zumindest nach der Planung und vor der eigentlichen Projektumsetzung besteht die Methode also auf einer Entscheidung des Lenkungsausschusses.

Prinzip 5: Managen nach dem Ausnahmeprinzip

Als Mitglied des leitenden Managements steht man immer vor dem Problem, wie man bei delegierten Aufgaben die Kontrolle behalten kann, ohne dass die administrativen Aufwände zu groß werden. Am bequemsten ist sicher "Management by Delegation". Peter Drucker hat 1954 das "Management by Objectives" empfohlen, also das Steuern über Ziele. Im Prinzip ist das richtig, allerdings erfolgt die Zielprüfung immer erst am Ende einer Arbeit. Das kann manchmal zu spät sein. Man könnte Teilziele und Teil-Teilziele vereinbaren, aber das vergrößert die administrativen Aufwände stark.

Die optimale Variante bei Projekten ist das "Management by Exception" (Managen nach dem Ausnahmeprinzip). Über Toleranzen wird ein "grüner" Bereich bestimmt, innerhalb dessen sich die Ebene, an die delegiert wird, frei bewegen kann. Sobald sich abzeichnet, dass Toleranzen über- oder unterschritten werden, muss an die nächsthöhere Management-Ebene berichtet werden - in Form einer Entscheidungsvorlage. Das gilt übrigens auch für Verbesserungsvorschläge. Dadurch wird der Lenkungsausschuss entlastet, seine Kontrollaufgaben beschränken sich nun darauf, sicherzustellen, dass sich die delegierte Ebene innerhalb der Toleranzen bewegt.

Prince2 steckt den Handlungsspielraum einer bestimmten Delegationsebene mit sechs Toleranzarten ab:

Selbst wenn alle Toleranzen auf null stehen, wird das Werkzeug dadurch nicht unwirksam. Dann wird nur häufiger eskaliert.

Prinzip 6: Fokus auf Produkten

Um erfolgreich zu sein, muss sich ein Projekt auf Ergebnisse (Produkte) konzentrieren. Prince2 hält sich aus der eigentlichen Herstellung von Ergebnissen heraus und fokussiert auf das Management eines Projekts. Deshalb muss die Schnittstelle zwischen dem Projekt-Management und den Spezialisten sauber definiert sein. Dazu verwendet Prince2 Produktbeschreibungen, in denen die Qualitätskriterien für ein Produkt vor der eigentlichen Herstellung festgelegt werden. Damit lässt sich auch der Fortschritt durch Abnahmen oder Teilabnahmen prüfen. Er liegt also nicht mehr im Ermessen der Beteiligten, sondern ist objektiv feststellbar.

Prinzip 7: Anpassung an die jeweilige Projektsituation

Die Methode ist nicht an eine bestimmte Projektsituation angelehnt. Die Anpassung wird vom Projekt-Manager in Verbindung mit dem Lenkungsausschuss vorgenommen und in der Projektdokumentation festgehalten. Die Anleitung zur Anpassung ist Teil von Prince2. (qua)

Die Methode im Überblick

  • Prince2 bietet "Best Practice" im Projekt-Management.

  • Zudem hilft die Methode bei der Projekt-Governance: Die Projektsicherung ist Pflicht.

  • Sie eignet sich für jede Art von Projekt.

  • Außerdem wurde sie für die harmonische Kooperation mit beliebigen Herstellungsmethoden entwickelt.

  • Es handelt sich um einen weit verbreiteten De-facto-Standard in der Projektdurchführung.

  • Darin sind klare Verantwortlichkeiten definiert.

  • Prince2 bedient präzise den jeweiligen Informations- und Steuerungsbedarf der verschiedenen Management-Ebenen.

  • Die Methode ist produktorientiert: Alle Beteiligten wissen, was am Ende herauskommen muss.

  • Sie beschreibt ein Management nach dem Ausnahmeprinzip; das bedeutet geringe administrative Aufwände bei optimaler Kontrolle.

  • Vorgesehen ist die fortlaufende Ausrichtung an den geschäftlichen Anforderungen.

  • Darüber hinaus fordert Prince2, genaue, aber schlanke Berichte zu verfassen, die auf den jeweiligen Informationsbedarf zugeschnitten sind.

  • Vorgesehen ist eine objektive Fortschrittsmessung über Abnahmen und Teilabnahmen.

  • Ein Stakeholder-Management über definierte Rollen ist ebenfalls eingebaut.

  • Es gibt einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess für das Projekt-Management.

  • Nicht vergessen wurden auch Schnittstellen zum Programm-Management.

  • Nützlich ist zudem ein effektives und effizientes Frühwarnsystem bei Abweichungen.

  • Daneben bietet Prince2 eine Anleitung zur Anpassung an unterschiedliche Projektgrößen.

  • Somit stellt die Methode ein Diagnosewerkzeug für die Bewertung beliebiger Projekte oder Methoden bereit.

  • Nach Prince2 zertifizierbar sind Personen (für die Ausbildungsgänge Foundation und Practitioner), aber auch Unternehmen (P2M2).