Mit der Groupware-Lösung sollen Unternehmen in der Lage sein, Kosten zu reduzieren, ihre Kommunikation zu schützen und die E-Mail-Nutzung zu verbessern. Microsoft selbst wirbt mit einem "neuen Grad an Zuverlässigkeit und Leistung".
Interessantes für den Endanwender
Vor allem der wachsenden Flut an Nachrichten aller Art trägt Version 2010 Rechnung: Ob E-Mail, Instant Messaging, SMS oder Voice-Mail - alles landet in ein und demselben Postfach. Mit der Outlook Web App - in den Vorversionen als Outlook Web Access bekannt - lässt sich wie gewohnt über einen Browser darauf zugreifen. Interessant dabei ist, dass die neue Version offener gegenüber anderen Systemen geworden ist: Exchange 2010 unterstützt erstmals nicht mehr ausschließlich den hauseigenen Browser Internet Explorer, sondern auch zahlreiche Konkurrenten wie Mozilla Firefox, Google Chrome oder den Apple-Browser Safari. Neben Outlook 2003, Outlook 2007 und 2010 sowie der Outlook Web App kann der Nutzer auch über die entsprechenden Schnittstellen mit dem Apple-Client auf seine Mails zugreifen.
Über eine neue Unterhaltungssicht will Microsoft System in die Nachrichtenflut bringen. Alle Nachrichten einer bestimmten Unterhaltung werden gruppiert, so dass der Nutzer schneller dem Verlauf einer Diskussion folgen oder sie bei Desinteresse auch gleich ganz ignorieren kann. So genannte Mailtipps helfen zusätzlich, Fehler zu vermeiden. So fragt Exchange beispielsweise, wenn der Verteiler sehr groß geraten ist, nach, ob die Mail wirklich versendet werden soll. Auch meldet das System, noch bevor eine Mail verschickt wird, ob der Adressat überhaupt existiert oder möglicherweise gerade außer Haus ist.
Ein wichtiger Schritt in Richtung Unified Messaging ist die erweiterte Sprachunterstützung. Voice-Mails lassen sich sofort, nachdem sie eingegangen sind, mit der Sprache-zu-Text-Funktion wie eine E-Mail einsehen - Microsoft bietet für diese Funktion verschiedene Sprachpakete an. Verbessert wurde zudem die Zusammenarbeit auch über Unternehmensgrenzen hinweg. Beispielsweise können nun Informationen zum Frei- und Gebucht-Status aus dem Kalender für externe Geschäftspartner freigegeben werden, wenn diese ebenfalls Exchange 2010 verwenden.
Zentrale Archivierung
Die Archivierung in PST-Dateien (Personal Store) entlastete bisher die Inbox: Die Datei wurde zumeist in einem lokalen Verzeichnis des Desktops abgelegt. Viele Schutz- und Compliance-Regeln konnten damit aber nur zum Teil eingehalten werden. Lösungen von Drittanbietern füllten diese Lücke bisher und sicherten die E-Mail-Daten rechtskonform an einer zentralen Stelle.
Mit Exchange 2010 geht Microsoft nun erste Schritte in Richtung zentrale Archivierung. Alle E-Mails werden in ein Archivpostfach verschoben, das auf dem Exchange Server liegt. Die Vorteile: Das Postfach des Endbenutzers wird entlastet, und bei einem Crash des Desktops sind die E-Mail-Daten nicht betroffen. Ältere, bereits archivierte PST-Dateien sind ebenfalls an dieser zentralen Stelle zu sichern. Da die Daten nur an einer Stelle liegen, lassen sich so genannte Retention-Policies, also Vorschriften, wie lange die Mails aufbewahrt werden sollen, einfach umsetzen.
Dennoch nützen die neuen Archivierungsfunktionen zunächst wahrscheinlich nur einigen Unternehmen. Da das Archivpostfach auf dem Exchange Server und derzeit sogar noch in derselben Datenbank abgelegt wird wie das Originalpostfach, wird der Exchange Server nicht ent-, sondern eher zusätzlich belastet. Außerdem fehlt der Archivierung mit Exchange zurzeit noch die Intelligenz, die Lösungen von Drittanbietern beinhalten. So legt Exchange jede Mail samt Anhang einmal ab, egal ob dieser Anhang bereits gespeichert wurde, da er zum Beispiel Bestandteil einer weitergeleiteten Mail war. Intelligente Archivierungssysteme setzen hier das so genannte Single Instancing um: Die Anhänge werden von den Mails abgespaltet und nur einmal gespeichert. Besonders in mittleren und großen Unternehmen spart dies sehr viel Speicherplatz.
Günstigere Hardware durch Replikation?
Mit Exchange 2010 führt Microsoft eine neue Hochverfügbarkeits-Architektur ein. Das Unternehmen verspricht sinkende Kosten und Komplexität bei gleichzeitig maximaler Server-Verfügbarkeit und Ausfallsicherheit des Standorts. Um dies zu erreichen, werden so genannte Datenbank-Verfügbarkeitsgruppen eingeführt - eine Reihe von Postfach-Servern, die mittels kontinuierlicher Replikation eine automatische Wiederherstellung nach einem Systemausfall ermöglichen: Der Nutzer greift nahtlos auf ein Replikat seiner Daten zu und kann ohne Unterbrechung weiterarbeiten.
Durch diese Redundanz und die gleichzeitige Optimierung der Input-Output-Prozesse ist es nun laut Microsoft nicht mehr nötig, eine teure SAN-Lösung (Storage Area Network) zu betreiben. Denn SAN-Systeme kommen vor allem dort zum Einsatz, wo Schnelligkeit und integrierte Redundanz gefragt sind. Da beide Eigenschaften mit Exchange 2010 zu haben sind, sollen nun deutlich preisgünstigere Umgebungen wie zum Beispiel JBODs (Just a Bunch of Disks) ausreichen. In der Praxis ist Exchange jedoch sicher zu geschäftskritisch, um sich auf ein JBOD als Speicher- und Hochverfügbarkeitssystem zu verlassen. Trotzdem können Unternehmen Kosten sparen, da anstelle eines SAN nun ein günstigeres Speichersystem genügt.
Neue Aufgabe für den CAS
Dem bereits in Exchange 2007 eingeführten Client Access Server (CAS) kommt in Exchange 2010 eine bedeutendere Rolle zu. Er fungiert nun als neue Ebene, die zwischen den Desktops der Endbenutzer und die Mailbox-Server geschaltet wird. Früher verband sich Outlook direkt mit dem entsprechenden Mailbox-Server. Fiel dieser aus, musste sich der Client neu an dem Mailbox-Server anmelden, der die replizierten E-Mail-Daten des Nutzers enthielt. Arbeitsunterbrechungen waren die Folge. Mit Exchange 2010 merkt der Endbenutzer von einem solchen Vorfall nichts mehr. Er bleibt auf dem CAS eingeloggt, während dieser die Neuanmeldung an dem Ausweich-Datenbank-Server übernimmt.
Achtsamer E-Mail-Versand
Erfreulicherweise hat Microsoft auch die Palette an Funktionen für den Kommunikationsschutz deutlich aufgestockt. So können E-Mails beispielsweise mit bestimmten Regeln versehen werden. Die erweiterten Transportregel-Bedingungen schaffen zudem Möglichkeiten, um E-Mails zu moderieren. So ist es möglich, dass eine Mail vor der Weiterleitung von einer autorisierten Person freigegeben werden muss oder dass mit Hilfe von Information-Rights-Management bestimmt wird, was mit den Informationen geschehen darf. Damit lässt sich etwa verhindern, dass vertrauliche Informationen achtlos weitergeleitet werden. Diese Transportschutzregeln funktionieren in Verbindung mit den "Active Directory Rights Management Services" (AD RMS) und tragen entscheidend zur Einhaltung von Sicherheits- und Compliance-Regeln bei.
Die bereits erwähnten Mailtipps leisten ebenfalls ihren Beitrag zur Sicherheit: So erhält der Absender einer E-Mail einen Warnhinweis, wenn er im Begriff ist, gegen Richtlinien zu verstoßen. Dazu kann die Weiterleitung von E-Mails an große Verteiler ebenso gehören wie der Versand von Dokumenten an externe Adressen.
Der Weg zu Exchange 2010
Es existiert kein Inplace-Upgrade-Pfad von Exchange 2003 oder 2007 nach Exchange 2010. Das bedeutet, die Server-Software muss neu aufgesetzt werden, um dann sämtliche Informationen zu verlagern. Exchange 2010 bietet dafür die Möglichkeit, die Postfächer online, also ohne Ausfallzeit für die Nutzer, zu verschieben. Dies funktioniert jedoch nur, wenn von Exchange 2007 migriert werden soll. Unternehmen, die noch Exchange 2003 im Einsatz haben, müssen eine Unterbrechung in Kauf nehmen oder auf Lösungen von Drittanbietern zurückgreifen. Ein Upgrade von Exchange 5.5 oder 2000 ist nicht möglich, hier ist ein Zwischenschritt über Version 2003 oder 2007 erforderlich.
Bei einem Plattformwechsel, also beispielsweise der Migration von Lotus Notes nach Exchange, müssen Administratoren, wollen sie mit den Bordmitteln von Microsoft auskommen, mehr Aufwand betreiben als bisher. Um auf Exchange 2010 umstellen zu können, ist ein Server mit einer früheren Exchange-Version nötig. Abhilfe schaffen auch hier Lösungen von Drittanbietern.
Für IT-Spezialisten, die sich bereits mit Exchange 2007 gut auskennen, stellt das Upgrade keine größere Hürde dar. Wichtig ist es, zu verstehen, wie sich die Änderungen in der Architektur auswirken, etwa aufgrund der neuen Rolle des CAS oder der Nutzung der Database Availability Groups. Exchange 2010 läuft zudem nur auf Windows Server 2008, die Lizenz dafür muss zusätzlich zur Groupware-Lizenz erworben werden. (ue)
Lizenzierung
Die Lizenzierung für Exchange 2010 erfolgt nach dem gleichen Modell wie bei Exchange 2007. Hier gibt es die Server-Lizenz (Standard-Edition für bis zu fünf Datenbanken und Enterprise-Edition für bis zu 100 Datenbanken), Client-Access-Lizenzen (CALs) sowie External-Connector-Lizenzen für eine unbegrenzte Anzahl an zugreifenden Clients.
Für jede Instanz von Exchange Server 2010 muss zusätzlich eine Lizenz für Windows Server 2008 erworben werden. Sollen Hochverfügbarkeits-Optionen wie die lokale fortlaufende Replikation zum Einsatz kommen, wird die Enterprise-Edition von Windows Server 2008 benötigt.
Demzufolge wird für jede Exchange 2010 CAL eine Windows Server 2008 CAL gebraucht. Grundvoraussetzung für die Funktionen zum Information-Rights-Management (IRM) ist eine Windows Server 2008 IRM CAL.
(CW-Redakteur Stefan Ueberhorst)