Mehr als 110 Milliarden Euro werden 2011 in Deutschland in Informationstechnologie investiert. Gut 30 Prozent hiervon, rund 33,5 Milliarden Euro, fließen 2011 in extern erbrachte Dienstleistungen, sprich in Projekte, Wartung und Outsourcing. Damit hat Deutschland noch nicht gänzlich zu Dienstleistungsgesellschaften wie zum Beispiel Großbritannien aufgeschlossen - dort liegt der Dienstleistungsanteil jenseits der 40-Prozent-Marke.
Das Gewicht von Services erhöht sich aber seit Jahren beständig und wird vor allem durch externe Betriebsmodelle unterschiedlichster Couleur weiter an Bedeutung gewinnen. Machten noch vor zehn Jahren Dienstleistungen weniger als ein Viertel der deutschen IT-Ausgaben aus, erwartet PAC für die kommenden zehn Jahre einen Anstieg auf 44 Prozent. Umsätze, die heute mit Hard- und Softwareprodukten erzielt werden, verschieben sich künftig in Richtung Services.
Dafür sorgen klassische Outsourcing-Projekte und das zunehmende "as-a-Service"-Angebot. Das Wachstum führt aber nicht das traditionelle Geschäft linear fort, der Trend zu standardisierten und verbrauchsabhängigen Betriebsdienstleistungen verschiebt das Marktgefüge. Die folgende Bestandaufnahme des gesamten Servicemarktes sowie der einzelnen Teilmärkte beschreibt die Umwälzung, ordnet sie ein und wagt eine Prognose.
Der IT-Servicemarkt gesamt: Umsatz verschiebt sich
Rückblick: So wie die IT-Ausgaben insgesamt sind auch die Umsätze mit IT-Dienstleistungen im Jahr 2010 schwach gewesen. Wieder einmal hat sich gezeigt, dass vor allem jene IT-Anbieter krisenresistent sind, die ein ausgewogenes Portfolio vorweisen können, inklusive eines signifikanten Anteils langfristiger Betriebsvereinbarungen.
Ausblick: Nach wie vor stehen Unternehmen vor der Herausforderung, Infrastrukturen und Anwendungslandschaften zu konsolidieren und zu modernisieren. Die aktuelle Entwicklung der IT-Ausgaben zeigt aber, dass Unternehmen vermehrt dazu bereit sind, jenseits der typischen Effizienzprojekte auch wieder solche Vorhaben zu starten, die Neues schaffen. Doch diese "Innovations-Budgets" werden nicht selten durch Kosteneinsparungen bei Standardprodukten und -dienstleistungen generiert. Ein großer Teil der aktuellen Investitionen hat nach wie vor das Ziel, mittelfristig die Gesamtkosten für IT zu senken. Hierzu sind Entscheidungsträger auch zunehmend bereit, Standards zu akzeptieren - und folgen damit vermehrt dem Cloud-Paradigma.
Cloud und andere Plattform-basierende sorgen für eine Konzentration der Dienstleistungen bei wenigen Anbietern, und sie machen manche Services sogar völlig obsolet. Trotz des großen Potenzials von Services, die sich rund um das Cloud Computing ergeben, wird in Summe die Nachfrage nach vielen der bislang bekannten klassischen Dienstleistungen abnehmen. Das trifft insbesondere die Anbieter von projektbasierenden Services.
Auch wenn es derzeit noch skeptisch Stimmen gegenüber dem Cloud-Konzept gibt, werden die Betriebsdienstleister (etwa Outsourcing-Spezialisten) von diesem Trend profitieren. Bezogen auf den gesamten IT-Markt inklusive Hard- und Softwaregeschäft werden die Umsätze mit konventionellen Hard- und Softwareprodukten in dieser langfristigen Betrachtung jedoch signifikant zurückgehen. Da der Bedarf an IT-Unterstützung aber nicht sinken, sondern steigen wird, vollzieht sich eine Verschiebung der Umsatzströme.
Hinzu kommt, dass die Konvergenz von IT und TK sowie die wachsende Bedeutung von IT für die meisten Produkte und Dienstleistungen den Markteintritt neuer Anbietergruppen forcieren. Das gilt etwa für Telekommunikationsbetreiber, Gerätehersteller oder Maschinen- und Anlagenbauer. Die klassischen Anbieter von Projekt- und Betriebsdienstleistungen müssen sich auf neue Konkurrenz einstellen.
Das Projektgeschäft: Langfristig problematisch
Rückblick: Nach einem massiven, krisenbedingten Einbruch im Jahr 2009 konnte das Projektgeschäft 2010 um fast 1,5 Prozent zulegen. Die positive gesamtwirtschaftliche Entwicklung hat das Vertrauen in die Zukunft gestärkt, was wiederum zu einer steigenden Investitionsbereitschaft führte. Zusätzlich zu den laufenden Projekten insbesondere im Umfeld Konsolidierung, Harmonisierung und Compliance, wurden neue Themen angegangen, die während der Krise identifiziert worden waren, darunter beispielsweise Business Intelligence oder Unified Communication. Zudem bestand Nachholbedarf, zuvor auf Eis gelegte Vorhaben wieder anzugehen. Gebremst wurde die Entwicklung allerdings durch den nach wie vor herrschenden signifikanten Preisdruck.
Ausblick: Die im letzten Jahre begonnene Erholung wird sich nach heutiger Einschätzung auch 2011 fortsetzen. Für das Projektgeschäft erwartet PAC bis Jahresende mehr als vier Prozent Wachstum. Dabei zeigt sich, dass Anwender wieder bereit sind, in Innovation zu investieren - sofern diese einen nachweisbaren Mehrwert generiert. Die wichtigsten Bereiche, in denen die Unternehmen Handlungsbedarf sehen, sind nicht gänzlich neu, rücken aber wieder in den Vordergrund.
So kehrt zum Beispiel die Unterstützung von Unternehmenswachstum zurück auf der Prioritätenliste. Die Firmen wollen das Geschäft mit Bestands- und Neukunden ausbauen, neue Regionen erschließen und Vertriebskanäle bündeln. Weitere wichtige Investitionsfelder umfassen unter anderem Collaboration und Enterprise Mobility, CRM, Informations-Management, Compliance und Nachhaltigkeit, "Embedded IT", aber auch zahlreiche branchenspezifische Themen wie Product Lifecycle Management (PLM), Multichannel-Integration, E-Government, E-Health und Smart Energy. Der deutsche Markt für Projektgeschäft bietet also kurz- bis mittelfristig robuste Wachstumsaussichten.
Mittel- bis langfristig gerät der Markt allerdings durch Konzepte wie Cloud-Services und Outsourcing unter Druck. Sie werden auch einen massiven Einfluss auf die Anbieterlandschaft ausüben, ebenso wie auf Architektur und Preisgefüge konventioneller Dienstleistungen. Das gilt insbesondere für das Consulting- und Systemintegrationsgeschäft. Schließlich leben weite Teile des konventionellen IT-Dienstleistungsmarkts von Komplexität, Heterogenität und Individualität. Die Zukunft gehört aber einfachen, standardisierten, flexiblen Angeboten, wie sie etwa Outsourcer und Cloud-Provider versprechen.
Outsourcing: Wandel zur Cloud
Rückblick: Outsourcing kam 2009 zwar angesichts eines knappen Prozentpunkts im Plus mit einem blauen Auge aus der Krise. Das in ähnlichen Perioden zu beobachtende antizyklische Wachstum im Auslagerungsgeschäft blieb jedoch aus. Outsourcing kann zwar prinzipiell helfen, kurzfristig Kosten zu senken, aber die Verunsicherung über die weitere Entwicklung der Märkte war allgegenwärtig und Entscheidungen wurden nur zögerlich getroffen. Immerhin: Dank vieler 2009 angestoßener Projekte konnte der Outsourcing-Markt bereits 2010 wieder um gut drei Prozent an Volumen hinzugewinnen.
Ausblick: 2011 wird das Geschäft mit Outsourcing-Leistungen um sechs Prozent zulegen und damit einen langfristigen Trend fortführen. Der Anteil von Outsourcing am deutschen IT-Servicemarkt konnte in den vergangenen zehn Jahren bereits von 27 Prozent auf 45 Prozent zulegen. Und bei einem Blick ins Jahr 2020 erwartet PAC einen Anteil der Betriebsdienstleistungen von annähernd 60 Prozent. Das Szenario setzt allerdings voraus, dass sich das Cloud-Modell weiterentwickeln wird.
Typisch für Outsourcing war bislang, dass bestehende IT-Bestandteile ausgelagert und gegebenenfalls verändert oder optimiert wurden. Künftig werden sich Outsourcer vermehrt um bereits ausgelagerte Dienste streiten. Der Wechsel des Providers nach der Vertragslaufzeit war im deutschen Markt noch vor wenigen Jahren untypisch. Mittlerweile ist er immer häufiger zu beobachten und zeigt spürbaren Folgen. Die Anbieter sind gezwungen, sich vermehrt um die Kunden der Wettbewerber zu bemühen, um Wachstum zu realisieren. Davon profitieren die Anwender: Die Preise fallen und die Flexibilität der Nutzer steigt.
Cloud Computing - ein Strohfeuer?
In Deutschland wird das Betriebsmodell des Cloud Computing noch vielfach mit Skepsis begleitet. Um zu beurteilen, ob sich das Konzept am Markt durchsetzen wird, lohnt ein Blick auf die fünf Erfolgsfaktoren, die laut dem Soziologen Everett M. Rogers erforderlich sind, damit sich Innovationen im Markt etablieren können. Angewandt auf den aktuellen Status Quo der Cloud ergibt sich ein recht klares Bild, wo Nachholbedarf besteht (siehe Grafik):
• Die Vorzüge des Cloud-Konzepts sind offensichtlich.
• Die Cloud ist allgegenwärtig, kaum ein IT-Thema wird öffentlich so viel diskutiert - allerdings oft sehr vage.
• Die Funktionen lassen sich leicht ausprobieren, insbesondere in der Public Cloud.
• Die Komplexität variiert stark nach Art der Lösung beziehungsweise des Konzepts. Cloud-Lösungen sind nicht per se einfacher.
• Die Kompatibilität mit IT-Landschaften und Wertesysteme (etwa Einstellung gegenüber Datenschutz-Standards), ist oft noch mangelhaft. Dasselbe gilt für (internationale) Standards, Schnittstellen, usw.
Die aktuelle Diskussion um das Für und Wider des Cloud Computing erinnert stark an die Debatten, die noch vor wenigen Jahren über das konventionelle IT-Outsourcing geführt wurden. Mit zunehmender Reife, Professionalisierung und Standardisierung trat diese Skepsis in den Hintergrund und machte Platz für weitgehend faktenbasierte "Make-or-Buy"-Entscheidungen. Eine Entwicklung, die auch für die neuen Cloud-Angebote zu erwarten ist.
Wartung und Support darben
Rückblick: Die Hardware-Wartung, die schon heute weniger als zehn Prozent des deutschen IT-Servicemarktes ausmacht, verliert stetig an Bedeutung. Allerdings wurde der Markt nicht so hart von der Krise getroffen wie beispielsweise das Projektgeschäft. Der Rückgang von Investitionen in neue Hardware führte 2009 sogar zu gestiegenen Anforderungen an die Wartung der Altsysteme. Der Start von Windows 7 Ende 2009 und der anziehende Hardwaremarkt 2010 belebten den Markt zusätzlich. Allerdings wurden diese Effekte durch den erheblichen Preisverfall aufgezehrt, so dass der Wartungsmarkt im Jahr 2009 um knapp drei und im Jahr 2010 um gut zwei Prozent zurückging.
Ausblick: Der Markt wird weiter schrumpfen, obwohl die Ansprüche an innovative Wartungskonzepte (Stichwort "Proactive Maintenance") weiter steigen: Immer komplexere Landschaften, die hochverfügbar betrieben werden müssen, verlangen neue Formen der Betreuung. Zunehmend eingesetzte Remote-Services, Auto-Repair-Technologien sowie Konsolidierung und Virtualisierung führen zu starken Preisverfall und sinkender Nachfrage. Die geforderte "Proaktivität" wird mehr und mehr in Rahmen von Managed-Services beziehungsweise Outsourcing-Abkommen gewährleistet. Das geht zu Lasten von Wartungsverträgen.
Fazit: Neue Strategien sind gefragt
Die meisten traditionellen IT-Anbieter scheuen die herausragende Bedeutung der beschriebenen Entwicklungen für Ihre eigene Zukunft erkannt zu haben und beginnen, sich entsprechend strategisch neu zu orientieren. Beratungsfirmen, Systemintegratoren, Outsourcer, Soft- und Hardware-Hersteller sowie deren Channel-Partner (VARs) - nahezu alle überdenken derzeit ihre Geschäftsmodelle. Die zunehmende Reife des IT-Markts sorgt für eine Konzentration bei den IT-Anbietern. Fusionen und Übernahmen sollen Skaleneffekte schaffen, die geografische Reichweite ausweiten, das Portfolio diversifizieren und neue Geschäftsmodelle aufbauen. Die Übernahme von Siemens IT Solutions & Services (SIS) durch Atos Origin wird wohl nicht das letzte Beispiel dieser Art bleiben.
Diese Metamorphose des IT-Dienstleistungssektors birgt langfristig Herausforderungen für die heute etablierten Anbieter und verlangt an vielen Stellen ein Umdenken auf Provider- wie auf Kundenseite. Insbesondere die aufkommenden Cloud-Modelle verlangen ihren Tribut, da sie die Standardisierung vorantreiben und den Integrationsaufwand reduzieren. Doch die Cloud kann auch Basis dafür sein, neue Services zu entwickeln.
Der Trend zur Wolken-IT kann ein neues Potenzial für die deutsche Volkswirtschaft heben. Mit Cloud Computing ist es möglich, nicht nur Produkte, sondern auch digitale Dienstleistungen in größerem Ausmaß zu exportieren als das heute geschieht. Schließlich bauen Cloud-Dienste auf stark automatisierten Modellen auf, die den Nachteil eines Hochlohnlandes relativieren und zudem die spezifischen Stärken, zum Beispiel sehr hohe Datenschutzbestimmungen, in den Vordergrund rücken. "Made in Germany" könnte damit zukünftig - die richtigen Weichenstellungen und eine gezielte Förderung von Innovation vorausgesetzt - auch im Dienstleistungsumfeld ein Aushängeschild werden. (jha)