SAP-Anwender

Was die CIOs unter den SAP-Usern beschäftigt

25.01.2012 von Karin Quack
Vor mehr als zwei Jahren haben die IT-Entscheider in der Deutschsprachigen SAP-Anwender-Gruppe (DSAG) aus ihrem "CIO-Kreis" erstmals einen CIO-Beirat gewählt. Zeit für eine Bestandsaufnahme. Mit dem Beiratsmitglied Thorsten Steiling, Head of IT bei der Ejot Gruppe, sprach CW-Redakteurin Karin Quack.

CW: Die DSAG stand lange in dem Ruf, den Anbieter, für den das S im Kürzel steht, mit Samthandschuhen anzufassen. Wie wollen Sie das ändern?

Thorsten Steiling, Head of IT, Ejot Gruppe
Foto: Steiling/Ejot

STEILING: Tatsächlich spiegelte die damalige Position der DSAG nicht immer die Position der IT-Entscheider in den Anwenderunternehmen wider. Deshalb beschlossen vor etwa zwei Jahren einige CIOs, mehr Einfluss auf die Themen und Prioritäten zu nehmen. Anfang 2009 traten sie an die DSAG-Führung heran und stellten ihr das Konzept eines dedizierten CIO-Beirats vor, der die strategische Themen der rund 400 CIO-Kreis-Mitglieder ermittelt, diskutiert und gegenüber der SAP vertritt.

CW: Als Geburtshelfer des CIO-Beirats gilt die Auseinandersetzung zwischen der SAP und ihren Kunden um die Zwangseinführung des "Enterprise-Support"-Modells Ende 2008.

STEILING: Indirekt ist das richtig. Für die erste Runde dieser Auseinandersetzung hatten sich einige engagierte CIOs zusammengefunden - allerdings rein situationsbezogen, also ohne unterstützende Organisation. Die Initiatoren des CIO-Beirats hatten im Sinn, dass in ähnlichen Fällen nicht wieder ein neuer organisatorischer Rahmen geschaffen werden musste. Ende 2009, als SAP den Standard-Support für Bestandskunden so verteuern wollte, dass er kaum günstiger als der Enterprise Support zu werden drohte, hat sich die Organisation bereits bewährt.

CW: Dass die SAP den Kunden ein Wahlrecht zwischen Enterprise- und Standard-Support eingeräumt hat, ist also ein Verdienst des CIO-Beirats.

STEILING: So unmittelbar sicher nicht. Aber es ist das Verdienst einer funktionierenden Abstimmung des CIO-Beirats und des DSAG-Vorstands mit denjenigen, deren Interessen dadurch berührt werden. Als unser Verdienst rechne ich es uns an, dass wir die Diskussion gemeinsam mit dem DSAG Vorstand anschließend weg von den reinen Support-Kosten gelenkt haben - hin zu der Frage, welche Leistungen und welchen Mehrwert wir dafür überhaupt bekommen.

CIO des Jahres 2011 - Preisträger Großunternehmen
CIO des Jahres 2011 - Preisträger Großunternehmen
Mit großer Freude präsentieren wir Ihnen die CIOs des Jahres 2011 in der Kategorie Großunternehmen.
Dr. Peter Leukert, Commerzbank (1. Platz)
Update: Im Dezember 2011 wechselte Peter Leukert als Global CIO zum transatlantischen Börsenbetreiber Nyse Euronext.
Moritz Mathias, Bayer HealthCare (2. Platz)
Heinz Laber, HypoVereinsbank - UniCredit Bank (3. Platz)
Patrick Neaf, Emirates (4. Platz)
Gerald Höhne, SMA Solar (5. Platz)
Edgar Aschenbrenner, E.ON IT (6. Platz)
Martin Schallbruch, BMI (7. Platz)
Stefanie Kemp, Vorwerk (8. Platz)
Markus Bentele, Rheinmetall (9. Platz)
Eric van den Berg, Geberit (10. Platz)
Clemens Blauert, Johannesstift
Bodo Deutschmann, Eissmann
Jan Falck-Ytter, Bader
Dr. Clemens Keil, Knorr-Bremse
Martin Limpert, Preh
Prof. Dr. Matthias Mehrtens, Stadtwerke Düsseldorf
Dieter Moritz und Pfeifer Erich, Universitätsklinikum Bonn und Universitätsklinikum Köln
Dirk Ostermann, RAG
Franz Josef Pschierer, Freistaat Bayern
Holger Rommel, Gries Deco
Helmut Schlegel, Klinikum Nürnberg
Dietmar Schlößer, Deloitte
Stefan Schoenfelder, Citeq
Thorsten Steiling, Ejot
Ralf Weißbeck, Deutsche Post DHL

CW: Nach zwei Jahren wurde ein neuer Beirat gewählt. Fünf der sieben Mitglieder wurden ersetzt. Wie kommt das?

STEILING: Bei allen ausgeschiedenen Mitgliedern lagen unternehmensbedingte Gründe vor, die eine erneute Kandidatur nicht zuließen. Das ist einerseits bedauerlich, andererseits eine Chance. Wir wollen keine auf Lebenszeit gewählten Beiratsmitglieder, sondern die regelmäßige Legitimation unserer Kollegen aus dem CIO-Kreis für die Ausrichtung unserer Arbeit.

Deshalb diskutieren wir auch, die Neu- oder Wiederwahl von Beiräten während der üblichen Legislaturperiode von zwei Jahren zu ermöglichen. Allerdings ist es nicht sinnvoll, alle auf einmal auszutauschen, da sonst die Kontinuität verloren geht. Deshalb freue ich mich, dass Johannes Truttmann von der Krombacher Brauerei und ich die Aufgabe zusammen mit den neuen Beiratsmitgliedern fortführen können.


Keine Rückgabe von Lizenzen

CW: Welche Themen sind es denn, die die CIOs in der DSAG derzeit am dringendsten beschäftigen?

STEILING: In den vergangenen beiden Jahren haben wir vor allem vier Themen diskutiert. Das waren zum einen die Roadmap der SAP - insbesondere für das ERP-System; diese Sorge hat sich durch die Ankündigung vom Oktober 2011 entspannt, wonach SAP ERP bis 2020 unterstützt wird. Ein anderes Thema war die Komplexität der SAP-Systeme, beispielsweise der Ärger darüber, dass man für eine Vielzahl von SAP-Lösungen zusätzliche Infrastruktur benötigt - und das Zusammenspiel mit den bestehenden Lösungen managen muss. Ebenfalls wichtig war uns die Wirtschaftlichkeit der SAP-Lösung, also die TCO auf der einen und der Mehrwert auf der anderen Seite. Und ein Evergreen ist das Thema SAP-Lizenzmodelle.

CW: Was ist denn da akut so drängend?

STEILING: Beispielsweise die Tatsache, dass man SAP- Lizenzen nicht einfach deaktivieren, umwandeln oder zurückgeben kann. Wenn ein Unternehmen bestimmte User-Lizenzen oder Produkte nicht mehr benötigt, muss es trotzdem weiter für sie zahlen.

Tipps für das Lizenz-Management
Softwarelizenzen richtig verwalten
Lizenz-Management wird bei Cloud-Umgebungen oft vernachlässigt. Die Verwaltung von Lizenzen in Hybridlandschaften ist kompliziert.
Tipp 1:
Das Lizenz-Management sollte sämtliche Strukturen von On-Premise- und On-Demand-Software erfassen können.
Tipp 2:
Es sollte weitgehend automatisiert funktionieren. Das gilt für Server- wie für Client-Strukturen.
Tipp 3:
Die Lizenzdatenbank sollte die Modelle der gängigen Hersteller komplett erfassen und sich einfach aktualisieren lassen.
Tipp 4:
Das Lizenz-Management sollte viele Schnittstellen zu Drittsystemen bieten.
Tipp 5:
Der Katalog der vom Anwenderunternehmen verwendeten Software sollte sich weitgehend automatisch und selbstlernend aktualisieren lassen.
Tipp 6:
Die Lizenz-Management-Lösung sollte Lizenz-Pooling unterstützen: Damit erkennen Anwender, welche Lizenzen gerade genutzt beziehungsweise frei sind.
Tipp 7:
Mandantenfähigkeit, Mehrsprachigkeit: Um den Überblick zu behalten, sollte das Lizenz-Management in der Lage sein, komplexe und verteilte Firmenstrukturen zu erfassen.

CW: Und welche Themen werden Sie in den kommenden Jahren diskutieren?

STEILING: Darüber sollen die Mitglieder des CIO-Kreises CIOs abstimmen. Der Beirat hat eine Auswahl zusammengetragen, die von den Mitgliedern ergänzt werden kann. Anschließend werden die CIOs Ende Januar ihre Favoriten über eine Umfrage auswählen können. Ich hoffe, dass sich viele Kolleginnen und Kollegen daran beteiligen. Anfang Februar erstellen wir dann eine Rangfolge der ausgewählten Top-Themen. Auf der Auswahlliste stehen die "alten", aber auch neue Diskussionsgegenstände.

CW: Zum Beispiel welche?

STEILING: Beispielsweise das Thema Mobilität, konkret: die Verwaltung von mobilen Endgeräten für SAP-Lösungen. Hier bietet die SAP zurzeit noch keine vertretbare Lösung. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Globalisierung. Hier gibt es zwar SAP-Angebote, allerdings sind diese noch nicht ausgereift oder lassen sich nur mit hohem lokalen Anpassungsaufwand einführen. Das liegt häufig an der fehlenden Unterstützung vor Ort. Aber es hat es auch Gründe, die mit der Funktionalität zusammenhängen.

Business by Design wird von SAP als Lösung für kleine ausländische Niederlassungen global tätiger Unternehmensgruppen vermarktet, die ein eigenes, zentrales SAP ERP betreiben. Doch aus heutiger Sicht erfüllt die Lösung nicht die Erwartungen, weil die Prozesse zwischen Stammhaus und Niederlassungen nur rudimentär abgebildet werden können. Ich sehe auch nicht, dass SAP hier große Fortschritte macht. Ein weiteres neues Thema heißt Geschäftsprozess-Management. Hier sind eine Reihe von Komponenten vorhanden, die sich aber nicht ohne Weiteres zu einer lauffähigen Lösungen zusammenfügen lassen - jedenfalls nicht mit allen Komponenten: Mobile, On Premise und Cloud-basierend (On demand)..

Preis für MDM - Komma verrutscht?

CW: Aber gerade die SAP wirbt doch immer mit seiner integrierten Lösung.

STEILING: Im Grundansatz stimmt die Werbung. Doch fallen für die Integration nicht nachvollziehbare Kosten an. Als ich zum ersten Mal die Lizenzgebühren für das Stammdaten-Management (MDM)gesehen habe, dachte ich, hier wäre ein Komma verrutscht. Damit verbaut sich die SAP selbst Möglichkeiten. Die Stammdaten und das Stammdaten-Management bilden die Basis jedes Unternehmenssystems, sind quasi dessen DNS.

Wenn mir SAP diese Basis nicht zu einem wirtschaftlich gerechtfertigten Preis anbieten kann, muss ich mich nach Alternativen umsehen - zu Lasten der Integration weiterer SAP-Komponenten. Ähnliches gilt für die In-Memory-Datenbank HANA. Wir haben verstanden, was die Lösung kann, aber wir warten noch auf konkrete Lösungen in der RZ-Realität - und auf vernüftige Preise. Die sind nämlich astronomisch. Da verlieren Unternehmen und CIOs schnell das Interesse.

CW: Wie reagiert denn die SAP auf Ihre Kritik?

STEILING: Die Zusammenarbeit ist im Großen und Ganzen produktiv. Der CIO-Beirat und der DSAG-Vorstand treffen sich regelmäßig auch mit der SAP-Spitze zu Strategie-Meetings. In den vergangenen zwei Jahren hat sich daraufhin Einiges getan. Wir können sehen, wie sich unsere Vorschläge in der Weiterentwicklung der Produkte niederschlagen. Offenbar ist man auch in der SAP zufrieden, einen direkten Ansprechpartner für die Belange der IT-Entscheider in den Anwenderunternehmen zu haben.

CW: Man könnte den CIO-Beirat als eine Art Aufsichtsrat der DSAG begreifen. Inwiefern ist er das?

STEILING: Diese Funktion können wir weder persönlich noch aufgrund der Vereinsstruktur der DSAG erfüllen. Dazu fehlen uns einfach die Ressourcen. Wir bewerten bestimmte Entwicklungen in der SAP sowie der DSAG und nehmen in diesem Zusammenhang Einfluss auf strategische Themen. Wenn es um die Details, zum Beispiel den Funktionsumfang einzelner Releases und Packages geht, halten wir uns zurück. Schließlich sind wir im Beirat alle ehrenamtlich tätig, sprich: neben den Aufgaben in unseren Unternehmen.

Sechs Tage Zusatzaufwand im Jahr

CW: Wieviel Zusatzaufwand muss ein Beirat denn einkalkulieren?

STEILING: Alles in allem kommen zwölf bis 15 Tage pro Jahr zusammen. Zieht man die Teilnahme am DSAG-Jahreskongress, den jährlichen Workshop des CIO-Kreises sowie andere SAP- und DSAG-Veranstaltungen ab, die man als CIO ohnehin besucht hätte, bleiben netto vier bis sechs Tage. Da muss das Unternehmen, für das man tätig ist, natürlich mitspielen.

CW: Welches Argument haben Sie dafür?

STEILING: Wir haben bei Ejot auf diesem Weg direkten Zugang zu SAP-Ansprechpartnern auf allen Ebenen. Näher kommen Sie als Mittelständler wohl kaum an den Anbieter heran. Zudem erzielen Sie durch die aktive Mitwirkung im CIO-Kreis und CIO-Beirat einen wertvollen Wissensvorsprung; sie erfahren interessante Entwicklungen früher als andere. Und Sie können mitgestalten, wo andere höchstens kommentieren.

Der aktuelle Beirat

Der Beirat des CIO-Kreises in der DSAG umfasst sieben Mitglieder. Das sind derzeit

  • Klaus Gerke von Mast-Jägermeister SE,

  • Regina Kaune von Leica Camera AG,

  • Lorenz Müller von Hipp-Werke Georg Hipp OHG,

  • Manfred Ofner von AT&S AG,

  • Uwe Herold von Heidelberger Druckmaschinen AG,

  • Thorsten Steiling von Ejot Holding GmbH & Co. KG sowie

  • Johannes Truttmann von der Krombacher Brauerei.