Hypes und Hausaufgaben

Was deutsche CIOs 2008 beschäftigte

28.11.2008 von Jan-Bernd Meyer
CIO sein heißt mindestens drei Jobs auf einmal erledigen zu müssen, um den Alltag mit einer Unternehmens-ITK zu meistern.
CIOs müssen ständig abwägen, was zu den Hypes und was zu den Hausaufgaben gehört (Foto: S. Hofschlaeger/Pixelio).
Foto: S. Hofschlaeger/Pixelio

CIOs sollen kostenbewusste Betriebswirtschaftler sein. Als Innovatoren müssen sie sich ebenfalls hervortun. Natürlich haben sie zudem die ganz normalen Probleme des IT-Alltags in den Griff zu bekommen. IT-Verantwortliche sind also echte Rastellis, die zudem immer zwischen den Hypes und den IT-Realitäten steuern müssen. Wie sahen die Werktage der IT-Verantwortlichen im Jahr 2008 aus?

CIO ist nicht gleich CIO

Die Tätigkeitsnachweise der IT-Manager in ihren Bewerbungen für den diesjährigen Wettbewerb zum "CIO des Jahres" sind sehr unterschiedlich. Auffällig ist, dass sie sich nicht nur nach Branchen, sondern vor allem nach Unternehmensgröße differenzieren: Das, was CIOs in Großunternehmen unter den Nägeln brannte, ist nicht das, womit sich deren Kollegen in kleinen und mittelständischen Unternehmen befasst haben.

Green IT: wichtig - aber nicht für jeden

Ein treffendes Beispiel für diese These ist das Schlagwort, das die IT-Branche seit einem Jahr nicht mehr nur als Hype beschäftigt: Green IT. Schaut man sich die Themen an, die die IT-Manager mittelständischer Firmen als vordringlich angaben, so fehlten Öko-Strategien fast immer. Heißt das, dass Manager aus dem Mittelstand zu sorglos mit der Umweltthematik umgehen? Dass sie ihrer Verantwortung für Klimaschutz nicht nachkommen wollen? Wohl eher nicht.

Es ist aber so, dass grüne Strategien für Rechenzentren und IT-Abteilungen ein hohes Maß an Planung, Vorarbeit - und damit an Investitionen voraussetzen. Diese amortisieren sich zwar vergleichsweise schnell. Aber nicht schnell genug, um Finanzverantwortliche in kleineren Betrieben davon zu überzeugen, dass Green IT ein erstrebenswertes Ziel über das politisch korrekte Diktum hinaus sein könnte und zu Einsparungen führt. Ob gerade in Zeiten einer heraufziehenden Wirtschaftskrise mittelständische Unternehmen in finanzielle Vorleistung gehen, um später die Früchte einer grünen IT-Strategie zu ernten, darf dabei füglich bezweifelt werden.

Größeres Einsparpotenzial in Konzernen

Bei Großunternehmen sieht das anders aus. Das hat seinen Grund unter anderem auch darin, dass die mit einer grünen ITK-Strategie zu erzielenden Einsparpotenziale hier wesentlich größer sind. Es macht eben einen Unterschied, ob eine IT im Zuge einer Server-Virtualisierung den Maschinenpark beispielsweise von mehreren hundert auf eine Handvoll Server konsolidieren kann. Die Kosteneffekte in solchen Fällen sind vergleichsweise beeindruckend, weil hier nicht nur sehr viel weniger Systeme einen spürbar geringeren Energiebedarf haben. Vielmehr müssen diese wenigen Rechner auch von einer ebenso verminderten Zahl von Kühlsystemen klimatisiert werden. Insgesamt verringert sich der Platzbedarf heutiger Rechenzentren durch die Konzentration auf wenige hoch ausgelastete und effizient arbeitende Systeme ebenfalls. All diese Optionen kann ein kleines oder mittelständisches Unternehmen nicht in so großem Stil nutzen wie ein Konzern.

Virtualisierung - ein Thema für alle

Mittelfristig kann man aber davon ausgehen, dass die grüne Welle auch die mittelständischen Unternehmen erreichen wird. Im Prinzip hat sie das auch schon mit dem Einzug einer Technik, die seit mindestens zwei Jahren auch hierzulande in Unternehmen jeder Größenordnung spürbar Platz greift und die für CIOs in Deutschland mittlerweile zum Kernthema geworden ist: Virtualisierung.

Begonnen hatte dieser IT-Trend bei Servern und in dem Moment, als unter anderem mit VMware ein ausgereiftes Produkt auf den Markt kam. Binnen kurzem zeigten sich die Vorteile, die eine bessere Auslastung der Server mit sich bringt: Wesentlich weniger Systeme erledigen heute Aufgaben energieeffizienter als Dutzende, Hunderte, ja Tausende Server früher. Mit der Server-Virtualisierung können Unternehmen erhebliche Kostenvorteile allein durch die Energiereduzierung erzielen. Die Konsolidierung der Systeme bringt es zudem mit sich, dass eine geringere Zahl an Maschinen von weniger Mitarbeitern gepflegt, gewartet und unterhalten werden muss. Ein Einsparpotenzial mithin - oder die Chance, von chronisch überlasteten Beschäftigten in den IT-Abteilungen den Druck hoher Arbeitspensen zu nehmen.

Virtualisierung - wichtig für Server, Desktops und Storage

Der Virtualisierungstrend begann zwar in den Server-Räumen der Unternehmen. Noch interessanter dürfte aber die Desktop-Virtualisierung werden - mit der sich CIOs 2008 zunehmend beschäftigten. IT-Manager versprechen sich von der zentralen Client-Verwaltung noch höhere Einsparpotenziale als von der Server-Virtualisierung. Desktop-Virtualisierung ist dabei ein Thema, das CIOs von Großunternehmen und von mittelständischen Firmen gleichermaßen auf dem Schirm haben. IT-Verantwortliche allerorten beginnen, auf den Zug aufzuspringen und ihre IT-Landschaft neu zu strukturieren. Sie nutzen Virtualisierung dabei eben nicht nur im Server-Umfeld, sondern auch für Thin-Client-Konzepte, um ihre Desktops leichter verwaltbar und in vielen Fällen schlanker zu machen.

Gleiches gilt schließlich für das Thema Speichervirtualisierung. Prinzipiell verfolgen die meisten CIOs das Prinzip "Eins nach dem anderen". Ist die Server-Virtualisierung abgeschlossen, macht man sich an die Speichervirtualisierung oder wendet seine Aufmerksamkeit den Clients zu.

Ein Thema wird geboren: Cloud Computing

2008 noch nicht auf der Agenda der meisten CIOs in Deutschland stand ein IT-Trend, der die vorgenannten Strategien konsequent fortsetzt: Cloud Computing. Hierbei nutzen Firmen das Angebot von Dienstleistern, Daten nicht mehr auf firmeneigenen Speichersystemen zu sichern, sondern auf den Storage-Farmen von Drittanbietern zu lagern - oder Rechenleistung nicht mehr hausintern anzubieten, sondern ebenfalls von Dienstleistern zu beziehen.

Theoretisch lässt sich mit dieser Strategie einiges an Investitionen sparen, weil Hard- und Softwarekosten minimiert werden und auch Wartungsaufwändungen für selbst betriebene Systeme wegfallen. Praktisch aber geben IT-Verantwortliche so unternehmenskritische Daten in die Obhut Dritter. Das dürfte ein Grund dafür sein, dass das in der grauen Theorie bestechende Konzept des Cloud Computing nur langsam Fuß fasst - zumindest in Deutschland.

SOA - ebenfalls im Mittelstand nicht vordringlich

Ein weiteres Thema, an dem sich die Geister in der IT-Branche scheiden, war und ist SOA. Zwar ist es etwas ruhiger um Service-orientierte Architekturen geworden. Das mag aber damit zusammenhängen, dass mittlerweile viele Großunternehmen die Chance genutzt haben, via SOA konzernweit IT-Dienste zu definieren und anderen zur Verfügung zu stellen.

Bei Mittelständlern - ganz zu schweigen von Kleinunternehmen - steht SOA nicht im Pflichtenheft der CIOs. Schaut man sich die ausgefüllten Fragebögen der IT-Verantwortlichen an, so haben aus dem Kreis der mittelgroßen Firmen genau zwei Betriebe im abgelaufenen Jahr 2008 ein SOA-Projekt begonnen.

Kalte Schulter für Itil, VoIP, RFID

Mittelständler zeigten auch anderen angesagten Themen der IT-Branche wie Itil, VoIP und RFID eher die kalte Schulter.

SAP soll es richten

Ihnen ging es vielmehr darum, die üblichen Aufgaben in ihrem Betrieb durch IT zu unterstützen. Ergo haben viele CIOs SAP eingeführt. Entweder wagte sich ein Mittelständler erstmals an die Implementierung einer Software aus Walldorf - in aller Regel zunächst die ERP-Software -, oder die SAP-Welt wurde weiter ausgebaut, Upgrades wurden integriert etc. In vielen mittelständischen Unternehmen gehörten SAP-Implementierungen zu den wesentlichen IT-Projekten des Jahres 2008.

Auf erstaunlich geringes Interesse stößt das Thema VoIP. Von den beim Wettbewerb "CIO des Jahres" unter den ersten 25 platzierten CIOs gaben lediglich zwei an, VoIP-Projekte begonnen oder realisiert zu haben.

Itil - Rahmenwerk vor allem für Konzerne

Gleiches gilt für die IT Infrastructure Library (Itil), das Rahmenwerk für ein prozessorientiertes IT-Service-Management. Entsprechende Vorhaben hat kein einziger CIO aus Mittelstandsunternehmen genannt. Das ist in großen Unternehmen zwar durchaus ähnlich. Sie widmen sich aber dem Itil-Konzept schon seit langem und nehmen nur noch die allfälligen Anpassungen an bereits Implementiertes vor. Mit anderen Worten: In Konzernen ist Itil schon längst gelebte Praxis. Die Frage ist allerdings, ob Itil für kleine und mittlere Unternehmen nicht ohnehin bedeuten würde, mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. (jm)