Business-Process-Management

Was bei der BPM-Einführung häufig schiefläuft

06.03.2014 von Stefan Schrader
Business-Process-Management muss sich an der Wertschöpfungskette orientieren. Aber das ist leichter gesagt als getan - zumal man einiges falsch machen kann.

Was soll Geschäftsprozess-Management leisten? Die Antwort auf diese Frage fällt heute anders aus als noch vor wenigen Jahren. Das liegt vor allem an der Historie des Themas: Es hat seinen Siegeszug in den Werkshallen begonnen und sich von dort in sämtliche direkt und indirekt wertschöpfenden Bereiche der Unternehmen vorgearbeitet.

BPM-Einführung: Was häufig schiefläuft
Foto: S.John, Fotolia.de

Die Anfänge des modernen BPM

Immerhin boten sich dafür mit ERP-, CRM- und anderen Business-IT-Systemen in den 90er-Jahren komplett neue Möglichkeiten. In dieser Zeit begannen die Firmen, verstärkt prozessorientiert zu denken und auch die nicht direkt wertschöpfenden Bereiche genau unter die Lupe zu nehmen. Erst dadurch konnte sich das ganzheitliche Business-Process-Management von heute auf breiter Front durchsetzen. Entwicklungen wie Service-orientierte Architekturen (SOA), Business Intelligence (BI) und die Self-Service-Konzepte gehen letztlich darauf zurück.

Derzeit liegt der Schwerpunkt der meisten BPM-Initiativen auf Wertschöpfungsnetzen, die Unternehmens- und Ländergrenzen überschreiten. Sie passen besser zur global ausgerichteten Wirtschaft mit ihren eng verzahnten Abläufen als die isolierte Betrachtung einzelner Unternehmensbereiche.

Die neue Sicht auf Prozesse stellt den Kunden und seine Erfahrung in den Brennpunkt. Die "Customer Experience" soll vom ersten Kontakt mit der Marke über den Bestell- und Bezahlvorgang bis hin zum Support-Fall oder Neukauf durchgängig effizient sein. Im Idealfall werden also die Prozesse ganzheitlich und aus der Sicht des Endkunden betrachtet.

Zu den Treibern dieser Entwicklung gehören Trends wie der Zerfall von klassischen Wertschöpfungsketten sowie die Entwicklungen rund um mobile Endgeräte und Applikationen. Zudem arbeiten Unternehmen und Dienstleister vielfach partnerschaftlich zusammen, um die Leistungen zu erbringen. Das macht eine bessere Orchestrierung der Prozesse erforderlich. Um die Potentiale von Ende-zu-Ende-Prozessen in Wertschöpfungsnetzen optimal ausnutzen zu können, werden solche Abläufe mit den eingebundenen Partnern gestaltet, optimiert und verwaltet.

Verzahnte Prozesse, neue Modelle

Die Logistikbranche hat diese Herausforderungen mit geradezu meisterlicher Perfektion angepackt. Heute profitiert sowohl der Online-Handel als auch der Konsument von komplett verzahnten Prozessen.

Durch den Trend zu Wertschöpfungsnetzen sind sogar völlig neue Geschäftsmodelle entstanden. So verkauft der Online-Händler Amazon mittlerweile seine Order- und Logistikprozesse auch an seine Partner und hat sich damit ein weiteres Standbein geschaffen. Auch die Automobilindustrie hat gezeigt, wie das Geschäftsprozess-Management in allen Unternehmensbereichen Vorteile bringen kann. Wer es diesen Branchen nachtun will, sollte sich jedoch vor einer Reihe böser Fallstricke hüten.

Falsche Prioritäten bei der Wahl der Prozesse

Einer der wichtigsten Faktoren am Start einer BPM-Initiative ist die Fokussierung auf die richtigen Prozesse. Es ist sinnvoll, sich zunächst auf die Abläufe zu konzentrieren, die für das Unternehmen ein Alleinstellungsmerkmal erzeugen oder es sogar selbst darstellen. Solche Prozesse müssen bestmöglich gestaltet, optimiert und gesteuert werden. Und die Abläufe im Umfeld dieser Prozesse sind konsequent an diesen auszurichten.

Anders verhält es sich bei der Gestaltung und Optimierung von Abläufen, die eher als Commodity gelten. Hier sollte das Unternehmen über "Prozess-Templates" nachdenken. Daraus ergeben sich deutliche Vorteile für Anwendungen, in denen solche Commodity-Prozesse abgebildet sind. Templates senken Aufwand und Kosten in der Entwicklung und im Betrieb.

Auf jeden Fall sollten Unternehmen die Prozesse durchgängig (End-to-End) betrachten. Wenn sie nur einzelne Vorgänge näher unter die Lupe nehmen - und dabei zu allem Übel die falschen Prioritäten setzen -, erreichen sie wenig. Beispielsweise wollen einige Unternehmen vorrangig ihre Serviceabläufe verbessern. Dabei legen sie den Fokus ausschließlich auf die Analyse von Vorgängen rund um defekte oder falsch ausgelieferte Produkte. Der Gesamtprozess wird dabei komplett vernachlässigt. Das Resultat dieser isolierten Betrachtung sind zwei unterschiedliche Prozesswelten: die Abwicklung des Neuverkaufs und davon unabhängig die Prozesse bei der Serviceabwicklung. In der Folge ärgert sich der Kunde wahrscheinlich über Verzögerungen und Intransparenz, wenn etwa neue Kundennummern für Wartungsfälle vergeben werden oder Informationen nicht durchgängig verfügbar sind.

Beim Service gibt es immer wieder Rückkopplungen mit anderen Bereichen, etwa der Produktentwicklung, dem Vertrieb und dem Marketing. Das lässt sich an einem Beispiel verdeutlichen: Ist aus den Support-Daten zu ersehen, dass sich ein Produkt dem Ende seines Lebenszyklus nähert, so bedeutet das schlechthin die Gelegenheit, den Vertrieb eines Neuprodukts anzukurbeln. Doch Vorteile wie dieser lassen sich nur umsetzen, wenn die Prozesse bereichsübergreifend betrachtet werden.

Fehlende Unterstützung der Unternehmensführung

Prozessinitiativen scheitern in den meisten Fällen, wenn vergleichsweise unwichtige Problemfelder im Mittelpunkt stehen und die Vorhaben ohne strategischen Hintergrund gestartet werden. Eine Brücke zwischen Strategie und Umsetzung lässt sich durch eine gezielte Abstimmung der speziellen Initiative auf die allgemeine Unternehmensstrategie schlagen.

Über ein Change-Management werden anschließend Mitarbeiter und Unternehmensführung auf den neuen Kurs eingestimmt. Das beste Konzept bringt schließlich nichts, wenn es nicht vom Management getragen und vorgelebt wird.

Keine ausreichende Definition von Kennzahlen

Viele BPM-Projekte führen auch deshalb zu keinem guten Ergebnis, weil sie das Prinzip "What you measure is what you get" vernachlässigen. Die Unternehmen sollten Kennzahlen definieren, die in einem direkten Zusammenhang mit Erfolg oder Misserfolg stehen. Diese sollten sie dauerhaft erheben und auswerten. Ansonsten lassen sich durch BPM nur einmalige Effekte erzielen, die keine nachhaltige Auswirkung auf die Organisation haben.

Natürlich können Kennzahlen in Produktion und Buchhaltung leichter implementiert werden als in anderen Bereichen. Es ist jedoch heute kein Problem mehr, Daten aus anderen Bereichen wie dem Vertrieb kritisch zu durchleuchten. Ist etwa bekannt, wie viele Angebote erstellt worden sind, so lässt sich diese Zahl in ein Verhältnis zu den getätigten Abschlüssen setzen.

Mit einer prozessorientierten Herangehensweise können im Prinzip sämtliche Unternehmensbereiche effizienter und kostensparender betrieben werden. Voraussetzung ist allerdings die Möglichkeit zur intelligenten Auswertung. Mit den richtigen BPM-Tools ist das aber kein Problem.

Neue Dimension für Prozesse

Reichweite und Ausgestaltung von Wertschöpfungsketten verändern sich derzeit stark. So sind in immer mehr Bereichen die Kunden Teil eines die Firmengrenzen überschreitenden Gesamtprozesses. Ob sie online Banküberweisungen vornehmen, sich via MyTaxi ein Taxi bestellen oder über eine App ihre Bordkarte abrufen - mehr und mehr Prozesse landen direkt beim Endkunden und müssen optimiert und verwaltet werden.

Aber auch die Kriterien, nach denen Prozesse beurteilt werden, ändern sich rasant: Punkte wie Nachhaltigkeit und ethische Wertschöpfung spielen aus Kundensicht eine immer wichtigere Rolle und entscheiden über Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens. Perfekt getaktete Prozesse, bei denen Mensch oder Umwelt unter die Räder geraten, werden mit Wechsel zu anderen Anbietern und Vertrauensentzug abgestraft. Dass die Drogeriekette DM in Sachen Kundenzufriedenheit im Proposition Index 2013 den Platzhirsch Amazon vom Thron gestoßen hat, ist die Folge eines solchen Wertewandels. Hier liegen große Herausforderungen, die in der weiteren BPM-Beratung größeren Raum einnehmen werden. (qua)

Expertengruppe entwickelt ein praxisorientiertes Framework

Eine Gruppe aus unabhängigen Business-Process-Management-Experten hat die Alliance für Business-Process-Management (BPM) ins Leben gerufen. Als ihr Ziel gibt sie an, praktische Erfahrungen in Form einer offenen BPM-Methodik bereitstellen zu wollen. Die Grundlage des Erfahrungsaustauschs bildet das Business-Process-Management-Framework (BPMF).

Gründungsmitglied und Triebfeder der Allianz ist der Berater Dirk Slama. Er verantwortet den Bereich BPM-Umsetzungsmethodik und Governance Solutions bei der Inubit AG. Zudem ist er Co-Autor der Bücher "Enterprise SOA" und "Enterprise CORBA" (erschienen bei Prentice Hall International). Zusammen mit Ralph Nelius, Enterprise-Architekt bei der Deutschen Post AG, veröffentlichte er 2011 im Dpunkt Verlag "Enterprise BPM: Erfolgsrezepte für ein unternehmensweites Prozessmanagement". Dort wird das BPMF anhand praktischer Beispiele beschrieben.

Die Weiterentwicklung des Frameworks wollen Slama und Nelius nun der BPM-Community anvertrauen. Dazu sollen sich die Mitglieder der Allianz in regelmäßigen Workshops zusammenfinden, wo sie ihre Erfahrungen einbringen und bestimmte Schwerpunktthemen diskutieren. Das geballte Know-how wird dann der Allgemeinheit in Form strukturierter Best Practices zur Verfügung gestellt.

"Wir sind davon überzeugt, dass Business-Process-Management in all seinen Facetten einen ganz wesentlichen Beitrag zum Unternehmenserfolg leistet", argumentiert Slama: "Die Ausprägungen reichen von strategischen BPM-Initiativen in Verbindung mit Enterprise-Architecture-Management (EAM) bis hin zur Realisierung von Geschäftsprozess-Automatisierungen in einer global verbundenen und mobilen Welt der Systeme und Dinge." Die Qualität der Vorgehensmethodik soll mit der Bedeutung des BPM-Themas mitwachsen.

Im Blog und per Newsletter werden die Alliance-Mitglieder über Updates und andere Themen informiert. Zudem will der Verein jährlich die besten BPMF-Projekte auszeichnen. Mehr Informationen zur Alliance sowie zur Teilnahme finden Interes-enten unter www.enterprise-bpm.org/alliance. (qua)