Anpassung der IT-Systeme und -Strukturen

Zehn Stolpersteine im Change-Management

06.05.2013
Von  , und Gerd  Schaarschmidt
Dr. Florian Meister ist Geschäftsführer der Strategic Service Consulting GmbH (SSC). Meister hat zum Thema Change-Management in komplexen Unternehmensstrukturen promoviert und sammelte Erfahrungen unter anderem bei IBM, Steria Mummert Consulting, CTG und A.T. Kearney.


Kerstin Lorenz ist seit 2012 Consultant bei der Strategic Service Consulting. Durch ihre Zertifizierung als ITIL-Expertin bringt sie umfangreiche Expertise in Standardisierungs- und IT Service Management-Projekte ein. Ihre Schwerpunkte liegen im Prozessmanagement/ -optimierung für Kundenservice- sowie IT-Prozesse, Definitionen von Servicekatalogen, Lastenhefte, die Etablierung erarbeiteter fachlicher Ergebnisse in der Organisation im Rahmen des kulturellen Change-Managements und Projektmanagement.
Hier sind die am häufigsten begangenen Fehler, die einer erfolgreichen Anpassung der IT-Systeme und -Strukturen immer wieder im Weg stehen.

Ein modernes Unternehmen muss mit den sich immer schneller wandelnden Märkten Schritt halten können. Entscheidend dafür ist die Anpassungsfähigkeit der IT, die mittlerweile hohe Relevanz für den Unternehmenserfolg hat.

Die Veränderungsprojekte bewegen sich im Spannungsfeld von drei Faktoren: Qualität, Kosten und Zeit. Änderungen an IT-Systemen oder an der IT-Infrastruktur müssen professionell gemanagt werden, um die chronisch knappen IT-Ressourcen bestmöglich einsetzen zu können. Deshalb ist ein dedizierter Change-Management-Prozess notwendig. Dieser Anpassungsprozess bestimmt wesentlich die Wettbewerbsfähigkeit der jeweiligen Organisation. Aktuelle Studien, beispielsweise von Forrester, unterstreichen die Tatsache, dass das Change-Management einen markanten Wertbeitrag im Unternehmen leistet.

Änderungsbedarfe sind oft individuell, zudem fallen im Lauf der Zeit viele Änderungen an. Der Change-Management-Prozess ist also einerseits sehr komplex, andererseits muss er die Effizienz eines Massenprozesses aufweisen. Darüber hinaus sind zahlreiche Abteilungen zu koordinieren. Die Fachbereiche beauftragen nicht nur die Changes, sondern sind auch in Tests und Abnahmen eingebunden.

Die zehn häufigsten Fehler

All diese Faktoren führen dazu, dass der Change-Management-Prozess von vielen Unternehmen nicht richtig beherrscht wird. Es lassen sich vor allem zehn Fehler identifizieren, die immer wieder gemacht werden - Fehler in der Ausrichtung, der operativen Ausgestaltung und der Verankerung im Unternehmen.

1. Keine Ausrichtung am Unternehmensziel

Ausgangspunkt jedes erfolgreichen Change-Managements ist die enge Verbindung mit der Unternehmensstrategie: Firmen, die sich am Markt als Qualitätsführer positionieren, sind auf ein besonders hochwertiges Change-Management angewiesen. Für Unternehmen, die auf wechselhaften Märkten agieren, ist es wichtig, dass die Changes flexibel und rasch aufsetzbar sind. Generell soll das Change-Management maximale Qualität bei äußerster Flexibilität und geringen Kosten sicherstellen. Dieser Widerspruch lässt sich auch in der IT nicht lösen. Deshalb werden die Schwerpunkte oft "aus dem Bauch heraus" gesetzt - auf Grundlage der vorhandenen Ressourcen und einer angenommenen Dringlichkeit.

2. Missachtung der jeweiligen Business-Relevanz

Es gibt Systeme, die für den operativen Betrieb elementar sind und Hochverfügbarkeitsanforderungen stellen. Andere haben lediglich unterstützenden Charakter. Diese Unterschiede werden in den Change-Management-Prozessen oft nur ungenügend abgebildet. Hier hilft ein Clustering der IT-Landschaft. Es verhindert, dass sich zu viele Prozesse etablieren (wodurch sich die Komplexität erhöhen würde), und es steuert zu umfangreichem Change-Management für gering priorisierte Systeme entgegen.

3. Keine Business-basierende (Kosten-Nutzen-)Analyse

Änderungen, die nur einen kleinen Anwenderkreis betreffen, können dennoch enorme Auswirkungen haben, beispielsweise bei der Umsetzung gesetzlicher Anforderungen. Dagegen sind andere Veränderungen trotz ihrer gefühlten Bedeutung nur mäßig relevant. Eine Priorisierung darf deshalb nicht danach gehen, "wer am lautesten schreit" oder wer zuerst einen Change angemeldet hat. Entscheidend sollten wirtschaftliche Erwägungen sein. Wie Studien belegen, wird jedoch in weniger als 30 Prozent der Changes eine belastbare Wirtschaftlichkeitsrechnung hinterlegt; überprüft wird diese nach der Umsetzung dann höchstens in jedem zehnten Fall.

4. Nicht optimierte Change-Management-Prozesse

Die Umsetzung von Change-Management-Prozessen ist in der Praxis ein komplexes Unterfangen. Abhängig vom jeweiligen Change sind verschiedene Organisationseinheiten einzubinden, Umsetzungen unterschiedlich zu planen, Qualitätssicherungs- und Testmaßnahmen in diversen Ausprägungen auszuführen und Rollouts individuell zu gestalten. Das bilden die operativen Change-Prozesse meist unzureichend ab. Damit fehlen übergreifende Prozesssteuerung und -transparenz, Verantwortlichkeiten sind unklar, Qualitätssicherungs- und Testmaßnahmen finden nicht ausreichend statt, und die Fachbereiche werden ungenügend einbezogen.

5. Fehlende Gesamtübersicht über laufende und geplante Changes

Bereits beschlossene Änderungen stehen in Konkurrenz zu geplanten Changes und zum operativen Tagesgeschäft. Zudem ist der tatsächliche Aufwand schwer abzuschätzen. Deshalb bedarf es einer Gesamtübersicht über laufende und geplante Changes inklusive aktueller Ressourcenplanung. Hier sind neben den IT-Ressourcen auch die Fachbereiche zu betrachten, die ja verantwortlich für Beauftragung, fachliches Testen sowie Abnahme der Changes sind. In der Realität gibt es eine Ressourcenplanung jedoch höchstens bei der Beauftragung.

6. Weder Überprüfung von KPIs noch Rückkopplung zu KVPs

Nach der Umsetzung eines Change ist ein Post Implementation Review (PIR) sinnvoll. Mit einem solchen Prozess lässt sich die Qualität der Umsetzung überprüfen. Für eine umfassende Betrachtung müssen alle Beteiligten befragt werden. Dazu zählen neben der IT auch die beauftragenden Personen inklusive Sponsor. Ansonsten ist eine realistische Bewertung kaum möglich. Über Key Performance Indicators (KPIs) lassen sich zudem Verteilung und Ursache von Changes überprüfen. Beides sind wichtige Informationsquellen für den Kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP).

7. Standard-Changes nicht erstellt und dokumentiert

Zirka 80 Prozent aller Änderungen in der IT lassen sich in Form von Standard-Changes beschreiben und anwenden. Solche Änderungen basieren auf einer klar definierten Beschreibung, und sie lassen sich im Idealfall ohne eine Genehmigung von theoretisch jedem Mitarbeiter ausführen. Derart "reproduzierbares Wissen" entlastet nicht nur die einzelnen Spezialisten, sondern erhöht auch Transparenz und Geschwindigkeit bei der Umsetzung. Über die Sinnhaftigkeit dieses Vorgehens herrscht nahezu Einigkeit. Aber in der Praxis sind Standard-Changes häufig nicht oder nur ungenügend beschrieben. Zudem wird ihre Anwendung nicht dokumentiert.

8. Mangelnde Abstimmung von Fachbereich und IT

Change-Management ist kein reiner IT-Prozess. Er kann deshalb nur erfolgreich sein, wenn er in bestehende Unternehmensprozesse eingebunden wird. Beispielsweise ist es im Produktentwicklungs-Prozess wichtig, dass die für das neue Produkt relevanten IT-Anpassungen frühzeitig abgestimmt und umgesetzt werden. Aber oft werden Changes erst dann beantragt, wenn die IT keine Möglichkeit mehr hat, Alternativvorschläge zu unterbreiten.

9. Fehlendes Commitment von Seiten der Mitarbeiter

Erfolgreiches Change-Management im Unternehmen setzt voraus, dass die betroffenen Mitarbeiter von dessen Nutzen überzeugt sind. Ein strukturierter Prozess hat zur Folge, dass die Dokumentation der Tätigkeiten formaler und gegebenenfalls umfangreicher wird. Oft sind die Mitarbeiter deshalb schwer motivierbar, die Prozesse tatsächlich zu leben. Aus diesem Grund ist das Augenmerk auf die Kommunikation der persönlichen Vorteile zu legen. Die reichen von der besseren Umsetzung über die bessere Planbarkeit bis zum gesteigerten Informationsfluss.

10. Fehlende Individualisierung des Prozesses

Change-Management-Prozesse müssen individuell an die Unternehmensbedürfnisse angepasst werden. Dafür, wie sie im Dreieck von Qualität, Kosten und Zeit aufzustellen sind, gibt es keine allgemeingültigen Empfehlungen. Aber Change-Management-Prozesse im Unternehmen zu etablieren, ohne die spezifischen Anforderungen zu berücksichtigen, ist ein schwerwiegender Fehler. Die Individualisierung betrifft auch die Wahl eines geeigneten ITSM-Tools. (qua)

»

Die Autoren

Dr. Florian Meister ist Managing Director bei der Strategic Service Consulting GmbH, Kerstin Lorenz arbeitet dort als Strategic Consultant. Gerd Schaarschmidt ist Senior IT Consultant beim Schwesterunternehmen Helpline GmbH.