Vorteile für Firmen, Mitarbeiter und Kunden

Warum Unternehmen von Diversity profitieren

12.06.2012 von Renate Oettinger
Wie Firmen die Unterschiedlichkeit ihrer Mitarbeiter nutzen und so einen Wettbewerbsvorteil erlangen können, beschreibt Marion Kraske.
Diversity-Management: Nutzen Sie die unterschiedlichen Kulturen und Talente Ihrer Mitarbeiter.
Foto: Sandor Jackal - Fotolia.com

Wie können wir die Unterschiedlichkeit unserer Mitarbeiter - unter anderem hinsichtlich ihrer ethnischen Herkunft und kulturellen Prägung sowie ihres Alters und Geschlechts - gezielt nutzen? Das fragen sich viele Unternehmen, und manche haben bereits spannende Ansätze hierfür entwickelt. Zum Wohl ihrer Kunden, Mitarbeiter und Organisation.

Was wäre die deutsche Fußballnationalmannschaft ohne die Kopfballstärke von Miroslav Klose? Oder die überragende Balltechnik von Mesut Özil? Und was wäre das defensive Mittelfeld ohne die Dynamik von Sami Khedira? Und schließlich: Was haben alle diese Spieler gemeinsam? Ihre Namen verraten es: Ihre familiären Wurzeln sind anderswo, in Polen, in der Türkei, im nördlichen Afrika.

Der Deutsche Fußballbund (DFB) präsentiert diese Vielfalt in einem Werbespot. In ihm ist eine bunte Truppe von Menschen zu sehen. Sie grillen, sie lachen, und schließlich versammeln sie sich gemeinsam vorm Fernseher, um ein Spiel ihrer Söhne anzuschauen. Es sind die Eltern der Jungs, die in der Nationalelf für Deutschland kicken. Und am Ende des Spots sagt eine sonore Sprecherstimme: "DFB - mas integracion", "Mehr Integration".

Der Imagefilm des Deutschen Fußballbundes bringt es auf den Punkt: Vielfalt bringt Stärke. Unter-schiedliche Talente, unterschiedliche Kulturen, andere Herangehensweisen können gezielt eingesetzt werden, um das große Ganze nach vorne zu bringen und für alle Beteiligten einen Nutzen zu erzielen. Dieses Prinzip entdecken derzeit auch immer mehr Führungskräfte außerhalb des Sports: Diversity-Management lautet das Zauberwort. Unternehmen, Behörden, aber auch Länder und Kommunen sehen in der gesellschaftlichen Buntheit zunehmend einen Erfolgsfaktor - und handeln danach.

Diversity als Verkaufsmotor

Ein Vorreiter dieses Trends ist der Autobauer Ford. Erste Impulse, Vielfalt im Unternehmen zu fördern und professionell zu managen, schwappten bereits vor rund 20 Jahren aus dem amerikanischen Mutterkonzern nach Deutschland. Vielfalt und Buntheit (englisch Diversity) ist bei Ford daher schon lange Programm. Die Buntheit, die Verschiedenheit der Belegschaft wird hier ganz bewusst gefördert - sie gilt als strategischer Wettbewerbsvorteil.

Ein Drittel der Auszubildenden im Kölner Ford-Werk verfügen über einen Migrationshintergrund: Russen, Türken, Kasachen, Aserbaidschaner, Italiener, Deutsche - insgesamt arbeiten am Kölner Standort mehr als 55 Nationalitäten. Schon in der Ausbildung lernen die Azubis nicht nur handwerkliche Fertigkeiten. Sie büffeln auch eine Disziplin, die in technischen Lehrbüchern kaum zu finden ist: die des respektvollen Umgangs miteinander. Dabei ist die Buntheit kein Selbstzweck, es geht um klar definierte Ziele: "Diversity verkauft Autos", sagt Brigitte Kasztan, Diversity-Managerin bei Ford Europe.

Beispiele dafür gibt es viele: Nachdem vor einigen Jahren die türkischen Gemüsehändler am Kölner Großmarkt für die Ford-Flotte kräftig die Werbetrommel gerührt hatten, schnellte der Absatz beim Ford Transit in der Folgezeit um fünf Prozent nach oben.

Doch auch in anderen Bereichen wird Vielfalt bei Ford groß geschrieben - und genutzt: Neben der Turkish Ressource Group gibt es das Women’s Engineering Panel, die Vätergruppe, die Kindergruppe. Sie alle pflegen enge Kontakte untereinander und beleben den Arbeitsprozess mit eigenen Anregungen. Das Grundprinzip sei denkbar einfach, heißt es bei Ford: Wenn Mitarbeiter sich mit all ihren Facetten wertgeschätzt fühlen, sind sie loyaler, und sie bringen sich mit ihren Fähigkeiten und Ideen besser ein. Durch die Verschiedenheit der Mitarbeiter werden Energien und Engagement freigesetzt, zudem lässt sich auf diese Weise ein breiteres Kundenspektrum ansprechen. Je bunter die Belegschaft ist, so das Kalkül, um so effektiver können auch neue Kundenkreise erobert werden.

Kein Einzelfall: Auch die Metro Group verfolgt das Ziel, möglichst viele unterschiedliche Menschen unter einem Dach zu integrieren. Dabei reagiert das Unternehmen, das in 33 Ländern tätig ist, nicht zuletzt auf den demographischen Wandel. "Wir beschäftigen uns zunehmend mit der Schaffung von altersgerechten Arbeitsplätzen und -prozessen, auch, weil die Kundschaft älter und kulturell vielfältiger wird", sagt Bettina Scharff, Leiterin Corporate Social Development. Die Internationalität des Unternehmens, in dem mehr als 150 Nationen zusammen arbeiten, erachten die Metro-Manager als strate-gischen Vorteil. "Eine vielfältige Belegschaft ist ein Mehrgewinn für Kunden, Mitarbeiter und das ge-samte Unternehmen - ein Faktor somit für den Geschäftserfolg", resümiert Scharff.

Ökonomische Ziele

Diversity-affinen Firmen geht es demnach keineswegs um karikative Hilfe für Minderheitengruppen, sondern um knallharte ökonomische Ziele. Dabei versteht sich das Vielfalts-Prinzip weit über ethni-sche Kategorien hinaus. Zu den klassischen Dimensionen des Diversity Managements gehören Alter und Geschlecht, religiöse Prägungen, Behinderungen (beziehungsweise Befähigungen) sowie sexuelle Orientierungen.

Diese Bandbreite von Vielfalt, richtig gemanagt, rechnet sich für alle Beteiligten. Internationale Studien belegen: Firmen, die auf Diversity setzen, konnten neue Kundengruppen er-obern, die Arbeitsatmosphäre verbessern und die Krankheitstage reduzieren. Eine US-amerikanische Studie aus dem Jahr 2006 belegt gar eine Korrelation von Image und kaufmännischem Erfolg. Danach wiesen jene Unternehmen, die in der Öffentlichkeit für ihre Diversity-Aktivitäten bekannt waren, einen vergleichsweise höheren Firmenwert auf.

Dabei kommt es zunächst einmal darauf an, die bestehende Vielfalt im Unternehmen zu erkennen und schätzen zu lernen. Es geht um respektvollen Umgang mit jedem Einzelnen. Dieser Kulturwandel kann in gezielten Trainingsmaßnahmen erlernt werden.

Antwort auf den demografischen Wandel

In seinem Werk in Dingolfing verfolgt der Autobauer BMW seit 2007 erfolgreich das Thema der Alters-Diversity. 2007 starteten die Bayern ihr ambitioniertes Pilotprojekt: Ein Fertigungsband wurde vollständig auf die Bedürfnisse älterer Mitarbeiter ausgerichtet. Unter dem Motto "Heute für morgen" wurden eine Reihe von Detailmaßnahmen umgesetzt, die von Arbeitsmedizinern und Physiotherapeuten in Zusammenarbeit mit der Belegschaft erarbeitet wurden. Wer heute durch die Werkhallen geht, sieht ergonomisch geformte Stühle, schwenkbare Monitore mit größerer Schrift, einen Gelenk schonenden Holzbelag statt des sonst üblichen Betonbodens.

Gymnastikpausen und Seminare für die Beschäftigten zum Thema "biologisches Alter" ergänzen die Maßnahmen, um bei den Betroffenen einen sensibleren Umgang mit Ernährung und Bewegung zu fördern. Ziel, so heißt es im BMW-Werk, sei nicht die "Schaffung von Seniorenbändern", vielmehr sollten ältere Mitarbeiter länger effizient arbeiten können und jüngere Mitarbeiter gesünder älter werden.

Knallharte Fakten machen die Maßnahmen erforderlich: Drei Viertel der BMW-Beschäftigten weltweit arbeiten in Deutschland. Ihr Altersschnitt wird sich bis zum Jahr 2020 auf 46 Jahre erhöhen, der Anteil der Arbeiter, die Älter als 50 sind, steigt von 25 auf 45 Prozent. Nur wenn man auf diese geänderten Rahmenbedingungen reagiert, so die Erkenntnis, kann ein Abfall der Leistungsfähigkeit verhindert werden.

Effizienz und Zufriedenheit bei BMW verbessert

Und die Maßnahmen geben den Bayern recht: Mit dem neu gestalteten Arbeitsbereich konnte die Effizienz trotz des durchschnittlich höheren Alters beibehalten und die Zufriedenheit der Beschäftigten sogar gesteigert werden. Erfolge, die auch außerhalb gewürdigt werden: Im Frühling 2011 erhielt das BMW-Werk Dingolfing für die Schaffung seiner altersgerechten Fertigung den Preis des Benchmark-Wettbewerbs "Fabrik des Jahres/GEO 2010".

Dennoch bleibt festzuhalten: Während BWM mit seiner Alters-Diversity recht eindimensional agiert, verfolgen andere Unternehmen den Diversity-Gedanken wesentlich umfassender. Bei der Metro Group etwa machen ältere Mitarbeiter schon jetzt mehr als ein Drittel der Belegschaft aus. Daneben sind auch Schwerbehinderte sehr willkommen. Insgesamt arbeiten bei der Düsseldorfer Handelsgruppe und ihren zahlreichen internationalen Ablegern bereits rund 5500 Menschen mit Handicap. Mit einem wesentlichen Unterschied: Bei der Metro sieht man den Mitarbeiter mit seinen Erfahrungen und Kompetenzen, nicht das Handicap.

Diversity als Win-Win-Situation

Ein weiterer wesentlicher Baustein des Diversity-Managements ist das Thema Gender: Während in Deutschland noch immer über Sinn und Unsinn der Frauenquote diskutiert wird, hat die Commerzbank bereits 1989 interne Ziele zur stärkeren Positionierung von Frauen auch in Führungsetagen formuliert. Anfang der 80er-Jahre waren lediglich drei Prozent der Führungspositionen mit weiblichen Mitarbeitern besetzt, seither hat sich dieser Anteil auf knapp 23 Prozent erhöht - er soll in Zukunft weiter steigen. Und auch andere Gruppen genießen bei der Bank besondere Aufmerksamkeit, etwa die schwul-lesbische Mitarbeitergruppe Arco. Durch den Respekt und die Wertschätzung, die man jedem Einzelnen gegenüber bringe - ein Grundprinzip des Diversity-Ansatzes - fühlten sich die Betroffenen im Unternehmen besser aufgehoben, erklärt Arco-Sprecher Christian Weiß. Die Kräfte, die Homosexuelle normalerweise in nervenaufreibende Versteckspiele investierten, um ihre Neigungen zu verbergen, könnten somit gänzlich in die Arbeit fließen.

Auch in anderen Bereichen gehen Diversity-Firmen gezielter auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter ein als klassisch orientierte Unternehmen: Um Privates, Familie und Arbeit besser vereinbaren zu können, bieten sie möglichst flexible Lösungen an. Work-Life-Balance lautet die Devise. Beim Thema Baby bekommt der Chef keinen Tobsuchtsanfall mehr, Eltern-Auszeiten werden nicht länger als Karrierehindernis, sondern als Selbstverständlichkeit angesehen. Firmenkindergärten und Vätergruppen tragen dazu dabei, dass sich das traditionelle Rollenbild ändert - zur Zufriedenheit der Mitarbeiter. Diese schlägt sich auch in Zahlen nieder: So beobachteten Diversity-Firmen, dass sich elternbedingte Fehlzeiten verringerten. Auch die Auszeiten nach der Baby-Pause wurden kürzer. Frisch gebackene Eltern konnten somit früher im Unternehmen integriert werden, teure Wiedereingliederungsmaßnahmen entfielen. Eine klassische Win-Win-Situation für alle Beteiligten - eben das ist das Ziel des Diversity-Ansatzes.

Vielfalt mit Rock

Dabei sind es längst nicht mehr nur Unternehmen, die das Vielfaltsprinzip für sich entdecken. Auch öffentliche Stellen haben erkannt, dass im bunten Gesellschafts-Mix, der jahrelang einzig unter negativen Aspekten diskutiert wurde, ungenutzte Chancen stecken. Hunderte Firmen und einige Kommunen wie Köln, Hamburg und Stuttgart haben daher die "Charta der Vielfalt" unterschrieben, eine Absichtserklärung zur Förderung und Wertschätzung gesellschaftlicher Unterschiede.

Stuttgart bemüht sich, mit gezielten Trainings und Fortbildungen ein konfliktfreies und kreatives Zusammenleben aller Kulturen zu ermöglichen - immerhin hat ein Drittel der Einwohner einen Migrationshintergrund. Integration und Vielfalt gilt in Stuttgart denn auch als klarer Wirtschaftsfaktor, ja sogar als Standortvorteil.

Und auch auf anderen Gebieten fördert Deutschlands Süden das Thema Vielfalt: In überregionalen Tageszeitungen wirbt Baden-Württemberg derzeit mit dem Spruch: "Es muss ein Rock durch Deutschland gehen." Ziel der Kampagne ist es, gezielt Frauen ins Land zu holen. Die Voraussetzungen dafür seien besser als anderswo: Überdurchschnittlich viele weibliche Vertreterinnen seien im Ländle nicht nur berufstätig sondern auch im Bundesvergleich am zufriedensten, lobt die Image-Anzeige.

Den Vorteil gemischter Belegschaften hat auch die Telekom erkannt. Auch sie setzt verstärkt auf das Thema Gender-Diversity. Als erster DAX-Konzern führte die Telekom im Frühjahr 2011 eine interne Frauenquote ein, 30 Prozent Frauen, so das Ziel, sollen bis zum Jahr 2015 in Führungspositionen arbeiten. Zwei Managerinnen wurden zudem in den Vorstand berufen. Die stärkere Positionierung von Frauen sei nicht nur "ein Gebot der gesellschaftlichen Fairness", resümiert Telekom-Chef Rene Obermann, sondern vor allem eine "handfeste Notwendigkeit für unseren Erfolg".

Hinter all diesen Veränderungen steckt die Erkenntnis, dass Diversity-Management Antworten geben kann: Auf eine alternde Gesellschaft, auf den grassierenden Fachkräftemangel in zahlreichen Beru-fen, auf die Anforderungen einer zunehmend diversen Gesellschaft. Das Vielfalts-Prinzip kann genutzt werden, um bislang vernachlässigte Potenziale von älteren Mitarbeitern, von Frauen, Migranten, von Menschen mit Behinderung intensiver zu nutzen. Um neue Kundenkreise zu erobern. Um Kreativität und Engagement im Unternehmen zu fördern.

Status-quo-Analyse und Training

Um das Vielfaltsprinzip dauerhaft in der unternehmerischen Kultur zu implementieren, bedarf es einer genauen Status-quo-Analyse und gezielter Trainingsmaßnahmen. Dabei müssen nicht nur die Mitarbeiter trainiert werden, sondern auch die Führungsebenen. Sie allein können dafür sorgen, dass Vielfalt und Buntheit als unternehmerische Leitidee in allen Bereichen gefördert wird. Der Aufwand lohnt sich: Denn auf Vielfalt zu verzichten, hieße, künftig auf wichtige Potenziale zu verzichten . Das aber kann sich kein Unternehmen in einem globalisierten Umfeld auf Dauer leisten. (oe)

Kontakt:

Die Autorin Marion Kraske ist freie (Buch-)Autorin und Dozentin mit langjähriger internationaler Berufserfahrung. Als interkulturelle Trainerin und Diversity Management-Beraterin unterstützt sie den Bereich "Internationale Personalentwicklung" der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal. Tel.: 07251/989034, E-Mail: buero@kraus-und-partner.de, Internet: www.kraus-und-partner.de