Der Markt für kognitive Systeme (Cognitive Systems) wächst stetig. IDC erwartet, dass die weltweiten Ausgaben für kognitive Lösungen bis zum Jahr 2020 bei über 40 Milliarden Dollar liegen. Bis dahin soll zudem die Hälfte aller Lösungen für Business Analytics auch Prescriptive Analytics auf der Basis kognitiver Algorithmen beinhalten.
Was sind kognitive Systeme?
IDC definiert kognitive Systeme als eine Technologie, die durch die tiefgehende Verarbeitung und das Verständnis natürlicher Sprache Fragen beantworten sowie Rat und Anleitung bieten kann. Das System stellt Hypothesen auf und formuliert mögliche Antworten anhand der verfügbaren Hinweise. Es kann durch die Analyse großer Content-Mengen trainiert werden; das System lernt zudem aus seinen Fehlern und Misserfolgen.
Kognitive Software-Plattformen stellen eine Untermenge des allgemeinen Markts für kognitive Systeme dar. Sie arbeiten in erster Linie mit unstrukturierten und semistrukturierten Informationen, um daraus eine kuratierte Informationsbasis und Wissenskarte zu erzeugen. Diese Informationen können durch Techniken der künstlichen Intelligenz (KI) und Algorithmen wie maschinelles Lernen, neuronale Netze und Deep Learning ausgeschöpft und analysiert werden. Empfehlungen, Prognosen und Rat auf Basis dieser künstlichen Intelligenz stellen den Anwendern Antworten und Unterstützung in einer breiten Palette von Applikationen und Anwendungsfällen zur Verfügung.
Fünf Gründe für den Einsatz kognitiver Systeme
Fünf Gründe sprechen dafür, dass kognitive Systeme in Zukunft vor allem für die Unternehmen wichtig werden, die primär auf den Endverbraucher abzielen:
Erweitertes menschliches Urteilsvermögen: Bei den besten Geschäftsmodellen dreht sich alles um die Erweiterung menschlicher Fähigkeiten, nicht um einen Ersatz für diese. Kognitive Systeme stellen dabei eine Ergänzung zur menschlichen Intention dar. Eine gute Entsprechung dazu wären elektrische Werkzeuge in den Händen eines Handwerkers.
Recherche und Ermittlungen beschleunigen: Auch der versierteste menschliche Leser kann nicht Millionen von Seiten am Tag aufnehmen. Kognitive Systeme, die natürliche Sprache verstehen, lassen sich nicht nur für das geschriebene, sondern auch für das gesprochene Wort nutzen.
Vorschlag der "bestmöglichen nächsten Schritte" und Ergebnisprognose: Kognitive Systeme erzeugen Hypothesen, evaluieren diese und lernen mit der Zeit auf Basis der Erfahrungen. Beides sind kritische Faktoren für Handlungsempfehlungen und Prognosen.
Automatisierung des unternehmensweiten Knowledge Managements: Obwohl es schon seit Jahrzehnten Knowledge-Management-Systeme gibt, liefen doch viele Bestrebungen aufgrund des notwendigen menschlichen Aufwands im laufenden Betrieb ins Leere. Die Möglichkeiten, die Recherche und Ermittlung zu automatisieren oder Best Practices zu entwickeln, stellen einen wichtigen Nutzen dar.
Zusammenfassen und Systematisieren der Best Practices: Eine Variation des bereits erwähnten Lernens durch Erfahrung.
IDC beobachtet, dass Unternehmen kognitive Systeme als Katalysator für die Weiterentwicklung der Geschäftsprozesse und zur Schaffung neuer Skaleneffekte nutzen. Große Unternehmen im Gesundheitswesen untersuchen, wie kognitive Systeme dabei helfen können, "Best Practice"-Diagnosen und Behandlungen unabhängig vom Wohnort der Patienten zu demokratisieren und zu beschleunigen. Weltweit agierende Finanzdienstleister sind dabei, über alle Kanäle hinweg automatisiert Finanzberatung und Kundenservice auf Basis kognitiver Technologien bereitzustellen. Einige dieser Finanzdienstleister nutzen kognitive Systeme, um manuelle Workflows und Geschäftsprozesse bei Finanztransaktionen zu beschleunigen, zu automatisieren oder sogar abzuschaffen. Die verarbeitende Industrie arbeitet an ausgefeilten Strategien für Predictive Maintenance auf der Basis von IoT und kognitiven Systemen. Dies sind nur einige Beispiele für hunderte von Einsatzszenarien, die Unternehmen bereits evaluieren. Eine Triebfeder dabei: Die Märkte und Mitbewerber beginnen, künstliche Intelligenz, maschinelles Lernen und kognitive Systeme anzunehmen.
Der Business Case für kognitive Systeme
Endkunden-orientierte Unternehmen sollten bei der Entwicklung von Business Cases einige Unterschiede zu herkömmlichen Unternehmensanwendungen und Technologien beachten:
Anwendungen, die über kognitive Fähigkeiten verfügen, greifen auf unterschiedliche strukturierte und unstrukturierte Informationen zu, sie analysieren und organisieren diese. Auf Basis dieser Informationen stellen sie Beratungsdienste, Prognosen und Empfehlungen zur Verfügung. Und sie bieten eine Umgebung, mit der die Konsumenten interagieren können, um bessere Entscheidungen zu treffen. Kognitive Systeme unterstützen den menschlichen Entscheidungsprozess mit höherer Genauigkeit, mehr Vertrauen, Geschwindigkeit und Agilität. Die Grundlage dafür bildet eine breite Palette von Daten und Hinweisen, angewandt auf eine noch umfassendere, unvoreingenommene Betrachtung der entsprechenden Gegebenheiten.
Kognitive Software-Plattformen nutzen ein umfangreiches Feld an Anwender/Daten-Interaktionen, Wissensdarstellungen, maschinellen Lernens, Schlussfolgerungen und Verarbeitung, um Anwendungen mit kognitiven Fähigkeiten zu unterstützen.
Kognitive Software-Plattformen nutzen Inhalte und Daten für die Lern- und Empfehlungsprozesse innerhalb der Anwendungen mit kognitiven Fähigkeiten. Diese basieren auf statistischen, semantischen und interferenziellen Methoden.
Wer sind die wichtigsen Stakeholder im Unternehmen?
Es gibt drei kritische Gruppen von Entscheidungsträgern, die in den Aufbau eines Business Case für kognitive Systeme einbezogen werden sollten:
Fachbereiche: Nach der Beobachtung von IDC sind es die Fachbereiche, die die Entwicklung kognitiver Software-Plattformen vorantreiben. IDC geht davon aus, dass dieser Trend weiter anhalten wird. Um zu verstehen, wie eine neue Technologie konkret eingesetzt werden kann, um bislang kaum realisierbare Ziele zu erreichen, braucht man Menschen, die tief in die geschäftliche Seite eingebunden sind. Zudem sind es die Fachbereiche, die wissen, wo die größten Potenziale für ein kognitives System liegen und wo es am besten genutzt werden kann.
IT: Ungeachtet des oben erwähnten Aspekts sollten CIOs und CTOs bei der Auswahl des Anbieters und bei der Implementierung eingebunden sein. IDC glaubt, dass es nur schwer möglich ist, ohne Einbindung der IT-Abteilung einen langfristigen, technologisch begründeten Wandel bei den Geschäftsprozessen zu erzielen. Dies gilt auch dann, wenn man auf externe Dienstleister setzt. Warum ist das so? Um effektiv zu sein, können kognitive Systeme nicht als isolierte Silos betrieben werden. Daraus ergibt sich, dass die IT-Abteilung einbezogen werden muss - insbesondere, wenn im Rahmen dieser Initiative auch Cloud-Dienste zum Einsatz kommen sollen. Die IT spielt bei der Entwicklung kognitiver Systeme eine entscheidende Rolle: Sie unterstützt dabei, die relevanten Datenquellen zu identifizieren. Sie arbeitet gemeinsam mit den Anbietern der kognitiven Systeme daran, die Daten- und Systemqualität sicherzustellen. Und schlussendlich fungiert die IT als Clearing-Stelle, in der alle Anfragen aus den verschiedenen Geschäftsbereichen nach kognitiven Systemen zusammenlaufen.
Spezialisten: Auch, wenn diese Gruppe eine Teil- oder Schnittmenge der bereits erwähnten Entscheidungsträger sein kann: Bestimmte Spezialisten sind entscheidend für eine erfolgreiche Implementierung. Data-Science-Experten etwa für statistische Analysen, mathematische Modelle oder für die Entwicklung von Algorithmen. Oder Experten für das jeweilige Fachgebiet. Und nicht zuletzt Business-Analysten für die Wissensdarstellung und um zu verstehen, wie kognitive Systeme bessere Entscheidungsprozesse ermöglichen oder unterstützen können. In vielen Fällen versuchen kognitive Systeme, die Lernvorgänge und die Expertise dieser Spezialisten zu kodifizieren. Somit ist es entscheidend, dass diese Experten frühzeitig in den Entwicklungsprozess eingebunden werden.
Wie kann Ihr Unternehmen von kognitiven Systemen profitieren?
Aus Sicht von IDC sollten Sie mit den folgenden vier Maßnahmen in Ihr Projekt starten:
Erarbeiten Sie zunächst eine Strategie für den Informationszugriff und die Analyse, um alle wichtigen Datenquellen nutzen zu können. Es überrascht, wie wenige Unternehmen eine Informationsarchitektur formuliert haben, die die Verbindungen zwischen den einzelnen Datenelementen und den unternehmensweiten Anforderungen oder Zielen aufzeigt. Zu dieser ausformulierten Architektur gehört es zu verstehen, wie Daten oder Informationen einen spezifischen Entscheidungsprozess unterstützen können, der wiederum einen bestimmten Geschäftsprozess trägt, der seinerseits zu einem Unternehmensziel beiträgt. Ist diese Architektur festgelegt, können ein Plan und eine Strategie für den Informationszugriff entwickelt werden. Zudem kann nun auch ermittelt werden, ob Sie Zugang zu allen benötigten kritischen Daten haben, die den verbesserten Entscheidungsprozess unterstützen sollen.
Stellen Sie zweitens sicher, dass die ins Auge gefasste kognitive Lösung auch dazu in der Lage ist, den anvisierten Geschäftsnutzen zu erzielen oder die adressierten Probleme zu beseitigen. Binden Sie die internen Fachleute des betroffenen Sachgebiets ein, die richtigen Entscheidungsträger und Beratungspartner, um die richtigen Anwendungsfälle zu entwickeln, die zu den gewünschten Ergebnissen führen. Stellen Sie sicher, dass Erfahrungen aus früheren Projekten in das Design einfließen. Als Hilfestellung für optimale Use Cases können Sie - sofern verfügbar - vordefinierte Einsatzszenarien nutzen, die bereits für Ihre Kollegen in der Branche entwickelt wurden. Fortlaufende Innovation und Prototyping sollten Bestandteil des Prozesses sein, bis der passende Anwendungsfall ausgerollt wurde.
Drittens sollten Sie die Experten der Fachgebiete in die Prozesse für Design und Implementierung der Einsatzszenarien mit einbeziehen. Das Ziel dabei ist es, die Erwartungen realistisch und realisierbar zu halten. Binden Sie zu diesem Zweck sowohl Business- als auch das IT-Management in unterschiedlicher Intensität je nach Projektphase mit ein. Zu Beginn sind es die Sach-Experten, die festlegen, was für den Einsatz kognitiver Systeme erforderlich ist. Um bei den Zielen Kontinuität zu gewährleisten, sollten einige davon auch bei der Implementierung der Systeme durch die IT oder durch externe Dienstleister mit an Bord bleiben. Dem entsprechend sollte die IT von Anfang an einbezogen sein. Jedoch sollte die IT bis zum konkreten Beginn der Implementierung nicht die Führungsrolle übernehmen.
Zu guter Letzt sollten Sie Plattformen für kognitive Systeme dazu nutzen, eine Wissensbasis für den Einsatz der kognitiven Systeme zu schaffen. Gemäß der weiter oben erwähnten Definition erfordert die Entwicklung dieser Plattformen die Nutzung unstrukturierter und semistrukturierter Informationen, um eine kuratierte Informationsbasis und Wissensabbildung zu schaffen. Das Kuratieren erfordert ein gewisses Maß an Expertise und Kontextwissen. Übertragen Sie diese Aufgabe also besser nicht an die jüngsten Nachwuchstalente. Dieser Punkt ist besonders wichtig, damit die Daten entsprechend verwaltet werden, um ungenaue Resultate zu vermeiden. Fassen Sie zu Beginn erfahrene Mitarbeiter der Fachbereiche ins Auge. Anschließen kann zum Beispiel ein halbjährlich rotierendes System eingeführt werden, dass alle Unternehmensbereiche umfasst, die mit den kognitiven Systemen arbeiten werden.
So starten Sie Ihr Cognitive-Projekt
Das sollten Sie sofort tun: Identifizieren Sie die wichtigen Entscheidungsträger und Geschäftsprozesse oder Funktionen für kognitive Systeme. Nutzen Sie die Gedanken dieses Papiers, um die Unterstützung für die nächsten Schritte zu erlangen. Gehen Sie auf dem Weg hin zu kognitiven Systemen erst weiter, wenn der CEO das Projekt einem Fachbereich verantwortlich zur Implementierung zugewiesen hat. Unterschwellig werden kognitive Systeme oft als Einstieg in den umfassenden Abbau von Arbeitsplätzen wahrgenommen. CEOs müssen sich aktiv mit dieser Befürchtung auseinandersetzen und deutlich machen, in welchem Rahmen derartige Initiativen die Arbeitsplätze stärken oder diese ersetzen. Das sind Basistugenden des Change Managements. Trotzdem ist es sehr wichtig, dass alle Mitarbeiter den klaren und zwingenden Grund für diese Veränderung verstehen.
Innerhalb eines Monats: Treffen Sie eine engere Auswahl möglicher Dienstleister für die Implementierung. Nehmen Sie mit diesen informelle Gespräche über die geplanten Ergebnisse auf, die Sie sich von kognitiven Systemen erwarten. Entscheiden Sie auf Basis der Rückmeldungen, ob und gegebenenfalls wie Sie Ihre Planung anpassen sollten. Selbstverständlich sollte dieser Ratschlag für Behörden und andere Organisationen der öffentlichen Hand an die bestehenden Beschaffungsregularien angepasst werden. Umfasst das Projekt mehrere kognitive Systeme, sollten Sie diese in eine passende Abfolge bringen. Es ist in Ordnung, mit einem kleinen Projekt oder mit mehreren Projekten zu beginnen. Stellen Sie jedoch sicher, dass alle Anstrengungen zu einem kohärenten Ganzen führen.
Innerhalb von drei Monaten: Wählen Sie Ihren bevorzugten Service-Provider und alle weiteren notwendigen Dienstleister aus. Für die Vertragsgestaltung empfiehlt IDC, dass sich alle Zahlungen an die beteiligten Dienstleister erfolgsabhängig an Ihren durch das Projekt erreichten Geschäftsnutzen orientieren. Diesen haben Sie als Teil des Business Case für die Implementierung kognitiver Systeme festgelegt. Auch, wenn das nicht für alle anfallenden Kosten funktionieren wird: Sie sollten dennoch darauf achten, dass dieser Posten auf der Rechnung groß genug ist, um die Interessen Ihres Unternehmens zu wahren und die Motivation der ausgewählten Dienstleister zu fördern.