4G-Mobilfunktechnik

Warten auf LTE

22.02.2010 von Manfred Bremmer
Geht es um die Marktreife der schnellen Mobilfunktechnik Long Term Evolution, klaffen die Vorstellungen der verschiedenen Parteien um Jahre auseinander.

Dank mobiler Geräte wie dem Apple iPhone sehen sich viele Carrier inzwischen wie Goethes Zauberlehrling, der die Geister, die er rief, nicht mehr loswurde: Nachdem sie jahrelang auf eine Auslastung ihrer mobilen Datennetze gewartet hatten, drohen diese allmählich aus allen Nähten zu platzen. Um dem drohenden Datenkollaps zu entgehen, planen die Mobilfunkbetreiber hohe Investitionen. So hat allein der amerikanische Carrier AT&T angekündigt, in den kommenden Jahren rund vier Milliarden Dollar in den Netzausbau zu stecken. Im Visier haben AT&T und andere Carrier dabei vor allem die 3,9G-Mobilfunktechnik LTE (Long Term Evolution). Diese verspricht - zumindest unter Laborbedingungen - eine Bandbreite von bis zu 300 Mbit/s.

Viele Fragen offen

Wann die Technik tatsächlich einsatzbereit sein wird, ist nur schwer einzuschätzen. Was die LTE-Chipsätze angehe, hätten die Hersteller ihre Hausaufgaben gemacht, erklärte Thomas Nindl, Director Business Development beim Chiphersteller Qualcomm, im Gespräch mit der COMPUTERWOCHE. Alle einschlägigen Hersteller seien dabei ähnlich weit, wobei man auf dem diesjährigen Mobile World Congress jedoch nur Dongles, PCMCIA-Karten oder integrierte Lösungen sehe. LTE-fähige Mobiltelefone seien erst der nächste Schritt. Als wichtiger Aspekt müsse vor der Einführung noch geklärt werden, welche Frequenzen für LTE zum Einsatz kommen. Allzu unterschiedlich dürften sie im weltweiten Kontext nicht ausfallen, da man auf einem Chipsatz insgesamt nur zirka fünf unterschiedliche Frequenzbänder zur Verfügung stellen könne, bemerkte Nindl.

Hersteller wie LG stellten auf dem Mobile World Congress 2010 bereits erste LTE-Modems vor - allerdings nur für einen Frequenzbereich.
Foto: LG

Beim Netzausrüster Motorola ist Ähnliches zu vernehmen. Nachdem im Vorjahr in Barcelona noch LTE-Testfahrten stattgefunden hätten, gehe es nun um das Ausrollen der Dienste, erklärte Tom Gruba, Senior Marketing Director Wireless Broadband, LTE & Wimax. LTE sei kurz vor dem Start, auch wenn Details wie die Frequenzen noch unklar seien. Danach könne es aber sehr schnell gehen. Gruba untermauerte seine Aussage mit dem Verweis auf den Kunden Zain Networks, der bereits im zweiten Quartal 2010 LTE in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad ausrollen wolle. China Telecom wiederum plane den Launch von TD-LTE zum Beginn der Shanghai Expo im Mai. Bis Oktober sollten dabei 2000 Nutzer mit passenden Dongles ausgestattet werden.

Wann die ersten LTE-Rollouts in Deutschland kommen, sei schwer vorherzusagen, kommentierte Martin Löhlein, Geschäftsführer von Keynote Sigos, einem Anbieter von Mess-Equipment für Mobilfunkbetreiber. Anfragen für Geräte zur Simulation von LTE-Clients gebe es hierzulande schon. Bei Nachfragen, wann die Technik denn ausgerollt werden solle, seien die Carrier jedoch noch zögerlich.

Tag der Entscheidung ist hierzulande vermutlich der 12. April. An diesem Tag will die Bundesnetzagentur ein mit der Umstellung der Rundfunktechnik von Analog- auf Digitalfunk frei gewordenes Frequenzband von etwa 60 Megahertz im Bereich von 790 bis 862 Megahertz versteigern. Aus Sicht von René Schuster, Chef von O2 Deutschland, findet die Auktion damit mindestens zwei Jahre zu früh statt. Zwar sei LTE längerfristig gesehen die richtige Technologie für die Zukunft, so Schuster in einem Interview mit der Messezeitung "MWC Daily". Es könnten jedoch zwei bis drei Jahre vergehen, bis die Technik kommerziell nutzbar sei.

Vorteile von LTE

Wesentlicher Vorteil von LTE ist die bessere Latenzzeit, da der Aufbau reiner IP-Netze möglich ist und damit weniger Zwischenstationen erforderlich sind. Außerdem besteht die Hoffnung, dass die Carrier Business-Nutzern endlich Quality of Service (QoS) oder sogar echte Service-Level-Agreements (SLAs) anbieten. Dies, aber auch die verfügbare Bandbreite für den Mobilfunknutzer, liegt künftig noch stärker im Ermessen des Betreibers, der verschiedenste Parameter für sein Netz festlegen kann. Bereits jetzt wird die Bandbreite nicht so freizügig vergeben, wie weithin angenommen wird. So berichtete Keynote-Sigos-Chef Löhlein, dass die Mobilfunk-Carrier den Durchsatz drosselten, wenn Nutzer über längere Zeit größere Datenmengen abriefen. Das sei kein Geheimnis, sondern stehe sogar in den Vertragsbedingungen der Carrier.

Und auch mit der Nachfolgetechnik LTE Advanced wird Bandbreite im Mobilfunk vermutlich weiterhin wohlfeil sein - zumal das Potenzial der Technik hierzulande kaum ausgereizt werden kann. So treffe es zwar zu, dass mit LTE Advanced bis zu 1 Gigabyte/s Bandbreite erreicht werden können, bestätigt James Rankin, Product Manager des auf Test-Equipment spezialisierten Anbieters Ixia. Weniger bekannt sei jedoch, dass dieser Wert erst im Multi-Carrier-Betrieb mit einem Frequenzbereich von insgesamt 100 Megahertz möglich wird. Zur Erinnerung: Bei der geplanten Frequenzversteigerung stehen im attraktiven 800-Megahertz-Spektrum lediglich drei der zum effizienten und damit wirtschaftlichen Betrieb notwendigen Doppelblöcke à 10 Megahertz zur Verfügung. Um diese buhlen zudem alle vier bestehenden Mobilfunkbetreiber T-Mobile, Vodafone, o2 Germany und E-Plus.