Von Vista nach Vienna: der kurze Weg ins Ungewisse

29.11.2006
Während Microsoft die neueste Ausgabe seines Desktop-Betriebssystems feiert, bezweifeln Kritiker die Zukunft von Windows. Firmenchef Steve Ballmer verspricht kürzere Update-Zyklen, weiß aber nicht, wie die nächste Version aussehen soll.

Anlässlich des offiziellen Launch des XP-Nachfolgers sieht sich Microsoft erneut mit Einwänden konfrontiert, die seit den Anfängen des kommerziellen Web vorgebracht wurden. Während jedoch die Visionen der Dotcom-Ära noch in weiter Ferne schienen, muss der Software-Riese heute gegen mächtige Web-Companys bestehen. Das zur Jahrtausendwende gerne prognostizierte Ende des Desktop-Computing ist zwar nicht eingetreten, vielmehr fährt Microsoft mit seinem Monopol höhere Gewinne ein denn je. Dennoch ist Microsoft-Offiziellen bewusst, dass in den nächsten Jahren eine reine Produktpflege wie bei Vista nicht mehr reichen wird. Das neue Windows kommt fünf Jahre nach XP auf den Markt und bringt keine bahnbrechenden Neuerungen (siehe: "Windows Vista: Die Revolution findet nicht statt").

"Es wird nie wieder eine Fünf-Jahres-Lücke in unseren Flaggschiffprodukten geben".

Angesichts des Distributionsmodells von Software, das im Web üblich ist, erscheinen mehrjährige Update-Intervalle als eine halbe Ewigkeit. Während Google, Yahoo oder Ebay neue Funktionen über Nacht einspielen und diese den Anwendern sofort zur Verfügung stehen, folgt Windows noch dem traditionellen Ansatz: Eine aus Millionen von Zeilen Quellcode bestehende Software muss insgesamt einen Qualitätsstandard erreichen, der für den produktiven Einsatz erforderlich ist. Sie wird auf CDs und DVDs gepresst ("Release to Manufacturing") und über die herkömmlichen Vertriebswege ausgeliefert.

Steve Ballmer wiederholte nun gegenüber Finanzanalysten seine Ankündigung, dass die wichtigsten Produkte des Unternehmens zukünftig in kürzeren Intervallen erscheinen würden. Angeblich arbeiten die Redmonder an neuen Entwicklungsprozessen, die komplexe Projekte beschleunigen sollen. Laut Wall Street Journal plant Microsoft die schon oft geforderte Modularisierung des Betriebssystems, so dass einzelne Komponenten separat ausgeliefert werden können.

Web-Dienste gegen Windows


Neue Entwicklungsmethoden und partielle Updates entheben Microsoft indes nicht der Aufgabe, den Kurs für seinen Goldesel neu zu bestimmen. Die Notwendigkeit dafür entspringt jedoch nicht nur der Konkurrenz durch schnellere Web-Companys, die viele herkömmliche Desktop-Aufgaben wie Textverarbeitung, Tabellenkalkulation oder Fotoverwaltung in das Web verlagern. Microsoft selbst bemüht sich selbst mit seinen "Live"-Ambitionen, den Anschluss an Google & Co. nicht zu verpassen. Dabei setzen die Redmonder auf ihre Marken Windows und Office. Allerdings handelt es sich bei "Windows Live" keineswegs um ein Web-Betriebssystem, sondern zum Großteil um Dienste, die es schon unter MSN gab (Suche, Mail, Wetter, Aktienkurse, etc.).

Besonders in diese Online-Services möchte Microsoft das zusätzlich eingeplante Budget für Forschung und Entwicklung stecken. Eine führende Rolle spielt dabei der Erfinder von Lotus Notes und jetzige Chief Software Architect Ray Ozzie. Beobachter sehen eine Rivalität zwischen dieser Abteilung und konservativeren Vertretern des Windows-Lagers. Wie der Vista-Nachfolger mit dem Codenamen "Vienna" aussehen wird, hängt wesentlich davon ab, wie sehr Microsoft sein Desktop-Betriebssystem als Internet-Software definiert. Simples Bundling von Messaging-Software und Web-Browser mit Windows dürfte nicht die Antwort auf diese Frage sein. Alternative Konzepte muss Microsoft aber offenbar erst ersinnen - obwohl Ballmer kürzere Update-Zyklen für Windows versprach, konnte er über die Pläne für Vienna keine Angaben machen. (ws)