Automation by Default

Von Process Mining zu RPA

28.04.2020 von Oliver Laitenberger  
Die steigende Akzeptanz von Robotic Process Automation rührt von der Möglichkeit her, mit RPA Prozessverbesserungen zu erzielen - ohne die üblichen Kopfschmerzen, die große Technologieprojekte verursachen. Trotzdem bleibt Kritik nicht aus.

RPA wird oft als Brückentechnologie bezeichnet und eine kurze Lebensdauer in Unternehmen beschieden. Wie das Beispiel Excel-Makros zeigt, kann die Lebensdauer solcher Übergangslösungen allerdings schnell Dekaden betragen. Deshalb ist es an der Zeit, um sich über die zukünftige Stoßrichtung des RPA-Einsatzes in Unternehmen Gedanken zu machen und ihn gegebenenfalls nachhaltig zu organisieren.

RPA eignet sich gut für bislang manuell ausgeführte Aufgaben, die sehr wenig menschliches Urteilsvermögen, aber ein hohes Volumen an Klicks und Tastenanschlägen erfordern.
Foto: Nomad Soul - shutterstock.com

RPA als Puzzlestein der Automationsstrategie

Die fehlende Ende-zu-Ende-Automation und die Heterogenität heutiger IT-Landschaften haben oft neue manuelle Aufgaben eingeführt, die sehr wenig menschliches Urteilsvermögen erfordern, aber ein hohes Volumen an Klicks und Tastenanschlägen notwendig machen. Diese Verschwendung von Ressourcen durch einen manuellen Übertrag können sich Unternehmen in Industrienationen kaum mehr leisten. Sie müssen diese über kurz oder lang automatisieren. Warum also nicht die manuelle Arbeit in IT-Systemen durch Bots (sprich RPA) ersetzen? Als erste Unternehmen damit starteten, repetitive Arbeit zu eliminieren, wurden die Einschränkungen von RPA sehr schnell deutlich:

  1. Die Aufgaben, die RPA automatisiert, erfordern in "größeren" Geschäftsprozessen die Koordination von mehreren Personen oder Funktionen.

  2. Inmitten dieser Prozesse sind oft Entscheidungen erforderlich. Beispielsweise kann die Finanzabteilung bei der Bearbeitung einer Rechnung eines Lieferanten jemanden benötigen, der die Rechnung genehmigt, bevor sie die Zahlung plant.

RPA kann mittlerweile die Eingabe der Informationen in ein System automatisieren und diese Routinearbeit vermeiden. Heutige Bots sind auch schon in der Lage, die Genehmigungsprozesse zu steuern und zu verwalten.

RPA - wenn dann richtig!

Neben RPA gibt es natürlich auch noch Workflow-Lösungen beziehungsweise ganzheitliche Unternehmenslösungen. Viele der traditionellen Anbieter von Unternehmenssoftware erweitern ihre Anwendungen um Automatisierungsfunktionen. Die Einführung respektive Modernisierung ist jedoch in vielen Fällen mit Zeit und Geld verbunden. Zusätzlich stehen Unternehmen weiterhin vor der Herausforderung, mehrere unterschiedliche Systeme und Funktionen miteinander zu verbinden. Die Entscheidung ist also nicht "entweder oder" sondern "sowohl als auch".

Robotic Process Automation ist eine Technologie, mit deren Hilfe man über den "Desktop" die Automation in Unternehmen voranbringen kann. Praktisch alles, was im Unternehmen manuell passiert, kann als möglicher Automationskandidat identifiziert werden. In den nächsten zehn Jahren wird jedes Unternehmen die gesamte Arbeit überdenken - was von wem getan wird und wann es gegebenenfalls automatisiert werden soll und kann.

Stimmen zum Round Table Process Mining und RPA
Constantin Wehmschulte, Mehrwerk AG
„Process Mining ist die Basistechnologie als Enabler für die digitale Transformation. Die Unternehmen sammeln viel mehr Daten als noch vor zehn Jahren. Wenn diese Daten durch Process Mining nutzbar gemacht werden, um Erkenntnisse für Prozessoptimierungen zu generieren, ist das eine Mega-Chance für Unternehmen. Dafür sollten sie am besten agil starten, schlank in einzelnen Bereichen anfangen und das Ziel verfolgen, eine unternehmensweite Process-Mining-Plattform zu etablieren, um die Daten im Fachbereich nutzen zu können.“
Jannis Eißen, Capgemini
„Bei vielen Unternehmen ist noch jede Menge Potenzial für Process Mining vorhanden. Die Wertschöpfungsketten werden immer komplexer, vor- oder nachgelagerte Player werden integriert, und in großen Konzernen kann man das nicht im Kopf haben oder sich einbilden, dass man das in zwei Tagen Roundpaper Workshops mal eben schnell hinschreibt und dann weiß, wie die Realität funktioniert. Deshalb ist Process Mining unabdingbar.“
Alexandros Vassiliadis, Celonis
„Process Mining ist eine Grundlage, die es ermöglicht, in verschiedene andere Bereiche einzusteigen wie zum Beispiel RPA und KI. Das Wichtigste zur Umsetzung ist, dass der Fachbereich möglichst früh abgeholt wird. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass im Austausch mit dem Fachbereich die Anwendungsideen förmlich sprudelten, während der Dialog mit der IT eher von Zielen geprägt war als von Anwendungen.“
Milad Safar, Weissenberg Group
„Das Angebot an Software hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. So eine Dynamik gab es schon lange nicht. Allein schon, weil jede Woche eine neue Applikation veröffentlicht wird, die bessere Funktionen besitzt als meine aktuelle Software, tendieren Unternehmen dazu, weitere Applikationen in ihre Systemlandschaft einzubetten. Insbesondere dann, wenn sich heutige Unternehmen für ein CRM-System in Bereich A entscheiden und morgen in einem anderen Bereich ein anderes einsetzen, kommt die interne IT häufig mit der Verbindung der Basissoftware an die neuen Systeme nicht mehr hinterher. Solche Herausforderungen meistert man wunderbar mit RPA.“
Walter Obermeier, UiPath
„Process Mining heißt: Wo stehe ich mit meinen Prozessen heute? Mit RPA gehe ich einen Schritt weiter: Was kann ich heute schnell und agil tun, um für morgen fit zu sein? Es gibt kein besseres Tool, wenn es darum geht, mit wenigen persönlichen Ressourcen das Optimum rauszuholen. Natürlich muss ich auch in Zukunft meine alten Legacy-Systeme warten, aber schnell auf Veränderungen reagieren zu können geht eben mit agiler IT/RPA am besten. Von daher lautet mein Rat an Unternehmen: Egal ob klein oder groß – just do it. Wer es nicht macht, wird von den Wettbewerbern, der es machen, überrollt.“
Roman Schäfer, Reply
„Die IT wird sich einen großen Gefallen tun, wenn sie RPA ein Stück weit als Enabler sieht, als Unterstützer ihrer eigenen Transformation. Der Ansatz „Wenn schon Automatisieren, dann richtig“ kommt ja aus einem Hemmnis heraus. Die größten Herausforderungen der Digitalisierung liegen in der Geschwindigkeit, die Unternehmen heute immer noch nicht aufgenommen haben, um die Digitalisierung schnell genug voranzutreiben. Ein Perspektivenwechsel der IT würde aufzeigen, welche zusätzlichen Kapazitäten sie durch RPA gewinnen kann. Eine agile Unterstützung von RPA würde die Digitalisierung an vielen Stellen schneller werden lassen.“
Tobias Rother, Process Analytics Factory GmbH
„Process Mining wird eine Standardmethode werden, mit der man Prozesse erhebt und aufnimmt, die in jedem Unternehmen stattfinden. Wir reden immer vom digitalen Arbeitsplatz, aber der Anteil an Analytik, der dort ankommt, ist viel zu gering. Process Mining ist ein Mittel zum Zweck, um Analytik aus den Geschäftsprozessen dorthin zu bringen, wo Prozessfehler entstehen, um sie dann zu beheben.“
Tobias Beuckes, Horvath & Partners
„Automatisierung ist eine Art Reise, beginnend mit RPA als Fundament, darauf aufbauend dann intelligentere Lösungen wie kognitive Automation und Digital Assistants. Noch ist Automatisierung ein Wettbewerbsvorteil, wird aber irgendwann zum Standard werden. Wenn ich jetzt das Fundament RPA verpasse, verpasse ich auch die Folge. Vor allem, weil die Interaktion der verschiedenen Technologien das Thema der Zukunft sein wird.“

Process Mining meets Robotic Process Automation

RPA ist eine einfache Automatisierungsmethode, welche nah am Endanwender ist. Auch hier gilt: Ohne Fleiß kein Preis - der Roboter muss für seine Aufgaben erst konfiguriert werden. Dies setzt jedoch oft detailliertes Prozesswissen voraus. Nicht selten sind die zu Grunde liegenden Prozesse im Vorfeld zu optimieren. Ein schlechter digitalisierter Prozess bleibt ein schlechter Prozess.

Hier leistet das Process Mining seine Dienste. Process Mining unterstützt Unternehmen bei der Erfassung des Ist-Zustand der Prozesse, indem detaillierte Informationen über den Prozess und die Prozesskennzahlen bereitgestellt werden. Process Mining liefert darüber hinaus die Basis, um den Erfolg einer RPA-Einführung zu überprüfen und messbar zu machen.

Process Mining hilft aber nicht nur bei der Auswahl geeigneter RPA-Kandidaten, in dem es detaillierte Informationen, beispielsweise zum Automatisierungs- und Standardisierungsgrad der Prozesse liefert. Es können auch während der RPA-Einführung Kennzahlen wie Durchlaufzeiten, Kosten und Variantenanzahl, miteinander verglichen werden. Anhand dieser Vergleiche lässt sich transparent und einfach erkennen, ob die Einführung von RPA die gewünschten Ergebnisse erzielt.

PM/RPA-Center of Excellence etablieren

Process Mining und RPA sind keine reinen Technologiethemen. Der Erfolg liegt in der Orchestrierung von fachlichem Prozesswissen, Datenkompetenzen und dem Wissen bezüglich des Einsatzes dieser Technologien. Viele Unternehmen haben den ersten Schritt einer Verprobung bereits absolviert und stehen nun vor der Herausforderung der Skalierung. Die Skalierung umfasst das volle Spektrum an Fragen zu Governance, Prozessen, Strukturen bis hin zu erforderlichem Aufbau von Kompetenzen und Kapazitäten. Dieses mündet oft im Aufbau eines PM/RPA-Center of Excellence. Dieses agiert dann als Dreh- und Angelpunkt von RPA-Themen. Denn eins ist sicher: Auch ein Roboter bedarf der kontinuierlichen Pflege und Wartung, damit der Nutzen dauerhaft und stetig ist. (mb)