Ausblick

Vom Smart Meter zum Home-Management

13.04.2010 von Helge  Meyer
Bereits in wenigen Jahren könnte das intelligente Verwalten von Haushaltsgeräten per Handheld zum Alltag gehören.
Intelligente Stromzähler (Smart Meter) sind nur der erste Schritt in Richtung Internet der Energien.

Die diesjährige Osterpredigt hat länger gedauert, und der Lammbraten im heimischen Backofen war hinterher verkohlt? Alexander Weinmann passieren solche Missgeschicke nicht mehr. Der Hobbykoch kann seinen Backofen per Home-Management aus der Ferne über sein Smartphone regulieren und die Temperatur anpassen.

So oder ähnlich könnte in wenigen Jahren Home-Management tatsächlich aussehen. Neben den Hitzegraden in ihrem Backofen könnte Familie Weinmann ihren kompletten Haushalt aus der Ferne steuern - von der Waschmaschine und dem Trockner über die Temperaturregelung der Sauna oder des Wasserbettes bis hin zur Gartenbewässerung. Verwaltet wird alles über einen zentralen Server, den Multi Utility Server (MUS), der von mehreren externen Geräten angesteuert werden kann. Ob via Smartphone, PC oder schnurloses Telefon ist dabei egal.

Seit 1. Januar werden Strom- und Gasverbrauch registriert

Seit dem 1. Januar 2010 müssen in allen Neubauten und komplett sanierten Gebäuden intelligente Zähler - Smart Meter - installiert sein. Sie sammeln Verbrauchsdaten von Strom und Gas, die als regulierte Versorgungsmedien gelten. Wasser- und Wärmedaten können ebenfalls mit Smart Metern gemessen werden. Die Daten lassen sich über eine grafische Benutzeroberfläche darstellen. Dadurch können Verbraucher erstmals ihren Energiekonsum direkt erkennen und so wesentlich besser als bisher in ihrem Haushalt Einsparpotenziale ausfindig machen. Herzstück des Smart Metering ist der MUS. Er sammelt die Daten und stellt sie unterschiedlichen Abfragemechanismen zur Verfügung. Neben dem Daten-Management für das Smart Metering hostet der Server in Zukunft auch den Zugriff auf andere Applikationen, die unter das Home-Management fallen.

Bisher diskutiert die Branche jedoch noch Fragen der Schnittstellen und Kompatibilität. Zurzeit existieren viele unterschiedliche Lösungen am Markt, und keines der bisher verwendeten Signal- und Datenübertragungsprotokolle konnte sich als Standard durchsetzen. Dabei gibt es bereits eine akzeptierte, weit verbreitete und nicht proprietäre Technologie: Die IP-basierende Kommunikation ist offen, herstellerunabhängig und massenmarktfähig.

Server erkennen neue Geräte und helfen bei der Installation

Mit Hilfe der IP-Kommunikation könnte der MUS alle Geräte eines Haushaltes verwalten, ähnlich wie wir es vom Anschluss eines neuen Druckers an einen PC kennen. Auch dort erkennt das Betriebssystem eigenständig ein neues Gerät und begleitet den Nutzer bei der Einrichtung. Genauso könnte in Zukunft der Multi Utility Server neue Geräte erkennen und den Zugriff auf die Applikation verwalten. Jedes kommunikationsfähige System wird von ihm dann automatisch integriert. Die Server sammelt die Informationen der angebundenen Geräte, indem er die Daten Browser-fähig zur Verfügung stellt. Voraussetzung ist, dass alle Hersteller von Elektrogeräten eine IP-Kommunikation integrieren und zum Standard machen.

Genau wie mit der Verbreitung des iPhone ein riesiger Markt an Apps entstanden ist, könnte sich in Zukunft ein Applikations-Markt für Home-Management entwickeln. Im App Store gibt es bisher rund 140.000 verschiedene Applikationen. Die Zahl der Downloads soll bei rund drei Milliarden liegen. Und auch finanziell lohnen sich die kleinen Programme: So entwickelte beispielsweise eine amerikanische Pizzakette eine iPhone-App und erreichte innerhalb weniger Monate ein deutliches Umsatzplus. Insider schätzen, dass Apple mit dem Verkauf der Apps jeden Monat rund 200 Millionen Dollar umsetzt. Dies mag ein ausgeprägtes Beispiel sein, aber es zeigt das Potenzial: Der Bedarf an Apps für den Utility Server wäre bei rund 40 Millionen Haushalten in Deutschland immens.

Anbieter freuen sich auf neue Geschäftsmodelle

So könnte Alexander Weinmann neben seinem Haushalt auch den seiner Mutter und deren Gesundheitszustand via Handy kontrollieren. Die alte Dame könnte weiterhin ein selbstbestimmtes und eigenständiges Leben führen. Ihr Sohn könnte via Smartphone auf die Steuerung ihrer Elektrogeräte zugreifen oder auch die wichtigsten Vitaldaten seiner Mutter beobachten. Werden bestimmte Werte überschritten, schlägt das Handy sofort Alarm. Dies ist keine Science Fiction, entsprechende Lösungen befinden sich in Deutschland bereits in der Erprobungsphase.

Wie ein Dirigent ein Orchester leitet, so managt in Zukunft der Multi Utility Server das Haus. Er verwaltet herstellerübergreifend alle ihm zur Verfügung gestellten Dienste. Dies kann sowohl lokal als auch mittels Integration in weiterführende Web-Services wie zum Beispiel Twitter, MeinStadtwerk.de, Facebook oder MeineDienste.de geschehen. Mit der Lösung könnte der Nutzer seine Wohnung zum Bestandteil des Social Web machen, indem er Dienste wie Twitter oder Facebook nutzt. Bestimmte Dienstleister könnten Sonderrechte bekommen. So hätte ein Sicherheitsdienst Zugriff auf die Applikation Alarmanlage, und der Kundendienst eines Elektroherstellers könnte vorab eine Diagnose des defekten Backofens erstellen. Welche Dienste genutzt werden und für wen, muss natürlich immer in der Entscheidung und in der Verantwortung des Verbrauchers liegen. Er entscheidet, welche Daten das Haus verlassen dürfen und welche nur lokal benötigt werden. Selbstverständlich müssen alle Daten, die zu externen Kommunikationspartnern übertragen werden, die Anforderungen der Informationssicherheit erfüllen.

Jedes Elektrogerät braucht eine Applikation - oder mehrere

Mit dem Applikationsmarkt würden sich nicht nur für etablierte Anbieter wie Versorger, Wartungsunternehmen oder Wohnungsbaugesellschaften Chancen für neue Geschäftsmodelle eröffnen. Vielmehr könnte ein komplett neuer Softwaremarkt entstehen. Programmierer könnten Tausende von Applikationen für Elektrogeräte entwickeln oder neue Dienste kreieren. Jeder Hersteller müsste für sein Produkt eine eigene Anwendung anfertigen und sein Gerät fit für Web-Services machen.

In welcher Weise eine Visualisierung im Browser stattfindet, hängt wiederum von der grafischen Benutzeroberfläche ab. Und je nach Anwendung wird es auch unterschiedliche Darstellungen und Logiken geben. So muss die Temperatur für einen Kühlschrank anders illustriert werden als die für einen Backofen. Und selbst dort wird man zwischen Dutzenden von Anwendungen unterscheiden: Der Lammbraten benötigt eine andere Hitze als der Rührkuchen oder der Kartoffelauflauf - entsprechend sinnvoll wäre eine jeweils eigene Darstellung. Es liegt in der Hand des Herstellers, diese Informationen sinnvoll aufzubereiten, in geeigneter Weise darzustellen und Folgeaktionen wie Alarme per SMS oder per Mail zu veranlassen.

Eines Tages könnten sich die Nutzer aus Tausenden von Anwendungen und Diensten ihre persönlichen Vorlieben einrichten, indem sie beispielsweise personalisierte Favoritenlisten nutzen: Das Einstellen des abendlichen Fernsehprogramms im Home Entertainment System, der Auftrag an den Pizza-Service oder das Vorheizen der Sauna werden dann vielleicht ganz oben in der Hitliste auftauchen.

Bedingung für den Massenmarkt: Bloß keine Handbücher

Damit das Internet der Dinge in den nächsten Jahren flächendeckend eingesetzt werden kann und Home-Management alle Bevölkerungsschichten erreicht, müssen die Nutzer Anwendungen schnell, einfach und intuitiv bedienen und individuell anpassen können, ohne ein Handbuch zu lesen oder komplizierte Programmierkenntnisse zu erwerben. Nur wenn den Verbrauchern Home-Management Spaß macht und sie einen Nutzen daraus ziehen, werden sich die ferngesteuerten Anwendungen in der Praxis durchsetzen und ein neuer Milliardenmarkt entstehen. (hi)