Servervirtualisierung

VMware vSphere 6 - die Neuerungen im Detail

29.05.2015 von Thomas Drilling
Die Virtualisierungslösung vSphere von VMware liegt in der Gunst der Nutzer noch deutlich vor der Konkurrenz Hyper-V von Microsoft. Mit der vSphere-6-Version will der Virtualisierungsspezialist neue Maßstäbe setzen. Doch genügen die Neuerungen, um VMwares Marktführerschaft bei der Servervirtualisierung weiter auszubauen?

VMware hat bereits im Sommer 2014 auf seiner Hausmesse VMworld interessante Details zur kommenden vSphere-Version 6 verlauten lassen. Da bei VMware rückblickend rund sechs Monate zwischen Testversion und Release liegen, ist in den nächsten Wochen mit der neuen vSphere-Version 6 zu rechnen. Genügen die Neuerungen, um VMwares Position als Marktführer bei der Servervirtualisierung zu festigen?

Schaut man auf die Marktanteile, rangiert vSphere in der Nutzergunst zwar deutlich vorn, doch die Konkurrenz holt mit Riesenschritten auf, allen voran Microsoft mit Hyper-V. Die Redmonder unterstützen wechselwillige Unternehmen offenbar massiv mit Know-how und kostenlosem Support. Für lukrative Migrationsprojekte werden sogar Fachleute aus den USA eingeflogen, um Umsteiger mit bestmöglichen Ergebnissen bei einem Wechsel zu Hyper-V zu unterstützen. Daran lässt sich ablesen, welchen Stellenwert die Themen Cloud und Virtualisierung, respektive Azure und Hyper-V bei Microsoft, bei allen großen IT-Playern derzeit genießen.

Dass dieses Jahr eine neue Windows-Server-Version 10 einschließlich einer neuen Hyper-V-Version (NextGen) erscheint und Citrix gerade die neue Version 6.5 seines XenServer mit interessanten Neuerungen veröffentlicht hat, setzt VMware weiter unter Druck und steigert die Erwartungen an vSphere 6.

vSphere 6
Long Distance vMotion
Neu unter vSphere 6 ist auch, dass vMotion nicht mehr nur zwischen Hosts arbeitet, die am selben Distributed vSwitch hängen.
Long Distance vMotion
Mit vSphere 6.0 sich VMs künftig auch über die Grenzen von Datencentern und vCentern hinweg verschieben lassen.
Virtual Volumes
Bei Virtual Volumes handelt es sich um eine Technologie, die Software-Defined Storage in SAN- und NAS-Arrays erlaubt. Das Feature zeigt virtuelle Festplatten an, als handele es sich um native Storage-Objekte und ermöglicht detaillierte Array-gestützte Operationen auf der Ebene virtueller Festplatten.
Fault Tolerance for SMP
Ebenfalls neu ist, dass sich VMwares HA-Implementation Fault Tolerance (FT) ab vSphere 6 nicht mehr auf VMs mit einer vCPU beschränkt.

vSphere-Client neu aufgelegt

Nutzer des nativen vSphere-Clients - das sind vor allem kleine Unternehmen, die einen einzelnen ESXi-Host ohne vCenter betreiben - dürfen sich freuen. Nachdem VMware die Weiterentwicklung des C#-Clients zugunsten des nur im Zusammenhang mit einem vCenter-Server verfügbaren Web-Clients mit der Version 5.1 eingefroren hatte, mussten Betreiber kleiner Virtualisierungsumgebungen entweder mit dem verminderten Funktionsumfang leben oder zur Kommandozeile greifen. Inzwischen ist es aber auch bis zu VMware durchgedrungen, dass der Web-Client nicht durchweg auf Gegenliebe stößt. Sicher war dieser bei seinem Erscheinen ein faszinierendes Stück Software und seiner Zeit voraus. Heute erweist sich das Flash-basierte Design aber als Pferdefuß. Es macht den Web-Client nicht nur träge, sondern auch in vielen Szenarien nicht vernünftig einsetzbar. Zudem wird der Web-Client vom einen oder anderen Systemverwalter aus Sicherheitsgründen eher skeptisch beäugt. Auf lange Sicht wird VMware nur mit einem modernen HTML5-Client wieder Boden gut machen können. Ein solcher wird mit vSphere 6 allerdings definitiv nicht kommen, zu viel hat VMware in den bisherigen Client investiert.

Dafür will VMware den C# Client für Windows entgegen ursprünglichen Planungen auch mit vSphere 6.0 noch ausliefern, und zwar mit überarbeitetem Funktionsumfang. Dass die jetzige Version 5.5, die wie beschrieben funktional auf dem Stand von 5.1 ist, zum Beispiel keine Version-10-VMs anlegen oder bearbeiten kann, ist vielen Admins ein Dorn im Auge. Diese Einschränkung soll mit der neuen, definitiv letzten Version 6.0 des vSphere-Clients der Vergangenheit angehören.

Neuer Platform Services Controller

Neben den funktionalen Erweiterungen soll vSphere 6.0 mit dem Platform Services Controller (PSC) ein neues Modul erhalten, in dem eine Reihe grundlegender Basisfunktionen zum Betrieb einer vSphere-Umgebung zusammenfasst sind. Dazu gehören zum Beispiel auch das schon für vSphere 5.5 größtenteils neu entwickelte SSO, das das Verwalten eines vCenters im Active Directory ermöglicht, und eine zentrale Verwaltungsmöglichkeit aller VMware-Lizenzen sowie ein Sub-Modul zur Registrierung der einzelnen Produkte. Systemverwalter werden das neue Modul begrüßen, denn bislang erforderte das Verwalten von Zertifikaten viel Handarbeit, weil es nicht wirklich konsistent gelöst ist. Der neue PSC bringt eine eigene VMware Certificate Authority (CA) einschließlich Certificate Store mit. Die CA kann wahlweise eigene selbst zertifizierte Root-Zertifikate erstellen oder Zertifikate von anderen CAs verwalten. Sie stellt für jeden ESXi-Host ein Zertifikat zur Verfügung, wenn der Systemverwalter diesen einem vCenter hinzufügt

Virtual Datacenter

Bisher können Systemverwalter ihre vSphere-Umgebung mithilfe von Datacentern, Clustern, Ressourcen-Pools und Ordner strukturieren, wobei es sich bei den beiden Letztgenannten um logische Einheiten zum Gruppieren der virtualisierten Ressourcen handelt. Neben einer besseren Übersicht dienen Ordner und Ressourcen-Pools auch dem effizienten und gezielten Zuweisen von Ressourcen und Berechtigungen. In vSphere 6-0 führt VMware eine weitere logische Einheit, das Virtual Datacenter ein, quasi VMwares Software-Defined-Datacenter-Technologie. Diese fasst sämtliche Cluster, Storages, Netzwerke sowie dazugehörige Policies eines einzelnen vCenter-Servers zusammen und kann unter anderem eine neue VM in Abhängigkeit von ihren Eigenschaften automatisch initial auf einem der enthaltenen Cluster platzieren. Dazu muss allerdings DRS auf allen Clustern aktiv sein.

Virtual Volumes

Eine weitere, immer wieder angekündigte und mit vSphere 6 offenbar endlich eingeführte Neuerung hört auf den Namen Virtual Volumes (VVOL). Hierbei handelt es sich um eine Technologie, die Software-Defined Storage in SAN- und NAS-Arrays erlaubt. Das Feature zeigt virtuelle Festplatten an, als handele es sich um native Storage-Objekte, und ermöglicht detaillierte Array-gestützte Operationen auf der Ebene virtueller Festplatten. Allerdings wird das Feature Virtual Volumes unter Fachleuten seit Langem durchaus auch kontrovers diskutiert.

vMotion im WAN

Neben Virtual Volumes besteht die wichtigste Neuerung von vSphere 6 in einer Funktionserweiterung für vMotion, das künftig über die Grenzen von vCentern hinaus funktionieren soll.

Das Verschieben von Workloads im laufenden Betrieb auf einen anderen Host gehört vom Prinzip her zu den Key Features aller virtuellen Infrastrukturen. Die ersten Implementationen von VMware und Microsoft wiesen allerdings noch Einschränkungen auf, die von den Herstellern erst nach und nach von Version zu Version gelockert werden konnten. So bestand eine der anfänglichen Voraussetzungen darin, dass das Verschieben von laufenden VMs stets einen Cluster und Shared Storage voraussetzte. Erst mit vSphere 5.1 hat VMware Enhanced vMotion eingeführt, das einen Umzug von VMs zwischen zwei Host mit dem Feature Storage vMotion kombinierte. Microsoft hatte zu diesem Zweck mit Hyper-V 2012 die Funktion Shared Nothing Live Migration eingeführt.

Die bislang größte Einschränkung im Zusammenhang mit vMotion bestand allerdings darin, dass vMotion/Storage vMotion beziehungsweise Enhanced vMotion nur innerhalb der vorgegebenen Verwaltungseinheiten einer vSphere-Umgebung möglich war, also beispielsweise innerhalb eines Datacenters, das heißt zwischen im gleichen vCenter-Server verwalteten Hosts. Die Einschränkung betrifft im Wesentlichen große Unternehmen, die mehrere Rechenzentren betreiben, oder den Einsatz in hybriden Cloud-Umgebungen. Mit vSphere 6.0 soll auch diese Einschränkung wegfallen, sodass sich VMs künftig auch über die Grenzen von Datencentern und vCentern hinweg verschieben lassen. Neu ist zudem, dass vMotion nicht mehr nur zwischen Hosts arbeitet, die am selben Distributed vSwitch hängen.

Fault Tolerance für SMP

Ebenfalls neu ist, dass sich VMwares HA-Implementation Fault Tolerance (FT) ab vSphere 6 nicht mehr auf VMs mit einer vCPU beschränkt. Auch dieses Feature wurde von VMware schon mehrfach angekündigt. FT geht über das HA-Feature in einem vSphere-Cluster hinaus.

Details: Ebenfalls neu ist, dass sich VMwares HA-Implementation Fault Tolerance (FT) ab vSphere 6 nicht mehr auf VMs mit einer vCPU beschränkt.
Foto: VMware

Nutzer in Deutschland verstehen unter Hochverfügbarkeit in der Regel nämlich etwas anderes als das, was die US-Hersteller unter diesem Feature anbieten, also etwa den HA-Cluster bei vSphere. Geht es um das unterbrechungsfreie Ausführen von VMs, ist VMware FT das "härtere" Feature. Der Unterschied ist bedeutsam: Bei FT läuft auf einem Secondary Server die VM synchronisiert mit, belegt dort also aktiv Ressourcen. Bei einem Ausfall des primären Servers wird die VM unterbrechungsfrei vom Secondary übernommen. Bei HA wird die VM auf einem anderen Server neu gestartet, was einige Minuten dauern kann, bis der Dienst wieder verfügbar ist. Dafür ist die Maschine aber in einem crash-konsistenten Zustand. Daher erfordert FT das absolut synchrone Ausführen der gesicherten VM, damit diese bei einem Ausfall ohne Downtime sofort einspringen kann.

Allerdings ist das synchrone Ausführen von VMs mit mehreren vCPUs eine komplexe Angelegenheit. Für vSphere 6 setzt VMware dazu jetzt mit Fast Check-Pointing auf ein anderes technisches Verfahren. Dieses schützt VMs mit bis zu vier vCPUs. Insgesamt erlaubt VMware FT maximal acht vCPUs pro Host, wobei zuerst die Limitierung greift, die als Erste erreicht ist.

Schwimmende Lizenzen

Außerdem führt VMware mit vSphere 6 sogenannte schwimmende Lizenzen ein. Wer also sein Datacenter regelkonform lizenziert hat, kann künftig Päckchen mit 25 VMs kaufen, diese dann aber nach Belieben, also auch an anderen physischen Locations einsetzen, und zwar unabhängig von der Anzahl der CPUs, auf denen diese VMs laufen.

Die Crux mit Flash

VMwares Web-Client basiert auf Flash und zudem auf der verwalteten NPAPI-Schnittstelle von Mozilla, was für Nutzer weitreichende Komplikationen hat. Da der Web-Client eine aktuelle Flash-Version benötigt, scheidet der Einsatz unter Linux aus, weil Adobe das Linux-Flash-Plugin seit einiger Zeit nicht mehr weiterentwickelt. Immerhin läuft der Web-Client hier zumindest unter Chromium, weil für diesen mit Pepperflash eine von Adobe unabhängige Weiterentwicklung für das Flash-Plugin existiert. Verzichten müssen Linux-Nutzer aber auf jeden Fall auf weiterreichende Komfortfunktionen wie den Vollbildmodus im VMRC-Browser-Plugin oder die Möglichkeit, per Webbrowser Dateien in einen Datastore hoch- oder herunterladen zu können, sowie auf das Importieren von OVF-Templates per Browser, weil sich unter Linux das Client-Integration-Plugin nicht installieren lässt. Dieses sollte zwar prinzipiell mit Firefox und Chrome funktionieren, basiert aber auf der veralteten NAPI-Plugin-Architektur aus Netscape-Zeiten, die von Chrome und Firefox unter Linux nicht mehr unterstützt wird. Für den Internet Explorer unter Windows ist das CIP-Plugin ebenfalls nicht verfügbar. Die Zeiten wären also durchaus reif für einen neuen HTML5-Web-Client.

VMware Remote Console

Immerhin hat VMware im Oktober vorigen Jahres eine neue Version 7.0 der VMware Remote Console (VMRC) veröffentlicht, die aufgrund der geschilderten Probleme mit der NPAPI-Schnittstelle jetzt wieder als Stand-alone-Version realisiert ist. Diese erschließt zumindest unter Windows unabhängig vom Web-Client eine komfortable Zugriffsmöglichkeit auf vSphere-VMs einschließlich Vollbildmodus und Funktionen zum Steuern der VM, also zum Starten oder Herunterfahren. Im Gegensatz zum Browser-Plugin steht die native VMRC-Version nämlich schon vor dem Start der VM zur Verfügung. VMRC kann auf dieser Webseite heruntergeladen werden. (hal)