Kontrolle über das Rechenzentrum

VMware träumt vom virtuellen Mainframe

24.02.2009 von Wolfgang Sommergut 
Auf seiner Anwenderkonferenz erläuterte VMware sein Konzept eines virtuellen Betriebssystems für das Rechenzentrum. Gestört wurde die Vision von Analysten-Prognosen und Citrix.

In seiner Eröffnungsansprache beschrieb CEO Paul Maritz das schon seit Herbst letzten Jahres angekündigte Virtual Data Center Operating System (VDC-OS) als einen Software-Mainframe. Untereinander kooperierende Hypervisor sollen die Hardware der beteiligten Server zu einem Gesamtsystem zusammenspannen, das IT-Ressourcen wie CPUs, RAM oder Massenspeicher flexibel für Anwendungen zur Verfügung stellen kann.

Während heute nach verschiedenen Schätzungen nur zehn bis 15 Prozent der x86-Server virtualisiert sind, sehen die Pläne von VMware vor, dass Anwender die gesamte Hardware ihres Rechenzentrums auf diese Weise verwalten. Die nächste Version der Plattform, die neben dem VDC-OS eine Reihe von Managementwerkzeugen umfasst und von "Virtual Infrastructure" auf "vSphere" umbenannt wurde, soll nicht nur Server zu einer virtuellen Einheit verschmelzen. Vielmehr kann es auch Speichersysteme unterschiedlicher Herkunft und Leistungsfähigkeit zu einem großen Pool zusammenführen. Zudem erlaubt es, die virtuellen Rechner zu einem ebensolchen Netzwerk (VLAN) zu verknüpfen.

Eine Cloud für jeden Hersteller

Dieses ehrgeizige Vorhaben würde VMware eine zentrale Position im Rechenzentrum einbringen und Betriebssystemen die Kontrolle über die physikalische Hardware entziehen. Während viele Unternehmen eine gemischte Umgebung aus Windows, Unix und proprietären Systemen aufgebaut haben, würde das virtualisierte Rechenzentrum eine durchgehende Abstraktionsschicht aus einer Hand voraussetzen. Nur innerhalb der Plattform eines Anbieters lässt sich die dynamische Verteilung von Systemressourcen realisieren. Aber selbst dort gilt die Einschränkung, dass sich Arbeitslasten nicht zwischen Maschinen mit CPUs verschiedener Hersteller (Intel oder AMD) verschieben lassen. Virtuelle Maschinen können zwar zwischen VMware, Microsoft oder Citrix migriert werden und im günstigsten Fall lassen sich solche heterogenen Umgebungen von einer Konsole aus verwalten. Sie spielen aber nicht so weit zusammen, dass sich damit der von Maritz beschworene virtuelle Mainframe realisieren ließe.

Während VMware als Marktführer die Standardisierung von Rechenzentren auf seiner Software anstrebt, wandte sich sein CEO gegen die drohende Entstehung von inkompatiblen Clouds. Er meinte damit gehostete virtuelle Umgebungen, aus deren Unternehmen bei Bedarf zusätzliche Rechenleistung beziehen oder die sie als Backup-Sites nutzen können. Um hier nach Herstellern getrennte Silos zu vermeiden, forderte er die Entwicklung von entsprechenden Industriestandards. Allerdings nannte er nur allgemein die Weiterentwicklung des bereits verabschiedeten "Open Virtualization Format", das die Migration von VMs zwischen verschiedenen Plattformen erleichtern soll.

Citrix vergrößert Gratisangebot

Wie schon in der Vergangenheit nutzte die Konkurrenz die VMworld, um die Zukunftsvisionen von VMware mit eigenen Ankündigungen zu stören. Citrix gab nach entsprechenden Gerüchten im Vorfeld offiziell bekannt, dass es nach der Express-Version auch die Enterprise-Ausführung von "XenServer" kostenlos abgeben werde. Fortgeschrittene Features für Hochverfügbarkeit, Speichermanagement und Provisioning können über das Zusatzpaket "Essentials for XenServer" nachgerüstet oder als Teil der Platinum-Ausgabe erworben werden.

Citrix-CTO Simon Crosby zeigte sich im Gespräch mit der COMPUTERWOCHE zuversichtlich, dass sein Unternehmen damit dem Marktführer VMware Anteile abjagen könne. Gerade in Krisenzeiten, in denen IT-Budgets beschränkt seien, könnten Anwender eine kostenlose Alternative nicht ignorieren, die technisch ebenbürtig sei.

Erwartungsgemäß kommentierte VMware das Vorgehen von Citrix als Verzweiflungstat, die belege, dass der Microsoft-Partner nach der teuren Akquisition von Xensource im Markt für Server-Virtualisierung nicht Fuß fassen habe können. Das Unternehmen sei mit seiner traditionellen Ausrichtung auf Application Delivery nicht für die Virtualisierung von Rechenzentren vorbereitet. Die gleichzeitige Veröffentlichung der "Essentials für Hyper-V" werteten VMware-Repräsentanten als weiteres Zeichen dafür, dass Citrix von seinem Hypervisor abrücke.

In einer Pressekonferenz betonte Paul Maritz, dass sich durch die Citrix-Ankündigung aus seiner Sicht nichts verändere. Als gefährlichsten Konkurrenten betrachtet er weiterhin seinen ehemaligen Arbeitgeber Microsoft, der seine Pläne mit Hyper-V zielstrebig verfolge.

Analysten favorisieren Microsoft

Die Analysten von Gartner bestätigen diese Sicht, auch wenn Repräsentanten von VMware der daraus abgeleiteten Prognose nicht zustimmen. Demnach soll Microsoft im Jahr 2013 VMware als wichtigsten Anbieter von Virtualisierungssoftware ablösen. Die Marktforscher machen dabei aber keine Angaben, ob sich ihre Einschätzung am Umsatz oder an der Zahl ausgelieferter Kopien von Hyper-V und anderen Tools orientiert. Im Fall von Microsoft fällt eine solche Schätzung besonders schwer, weil das Unternehmen seine Basistechnik zur Virtualisierung mit dem Betriebssystem bündelt.

VMware vertraut nicht nur auf seinen Entwicklungsvorsprung, den Paul Maritz zufolge auch ein Konzern mit den Möglichkeiten von Microsoft nicht ohne weiteres aufholen könne. Vor allem hofft das Unternehmen darauf, dass viele Anwender Microsoft nicht die vollständige Kontrolle über das Rechenzentrum überlassen wollen. Wenn der Windows-Hersteller auch zum größten Lieferanten von Virtualisierungssoftware avanciere, dann drohe die Gefahr, dass andere Betriebssysteme nicht gleichwertig behandelt würden und noch weiter ins Hintertreffen geraten. In der aktuellen Version unterstützt Hyper-V neben Windows-Gästen nur eine Linux-Distribution (in Zukunft kommt noch Red Hat dazu), die aus Sicht des Administrators zudem schlechter bedient werden als das hauseigene Windows.