Der Markt für Virtualisierung

VMware, Citrix und Microsoft dominieren

14.10.2010 von Stefan Ueberhorst
Aus technischer Sicht gilt Server-Virtualisierung als Commodity. Im nächsten Schritt wird der Client zentralisiert - über kurz oder lang in der Cloud.

Über Server-Virtualisierung spricht man nicht, man macht sie, heißt es in Fachkreisen. Bislang waren Konsolidierung sowie eine effizientere Ressourcennutzung die Treiber, künftig sorgt das Thema Cloud Computing für Bewegung - sei es in Form einer inhouse betriebenen privaten oder einer außerhalb des Unternehmens gehosteten Public Cloud. Großunternehmen werden in den kommenden zwei Jahren bis zu 68 Prozent ihrer x86-Server-Instanzen virtualisiert haben, bei kleineren Firmen sind es 58 Prozent, so eine Forrester-Umfrage Ende 2009. Der Markt ist lukrativ. Dominiert wird er weiterhin von VMware, mittlerweile eine Tochter des Speicherkonzerns EMC, die binnen neun Jahren zu einem Hersteller mit jährlichen Umsätzen im Milliarden-Dollar-Bereich gewachsen ist.

Skepsis überwinden

Anders sieht es in der Client-Virtualisierung aus, die von Anwenderunternehmen im vergangenen Jahr kritisch beäugt wurde. Die Einführung solcher Technik beschränkte sich meist auf stark regulierte Segmente wie Behörden, Pharmaindustrie sowie Banken und Versicherungen. Das dürfte sich ändern, wenn auch nicht schlagartig. Bei Forrester geht man aufgrund einer Umfrage unter 2000 amerikanischen und europäischen Unternehmen davon aus, dass drei Viertel das Thema Client-Virtualisierung in diesem Jahr auf ihre IT-Agenda nehmen. Immer mehr setze sich bei Entscheidern die Erkenntnis durch, dass die derzeitige Ausprägung des Unternehmens-PC überholt sei - Virtualisierung ist dabei eine Möglichkeit für die Zukunft.

Noch ist nicht absehbar, wer in diesem neuen Marktsegment den Ton angeben wird, heißt es bei Pierre Audoin Consultants (PAC). Neben Branchengrößen wie VMware, Microsoft und Citrix versuchen sich zahlreiche kleinere Anbieter hier zu positionieren. Um diese Chance nicht aus der Hand zu geben, haben sich beispielsweise Microsoft und Citrix zur "V-Alliance" zusammengeschlossen. Gemeinsam wollen sie ihr Portfolio für Server-, Applikations- und Desktop-Virtualisierung aufeinander abstimmen und ein Partner-Ökosystem für diesen Markt errichten.

Massive Veränderungen erwartet

Einen detaillierten Blick darauf, wohin sich Virtualisierung in den kommenden Jahren entwickelt, wagt die Experton Group. Den Analysten zufolge wird die Rolle des Clients im Rahmen der IT-Infrastruktur derzeit gewaltig unterschätzt. Technik und Prozesse im Client-Umfeld würden sich bis zum Jahr 2015 massiv verändern, so die Kernthese. Ab dann interessiere es zum Beispiel kaum noch jemanden, welches Betriebssystem dem Computer zugrunde liegt, da große Teile der Clients aus der Cloud betrieben werden könnten. Diese Entwicklung werde von eindeutigen Interessen getrieben: Der CFO verfolge das Ziel möglichst geringer Kosten, sei es für Investitionen oder für den IT- beziehungsweise Client-Support, während die IT-Organisation auf "Ruhe an der Front" bedacht sei und die Kontrolle über die Systeme behalten wolle.

Lösungsansätze dafür sind unter anderem Thin Clients und Virtual-Desktop-Infrastrukturen (VDI). Allerdings müssen diese Techniken bestimmten Anforderungen hinsichtlich Performance, Verfügbarkeit und Sicherheit genügen. Dabei wird die Idee des Thin Client schon seit einigen Jahren verfolgt - in verschiedenen Anwendungsfällen mit Erfolg und zumeist mit Technik von Citrix. Zu einem flächendeckenden Einsatz ist diese laut Experton bislang allerdings nicht gekommen, da man die Limitierungen insgesamt nicht überwinden konnte. VDI soll dagegen die Vorteile von Fat und Thin Client durch neue Verfahren kombinieren. Sie gilt in gewisser Hinsicht als zukünftiger Problemlöser, auch wenn sie sich nicht für jede Aufgabe eignet und ihre Planung und Verwaltung nicht gerade trivial sind. Dennoch wird das Verfahren als interessanter Weg eingeschätzt, allein wenn es um die in vielen Unternehmen bevorstehende Migration von Windows XP auf Windows 7 geht und damit um das Zusammenspiel des neuen OS mit zahlreichen Client-Applikationen.

Blick auf 2010

  • Im Bereich Intel-Architekturen (IA) laufen derzeit in Deutschland rund 3,5 Millionen Server, der jährliche Zuwachs dürfte bei 200.000 neuen Einheiten liegen.

  • Etwa 1,6 Millionen Server davon sind für die Virtualisierung relevant.

  • Derzeit sind aber nur 400.000 dieser Server virtualisiert, was ein theoretisches Potenzial von weiteren 1,2 Millionen ergibt.

  • x86-Server werden aufgrund von technischen Fortschritten und besonders durch Virtualisierung immer reifer für unternehmenskritische Anwendungen, weshalb sich das x86-Wachstum sowohl im Anwender-Rechenzentrum als auch in der Cloud weiterhin fortsetzen wird.

  • In jedem Fall ist damit auch im Bereich Server-Virtualisierung weiteres Wachstum zu erwarten.

Quelle: Experton

Spielarten des Virtual Desktop

Experton unterscheidet fünf Virtual-Desktop-Typen: Bei der reinen "Client-Virtualisierung" handelt es sich um den Klassiker der Virtualisierung, bei dem der Hypervisor auf dem PC läuft und mehrere virtuelle Maschinen auf dem Endgerät erlaubt. Anbieter in diesem Bereich sind Microsoft (Virtual PC) und VMware (Workstation, Fusion). Als unternehmensweite Lösung fällt dieses Verfahren allein schon deshalb flach, weil es kein zentrales Management erlaubt.

Bei der "Managed Desktop VM" werden die Desktop Images zentral auf einem Server verwaltet und den Anwendern zur lokalen Ausführung zur Verfügung gestellt. Auch in diesem Bereich sind VMware (ACE) und Microsoft (Kidaro) unterwegs. Das Verfahren erlaubt zwar ein zentrales Management, seine Grenzen liegen jedoch in einem umständlichen Synchronisierungsprozess.

Als dritten Virtual Desktop nennt Experton das "Application Streaming", bei dem Applikationen paketiert, auf einem Server gehostet und Anwendern zur lokalen Ausführung zur Verfügung gestellt werden. Nach der ersten Nutzung ist es auch möglich, damit offline zu arbeiten, was neben der Reduktion von Kompatibilitätsproblemen als großer Vorteil dieses Verfahrens gewertet wird. Ein Nachteil ist hingegen, dass nach Applikations-Updates die Anwendungen neu paketiert werden müssen. Anbieter hier sind neben VMware (ThinApp) und Microsoft (AppV) auch Citrix (XenApp).

Unter "Presentation-Virtualisierung" versteht man, wenn mehrere Anwender eine einzige, auf einem Server laufende Instanz einer Applikation nutzen. Angebote in diesem Bereich sind der Terminal Server von Microsoft und XenApp von Citrix. Die Vorteile liegen in den geringen Kompatibilitätsproblemen und der sicheren Datenhaltung im Rechenzentrum. Allerdings ist dieser Betrieb nur online möglich und erlaubt keine Administratoren-Rechte für Anwender.

Im fünften Szenario, der VDI selbst, greifen Benutzer auf eine virtuelle Maschine zu, die einen persönlichen oder allgemeinen Desktop darstellt und auf einem Server läuft. Vertreter sind vSphere von VMware und Citrix mit XenDesktop. Unbestrittene Vorteile dieser Konstellation sind der sichere Betrieb im Rechenzentrum und das einfache Patch-Management. Als Nachteil nennen die Experten auch hier den reinen Online-Betrieb, obwohl Citrix jüngst mit seinem Produkt "Citrix Receiver" diese Hürde genommen hat. Auf der Basis eines Client-seitigen Hypervisors kann hier auch offline gearbeitet werden - eine wichtige Funktion, die auch VMware bieten möchte. Weitere Probleme gibt es noch bei den unterstützten Gerätetreibern und der Grafikqualität.

Ein Blick auf die Kostenverteilung zeigt deutliche Unterschiede zwischen den fünf Virtual-Desktop-Ansätzen. VDI erweist sich hier als sehr teuer, sei es im Bereich der Server und Speicher oder bei den Ressourcen, die zur Beherrschung der Komplexität benötigt werden. Beim Application Streaming sind dagegen die größten Ausgaben für den Posten PC-Hardware zu erwarten. Dazwischen ordnet sich die Presentation-Virtualisierung ein.

Technische Hürden

Neben den Marktführern Citrix, VMware und Microsoft präsentieren sich viele kleinere Anbieter mit interessanten Lösungen. Dazu gehören Red Hat mit "Virtual Desktop Controller", Sun/Oracle mit "Virtual Desktop Connector" und Symantec mit "nSuite" und "AppStream". Laut Experton bieten unterm Strich die klassische Presentation-Virtualisierung und VDI die größte Funktionalität. Abgesehen von Citrix Receiver fehlt es diesen Angeboten aber an mobilen Einsatzmöglichkeiten. Für sehr ausgewogen halten die Analysten das Application Streaming, wenngleich die Funktionalität in Teilbereichen zu wünschen übrig lasse.

Als weitere technische Hürde virtueller Desktop-Infrastrukturen gelten die Nachteile für Nutzer. Streaming Video oder Realtime Audio bleibe schwierig. Derzeitige Remote-Display-Protokolle können nicht alle Applikationen unterstützen, gibt Experton zu bedenken. Viele Hersteller würden an Lösungen arbeiten, keinem sei bislang jedoch eine annähernd perfekte Lösung gelungen, die sich für einen flächendeckenden Einsatz eigne.

Allerdings könnte VDI, einmal richtig in Fahrt gekommen, auch schon wieder das Aus drohen. Cloud-basierende Desktops, so Experton, hätten das Potenzial, auf längere Sicht VDI zu ersetzen. Wenn alle Applikationen Browser-basierend arbeiteten, spiele das Betriebssystem nur noch eine untergeordnete Rolle, solange der Browser funktioniert und unterstützt wird. In einem solchen Szenario würden Update- und Maintenance-Aufgaben, wie sie heute bestehen, an Bedeutung verlieren.

Markt für Virtualisierung Insgesamte Softwareumsatzentwicklung 2009 - 2014 weltweit (in Millionen Dollar)

Jahr

Insgesamt in Millionen Dollar

2009

2.013,8

2010

2.492,6

2011

3.068,1

2012

3.842,5

2013

4.871,7

2014

5.834,9

In diesen Zahlen sind die Umsätze, die im Virtualisierungsmarkt mit IT-Services generiert werden, nicht enthalten. (Quelle: Gartner)