Augmented Reality

Virtuelle Infos erweitern die Realität

07.08.2013 von Peter Stelzel-Morawietz
Erweiterte oder auch angereicherte Realität, so lässt sich der englische Fachausdruck „Augmented Reality“ am besten übersetzen.

Abseits oder nicht? Die Frage, ob ein Fußballspieler nun regelwidrig stand oder nicht, lässt sich nachträglich in der Zeitlupe auf dem Fernseher einfach mit einer eingeblendeten virtuellen Linie beantworten. Genauso ist das Anzeigen der von den bisher von den Konkurrenten erreichten Höchstweite beim Skispringen oder die bisherige Bestmarke bei Schwimmwettbewerben beim Fernsehsport längst Standard.

Foto: lassedesignen - Fotolia.com

Drei Beispiele aus dem Alltag, die das Prinzip von Augmented Reality, oft einfach mit AR abgekürzt, verdeutlichen. Es geht darum, die reale Welt mit zusätzlichen Informationen anzureichern, die in aller Regel über das Internet eingespielt werden.

Überblick über Smartwatches und Cyberbrillen
Die bekannteste Ausführung der AR-Brillen ist das Projekt "Google Glass". Die Brille stellt Umgebungsinformationen direkt im Blickfeld des Trägers dar. Mittels Sprachsteuerung lassen sich Befehle (etwa E-Mail-Versand) ausführen. Bis Ende 2013 soll die Brille in den Handel gelangen.
Überblick über Smartwatches und Cyberbrillen
Es gibt eine Vielzahl von tragbaren Minicomputern wie etwa Smartwatches und AR-Brillen (Augmented Reality). Hier finden Sie einen Überblick über die bekanntesten wearable Devices. Einige sind bereits verfügbar, andere existieren bislang nur auf Skizzen in den Forschungslabors.
Project Google Glass
Die bekannteste Ausführung der AR-Brillen ist das Projekt "Google Glass". Die Brille stellt Umgebungsinformationen direkt im Blickfeld des Trägers dar. Mittels Sprachsteuerung lassen sich Befehle (etwa E-Mail-Versand) ausführen. Bis Ende 2013 soll die Brille in den Handel gelangen.
Microsofts Forschungspläne
Von Microsofts Plänen im Segment Augmented Reality (AR) gibt es bislang nur Skizzen. Diversen Online-Medien zufolge hat der Softwarekonzern beim US-Patentamt ein Patent für eine AR-Brille eingereicht. Während Google seinen Entwurf für den täglichen Einsatz vorsieht, beschränkt Microsoft den Gebrauch der Brille zunächst auf Live-Events, indem sie etwa Hintergrund-Informationen zu einem Baseball-Spiel einblendet.
Olympus zeigt Prototyp
Auch Olympus plant eine Datenbrille im Stil von Google Glass. Das Modell "MEG 4.0" wiegt laut Hersteller einschließlich Batterie nur 30 Gramm. Die Daten holt sich die Brille über eine Bluetooth-Verbindung vom Smartphone. Anders als beim Google-Projekt Glass ist aber keine Kamera eingebaut. Bislang gibt es nur Prototypen.
Sony reicht Patent ein
Zuletzt wurde bekannt, dass auch Sony dem Wettbewerber Google im Markt für wearable Devices nacheifert. Der japanische Konzern hat in den USA ein Patent für eine Datenbrille eingereicht. Die Besonderheit: Sonys Pläne sehen zwei Bildschirme mit einer hohen Auflösung von 1920 x 1080 Bildpunkten (Full HD) vor.
Brother projiziert auf die Netzhaut
Der japanische Elektronikkonzern Brother verfolgt wiederum einen anderen Weg. Der "AiRScouter" integriert ein so genanntes Head-mounted-Display, das die Bilder im Gegensatz zu herkömmlichen Videobrillen direkt auf die Netzhaut projiziert. Das Bild soll transparent erscheinen und die Sicht nur marginal beeinträchtigen.
Gerüchte um Apple iWatch
Von dem Hype um die Datenbrillen ließ sich Apple bis dato nicht anstecken. Hartnäckig halten sich indes die Gerichte, dass der Konzern an einer intelligenten Armbanduhr arbeitet. Seriöse Medien wie etwa die "New York Times" und das "Wall Street Journal" spekulierten bereits über die Funktionen. Bilder gibt es naturgemäß nicht, nur Dementis. Möglicherweise ähnelt die offiziell nicht bestätigte iWatch aber dem iPod Nano, der sich auch als Uhr verwenden lässt.
Ladenhüter von LG
Die Idee der intelligenten Armbanduhr ist keinesfalls neu. Bereits 2009 hat beispielsweise LG die "GD910" auf den Markt gebracht. Der Touchscreen konnte unter anderem Telefonanrufe auslösen und annehmen. Erfolgreich wurde die schlaue Uhr dennoch nicht.
Samsung stolpert und startet erneut
Auch Samsung hat sich schon in dem Geschäft versucht. Ebenfalls 2009 kam das Modell "S9110" auf den Markt. Das Gerät könnte mit Outlook synchronisieren, Musik abspielen und telefonieren. Das alles für den stolzen und abschreckenden Preis von 600 Dollar. Aktuell startet Samsung einen zweiten Anlauf in das Smartwatch-Geschäft: Entsprechende Gerüchte hat Samsung kürzlich offiziell bestätigt.
I'm Watch ist verfügbar
Die i'm Watch ist eine Smartwatch vom gleichnamigen italienischen Hersteller. Die Uhr mit Android-Betriebssystem ist mit dem Smartphone verbunden und ermöglicht am Handgelenkt Anrufe, E-Mails, Facebook, Twitter und Co. Sie kostet knapp 300 Euro. Erste Tester sind von der technischen Leistungsfähigkeit nicht sonderlich begeistert.

Die besten AR-Apps auf dem Smartphone

Für uns als Verbraucher ist die AR-Technik vor allem auf dem Smartphone und Tablet-PC interessant. Denn die Geräte bringen mit ihren Sensoren (GPS, Kompass und Gyroskop) sowie Internet-Anbindung und der Kombination aus Kamera und Display geradezu ideale Voraussetzungen mit.

Googles Bilderdienst Panoramio in der AR-App Wikitude World Browser: Da, hinter den Häusern, muss die gesuchte Kirche sein! Einen ersten Eindruck vermittelt das gezeigte Foto.

So wurde in den vergangenen Jahren bereits eine beachtliche Anzahl von AR-Apps vor allem für die Mobilbetriebssysteme Android und iOS entwickelt. Universell sind Browser wie der Acrossair Augmented Reality Browser (nur iOS), der Layar Browser, der Wikitude World Browser oder der Junaio Augmented Reality Browser: Sie zeigen allerlei Zusatzinfos vom nächsten Schnellrestaurant, über den Nahverkehr oder Supermärkte bis zu touristischen Attraktionen auf dem Display. Dazu genügt es, die App zu starten, die gewünschte Rubrik zu wählen und das Handy in die gewünschte Richtung zu halten.

So allgemein die AR-Browser sind, so speziell lassen sich die Apps auf einen konkreten Zweck zuschneiden. Mal lässt sich der Schwerpunkt auf den Reiseführeraspekt (z.B. mtrip) legen, mal auf freie Wohnungen (z.B. Immonet für iOS), auf den öffentlichen Nahverkehr (z.B. BVG in Berlin für iOS), auf die landschaftliche Umgebung (z.B. Peak AR für Android), das Sternenbild (z.B. Google Sky Map) oder sonst etwas. So zeigen die vielen Car-Finder-Applikationen selbst auf riesigen Parkplätzen den Standort des eigenen Autos in der reellen Umgebung – sofern man ihn zuvor per Knopfdruck via GPS gespeichert hat. Auch die Bildererkennung Google Goggles basiert auf Augmented Reality.

Eine weitere praktische Anwendung stellt SnapShop Showroom dar: In dieser App für iPhone und iPad lassen sich Möbel und andere Einrichtungsgegenstände gezielt in den eigenen vier Wänden platzieren – natürlich nur auf dem Display, das aber wieder über das Bild der Kamera die reelle Umgebung abbildet. Ähnlich mit Ikea-Möbeln und -Inventar arbeitet die iOS-App Furnish. Und der Elektronik-Hersteller Sharp hat eine AR-App entwickelt, mit der sich die richtige Bildschirmgröße des neuen Fernsehers schon vor dem Kauf daheim am Handy-Display aussuchen lässt.

Noch ist genügend Abstand, doch die AR-App iOnRoad Augmented Driving warnt, wenn man geschwindigkeitsabhängig zu nah auf das vorausfahrende Fahrzeug auffährt.

Die auf dem Smartphone im Auto installierte AR-App iOnRoad Augmented Driving warnt deutlich, wenn man zu nah auf das vorausfahrende Auto auffährt. Wie die Kombination von Navigation und Augmented Reality bei Wikitude Drive funktioniert, schauen Sie sich am besten im YouTube-Video an. Eine Karte ist da obsolet, denn über die auf dem Display gezeigte reelle Außenansicht legt die App die zu fahrende Route. Gemeinsam ist all diesen Beispielen das eingangs erklärte Prinzip: virtuelle Informationen werden zusätzlich über die tatsächliche Umgebung gelegt.

Weitere AR-Anwendungen aus der Praxis

Schätzen Sie einmal die jährliche, Auflage des Ikea-Katalogs! Na gut, das ist schwierig: Weltweit sind es mehr als 210 Millionen Exemplare, in Deutschland immerhin 26 Millionen Stück. Diese sind seit Herbst des letzten Jahres erstmals mit AR-Funktionen ausgestattet. Über die Katalog-App lassen sich auf insgesamt 44 Seiten die statischen Abbildungen dynamisch erweitern: mit Blicken in geschlossene Schränke, Videos oder neuen Funktionen in der Küche.

Statischer Playboy-Titel, doch mit der passenden Smartphone-App räkeln sich die drei Damen auf dem Display.
Foto: Layar

Ähnliche AR-Konzepte haben einige Zeitschriftenverlage punktuell verfolgt. So gab es im Jahr 2010 ein Magazin der Süddeutschen Zeitung, das mit der zugehörigen AR-App neue Inhalte zeigte (Video). Und die holländische Ausgabe des Playboy ließ erstmals Anfang 2013 die Mädels vom Titel auf dem Smartphone-Display sich räkeln.

Abseits solcher Gimmicks bietet Augmented Reality viel praktischen Nutzen. Stellen Sie sich vor, der Toner ihres Druckers im Büro ist leer. Sie haben zwar schon Ersatz, doch diesen in modernes, fast manngroßes Multifunktionsgerät einzusetzen, ist nicht ganz einfach. Statt also auf den Servicetechniker zu warten oder mühsam die Anleitung zu studieren, ist eine AR-App in der Lage, vor dem Drucker jeden einzelnen Schritt genau zu illustrieren, während Sie vor dem Drucker stehen: also erste diese Klappe öffnen, dann … und so weiter.

Das gleiche Prinzip nutzt als professionelle Reparaturanleitung auch Werkstattpersonal, das damit nicht jeden Schritt für jedes Gerät auswendig kennen muss, sondern sich mit AR leiten lässt. Audi nutzt die Technik seit kurzem beim Modell A1 sogar als interaktive Bedienungsanleitung. Wer wissen möchte, wofür ein bestimmtes Bedienelement im Wagen dient und wie es funktioniert, startet die iOS-App von Audi und hält sein iPhone einfach auf den fraglichen Knopf oder Schalter am Armaturenbrett. Ein Video zeigt, wie es funktioniert.

Google Glass und AR-Datenbrille Vuzix M100

Praktisch alle bisher vorgestellten AR-Anwendungen und -Szenarien laufen über das Smartphone. Da liegt ja der nächste Schritt, nämlich die erweiterte Realität gleich in neue Datenbrille von Google zu integrieren, auf der Hand. Warum noch das Handy in die Hand nehmen, wenn man die Infos mit Google Glass doch im wahrsten Sinn vor Augen hat?

Zwar hat der Hersteller Anfang Juni 2013 erklärt, die automatische Gesichtserkennung über die Brille zu unterbinden beziehungsweise zu verbieten. Doch es scheint mehr eine Frage der Zeit, bis sich die ersten Erkennungs-Apps doch installieren lassen – ein Paradeeinsatz für Augmented Reality.

Weniger Bedenken hat da offenbar die amerikanische Firma Vuzix, als sie ihre Datenbrille M100 auf der Branchenmesse Augmented World Expo in Kalifornien als ausdrücklich „AR Ready Smart Glasses “ vorstellte

Augmented Reality als Spiel: Google Ingress

Haben schon einmal von Google Ingress gehört? Falls nicht, halb so wild. Denn obwohl das „Spiel“ noch nicht einmal ein Jahr alt ist und die Android-App schon mehr als eine Million Mal installiert wurde, ist die Ingress-Gemeinde exklusiv. Nach wie vor benötigt man einen Zugangscode, entweder von einem anderen erfahrenen Spieler oder – nach längerer Wartezeit – von Google selbst.

Nach wie vor in der Beta-Phase und damit auf elitären Kreis beschränkt: Wer bei Google Ingress mitmachen möchte, braucht einen Zugangscode und damit eine Einladung.
Foto: Google

Das Spiel findet übrigens nicht nur auf dem Smartphone, sondern „richtig draußen“ statt. Dort wird in zwei Fraktionen um die Weltherrschaft gekämpft, das Spielbrett ist also die gesamte Welt und Ingress eine Strategiekombination aus Augmented Reality und Geocaching, also elektronischer Schnitzeljagd. Eine ausführliche, mehr als 50seitige Anleitung in deutscher Sprache finden Sie als PDF-Datei im Internet .

Datenschützer sehen das Ganze überaus kritisch, weil Google über Ingress nicht nur Bewegungsprofile und Aktivitätszeiten, sondern sogar Verhaltensmuster von jedem einzelnen und manches mehr erfährt.

Meta (Vorderansicht)
Auf Kickstarter überzeugt ein ähnliches Projekt wie Google Glass die Crowdfunding-Gemeinde. Bereits elf Tage vor Beendigung der Finanzierungsphase kommt die Datenbrille Meta auf einen Betrag von rund 151.000 US-Dollar (rund 115.000 Euro) und überschreitet die anvisierte Schwelle von 100.000 US-Dollar (rund 76.500 Euro) locker.
Meta (Vorderansicht)
Entwickelt wurde Meta samt Software an der Columbia Universität in New York. Dabei sieht das Gadget im ersten Moment wie ein Science-Fiction-Gerät aus den 80er-Jahren aus. Meta besteht aus zwei Teilen: Die Brille ist mit zwei Displays ausgestattet. Eine 3D-Kamera ist auf die Brille gesteckt. Informationen erhält der Nutzer mit Hilfe der eingebauten Displays, die Kamera zeichnet wiederum die Umgebung auf.
Meta (Finger-Tracking)
Glaubt man den Entwicklern von Meta, sieht der Anwender durch die Brille virtuelle Inhalte. Diese erzeugen die Eindruck, dass sie Teil der Realität sind.
Meta (Finger-Tracking)
Bisher unterstützt die entwickelte Bibliothek beispielsweise Gestensteuerung und Finger-Tracking. Bewegt der Anwender etwa seine Finger auf ein Objekt zu oder gleitet mit ihnen durch den Raum, erkennt die Kamera die Gliedmaßen und zeichnet die Bewegungen auf.
Meta (Finger-Tracking)
Wann genau Meta ausgeliefert wird, haben die Entwickler bisher nicht bekannt gegeben. Sobald die Finanzierungsphase beendet ist (läuft bis zum 16. Juni), wollen sie aber einen Starttermin bekannt geben. Weitere Informationen erhält man bei <a href="http://www.kickstarter.com/projects/551975293/meta-the-most-advanced-augmented-reality-interface?ref=search" target="_blank">Kickstarter</a> oder auf der <a href="http://www.meta-view.com/" target="_blank">Website von Meta</a>.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der CW-Schwesterpublikation PC-Welt. (mhr)