Work-Life-Balance

"Viele wachen erst auf, wenn die Scheidung droht"

03.04.2009 von Alexandra Mesmer
Über Work-Life-Balance wird viel geredet, aber wenig getan. Laut Personalexpertin Sandra Eggelhöfer, Inhaberin der Beratung Talent Management Service, haben Unternehmen und Mitarbeiter hier Nachholbedarf.

CW: Von Burnout über Herzinfarkt bis hin zum Bandscheibenvorfall: Stress ist an 70 Prozent aller heute auftretenden Krankheiten als Verursacher mit beteiligt. Warum leiden immer mehr Mitarbeiter unter Stress?

Sandra Eggelhöfer berät Firmen, wie sie als Arbeitgeber mit Talent Management attraktiver werden.

Eggelhöfer: Früher diente die Schul- und Studienzeit noch dazu, sich fürs Berufsleben "warmzulaufen". Heute leiden schon Jugendliche mit den verkürzten Schul- und Studienzeiten unter Stress und im Berufsleben wird es nicht besser. Unternehmen, wie Manager, stehen unter Druck die Rentabilität zu steigern, das führt zu einer ständig dünneren Personaldecke. Zusätzlich verschärft sich die Arbeitsbelastung der verbleibenden Arbeitnehmer durch die aktuellen Entlassungen und den zunehmenden Fachkräftemangel. Das zeigt die mangelnde Fürsorge beziehungsweise Weitsicht der Unternehmen: Für die Mitarbeiter heißt das, dass sie konstant belastet und "am Limit" sind. Das wirkt sich negativ auf die Motivation und die Kundenorientierung aus Wenn dann Kollegen gesundheitsbedingt ausfallen, wird es noch enger. Deshalb ist es wichtig, dass die Mitarbeiter selbst für sich und Ihre Gesundheit mehr Verantwortung übernehmen.

CW: Warum achten Mitarbeiter zu wenig auf ihre Gesundheit?

Eggelhöfer: Zwar wird heute viel mehr über den Stellenwert von Gesundheit und die so genannten Work-Life-Balance gesprochen. Dass dauerhafter Stress die Gesundheit ruiniert, wird entweder ausgeblendet oder zugunsten der Karriere billigend in Kauf genommen. Schließlich gilt es als schick, lange zu arbeiten, viel unterwegs zu sein und für die Firma ständig erreichbar zu sein. Viele wachen erst auf, wenn sie krank werden oder die Scheidung droht. Dabei laufen die Unternehmen Gefahr, von heute auf morgen ein im Projekt eingebundener Senior-Berater zu verlieren. Oder die Mitarbeiter kündigen und wechseln. Gerade mittelständische Beratungsunternehmen haben es dann schwer, gute Mitarbeiter über 30 Jahre zu halten.

CW: Kann in einem so anstrengenden Job wie dem Beraterberuf, der ständiges Reisen erfordert, eine Work-Life-Balance überhaupt gelebt werden?

Eggelhöfer: Eine Work-Life-Balance ist weder für Beratungsunternehmen noch für Berater wirklich wichtig. Beratungsunternehmen nutzen die Bereitschaft aus, dass sich Berater in der Arbeit voll ausleben. Die Reisen, spannenden Projekte und die Chance, schnell Verantwortung zu übernehmen, machen den Beraterjob für ehrgeizige, zielstrebige und selbstbewusste Berufseinsteiger attraktiv. Wer aber länger in dem Beruf erfolgreich sein will, muss für sein Wohlergehen die Verantwortung übernehmen und sich bewusst Zeit nehmen für Ernährung, Freizeitaktivitäten und vor allem für Beziehungen. Auch der Rundum-Ereichbarkeit sollte man eine Absage erteilen und den Urlaub planen statt verfallen zu lassen.

CW: Was können Arbeitgeber tun, um eine Work-Life-Balance zu fördern?

Eggelhöfer: Immer mehr Unternehmen investieren in Gesundheitsangebote, beispielsweise ergonomische Arbeitsplätze, Sportangebote, Gesundheits-Checks, Stress-Management-Trainings. Einen hohen Stellenwert für Mitarbeiter hat die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das erfordert Angebote wie moderne Arbeitszeitmodelle, die Gleitzeit, Teilzeit oder Jahresarbeitszeiten ermöglichen. Ein wichtiger Punkt ist auch, den frühen beruflichen Wiedereinstieg nach einer Babypause zu fördern. Dabei sollten sich die Angebote nicht nur auf Frauen begrenzen, denn auch gut ausgebildete junge Väter wollen mehr für die Familie da sein. Da hilft es, wenn Mitarbeiter von zuhause aus arbeiten oder einen Teil der Arbeit im Home Office erledigen können. Familienfreundliche Unternehmen bieten auch eine Kinderbetreuung in Notsituationen an oder zahlen einen Zuschuss zur Kinderbetreuung. Eine entscheidende Rolle fällt jedoch den Führungskräften zu: Wichtig ist aufmerksam zu sein, wenn bei Mitarbeitern Fehlzeiten oder Belastungsanzeichen zunehmen und gemeinsam mit den Mitarbeitern nach Lösung suchen. Ein Zeichen für Vertrauen und Wertschätzung ist eine Ergebniskultur zu schaffen statt einer Anwesenheitskultur.

Sandra Eggelhöfer leitet die Beratung Talent Management Service und ist Gründungsmitglied des Netzwerkes Gender in Balance.

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