Freiberufler-Studie 2011

Verteilte Projektteams liegen im Trend

16.11.2011 von Hans Königes
Fachkräftemangel, komplexe Projekte und verteilte Teamarbeit haben IT-Chefs als größte Herausforderungen ausgemacht, so das Ergebnis einer umfangreichen Freiberuflerstudie der COMPUTERWOCHE.
Teil 3
Foto: Fotolia.de/fhmedien_de

Für die 341 IT-Entscheider, die sich an der CW-Umfrage beteiligt haben (siehe Kasten "IT-Freiberufler-Studie 2011"), steht fest, was den IT-Projektmarkt maßgeblich beeinflussen wird: Neben dem Fachkräftemangel (80 Prozent) sind es die steigende Komplexität der Projekte (60 Prozent) sowie der wachsende Anteil von verteilten Projektteams (42 Prozent). Marktanalyst Hartmut Lüerssen, Partner der Lünendonk GmbH, bestätigt das: "Diese Faktoren stellen die Anwenderunternehmen vor große Herausforderungen, und für die Bewältigung dieser Aufgaben gibt es keine Patentrezepte." Anspruchsvoll sei auch die Vielfalt neuer Technologien, die die Verantwortlichen in den Firmen ebenfalls in den Griff bekommen müssten.

Hartmut Lüerssen, Partner der Lünendonk GmbH: "Es gibt keine Patentrezepte, wie Anwenderfirmen ihre Problemthemen wie Fachkräftemangel lösen können."
Foto: Lünendonk GmbH

Dass sich der Fachkräftemangel auf den IT-Projektmarkt auswirkt, kann Michael Kollig, CIO beim Lebensmittelkonzern Danone, bestätigen: "Wir finden nicht immer die geeigneten IT-Profis, deshalb setzen wir auch Freiberufler ein." Allerdings handle es sich dabei eher um Einzelfälle. Nur wenn das etablierte IT-Team, das heute schon aus internen und externen Kollegen bestehe, zu einem geforderten Termin nicht über die entsprechende Kompetenz oder Kapazität verfügt, greife er auf weitere Externe zurück. Sollte ein spezielles Know-how gefragt sein, hätten auch externe Einzelkämpfer gute Chancen, bei Danone beschäftigt zu werden.

Aus seinen täglichen Beobachtungen schließt Kollig, dass der Anteil der verteilten Projektteams weiter steigen wird. Was nicht überraschen dürfte, wenn man bedenkt, dass der Lebensmittelkonzern weltweit rund 100.000 Mitarbeiter in 130 Niederlassungen beschäftigt. Der CIO ist für die IT seines Konzerns in 30 Ländern in Europa sowie dem Mittleren Osten und Afrika zuständig. Dabei handelt es sich laut Kollig um 95 Geschäftseinheiten, die informationstechnisch zu sieben Clustern zusammengefasst wurden.

IT-Freiberufler-Studie 2011

341 Entscheider aus IT-Abteilungen in Unternehmen mit bundesweit mehr als 500 Mitarbeitern wurden von IDG Business Research Services zu Themen rund um das Thema IT-Freelancer befragt.

Sie beantworteten unter anderem Fragen nach den Rekrutierungswegen sowie der Zufriedenheit in puncto Zusammenarbeit mit den Externen und ihren Vermittlern. Auf dem Prüfstand standen auch IT-Projekte, bei denen IT-Freelancer eingesetzt werden.

Die COMPUTERWOCHE stellt die wichtigsten Ergebnisse ab dieser Ausgabe vor. Zuvor hatten sich Personaldienstleister in einem Zweiteiler zu Trends im Freiberuflermarkt geäußert.

Folgende Unternehmen haben die "IT-Freiberufler-Studie 2011" unterstützt: Gulp Information Services GmbH, Solcom Unternehmensberatung GmbH, Reutax AG, top itservices AG, Hays AG, Geco AG.

Die Mitarbeiter sind auf unterschiedliche Standorte in mehreren Kontinenten verteilt. Die Organisation der Danone-Gruppe ist laut Kollig relativ dezentral ausgerichtet, pro Land gibt es mehrere eigenständige Tätigkeitsfelder. Während Verantwortliche auf lokaler Ebene die Entscheidungen über ihre IT-Projekte selbst treffen können, werden übergreifende IT-Projekte in Zusammenarbeit mit den Kompetenzzentren umgesetzt. "Virtuelle Projektarbeit funktioniert über den Globus hinweg, und internationale Projektteams sind bei uns gelebter IT-Alltag", sagt der CIO.

Interkulturelle Kompetenz in virtuellen Teams
Virtuelle Teams: Beziehungspflege
Von Projekt Beginn an sollten intensive "Kennenlern-Komponenten" eingeplant werden. Teammitglieder müssen die Möglichkeit erhalten, emotionale Verbindungen zu den Kollegen herzustellen. Es ist wichtig, dass Mitglieder für das geschätzt werden, was sie sind und nicht für das, was sie tun. Idealerweise geschieht das über ein Face-to-face Kick-off-Meeting. Falls das nicht möglich ist, wäre eine virtuelle Vorstellungsrunde etwa in Wikis oder per Videokonferenz angebracht. Dabei könnten Mitglieder beispielsweise ihre Interessen, Ziele und Visionen sowie persönliche Bilder untereinander austauschen.
Interkulturelle und virtuelle Teams führen
Fünf Tipps von der Expertin Carolin Schäfer, damit internationale Projektarbeit in virtuellen Teams zum Erfolg wird.
Virtuelle Teams: Klare Ziele
Es zahlt sich aus, zu Anfang genügend Zeit in die Klarstellung des Teamzwecks, der Rollenverteilung im Team und den Verantwortlichkeiten zu investieren. Aufgrund der Distanz bestehen schon ausreichend Unsicherheiten, die nicht noch zusätzlich mit Verwirrung und Ungewissheit angereichert werden sollten. Klare Ziele und Aufgaben, einschließlich der Festlegung von wem, bis wann und in welcher Art diese zu erfüllen sind, schaffen Fokus und Klarheit für alle Teammitglieder.
Virtuelle Teams: Berechenbarkeit
Unmodern, aber nicht wegzudenken: Ein klarer Ablauf und Berechenbarkeit der Teammitglieder sind kritische Erfolgsfaktoren für virtuelle Teams. Ungewissheit erzeugt Zweifel, Angst und Rückzug. Das Resultat ist ein demotiviertes und unproduktives Team. Der Nutzen von einheitlichen Team Tools, Vorlagen, definierte Prozesse oder festgelegte Kommunikationszeiten tragen zu einem klaren Ablauf und somit zu Berechenbarkeit bei. Teamleiter sollten leicht erreichbar sein sowie den Dreh- und Angelpunkt im Team darstellen.
Virtuelle Teams: Ablaufvereinbarungen
Operationale Ablaufvereinbarungen legen Methodik und Prozesse der Teamarbeit fest und sollten zu Beginn des Projektes gemeinsam definiert werden. Ablaufvereinbarungen bedarf es in der Regel für Planungsprozesse, Entscheidungsfindung, Kommunikation und Koordination. Während virtueller Team-Meetings sollte der Teamleiter sich immer wieder Zeit nehmen zu prüfen, ob und wie gut die Ablaufvereinbarungen gelebt werden.
Virtuelle Teams: Aufmerksamkeit
Was bei Face-to-face-Teams selbstverständlich ist und in Kaffeeecken oder auf dem Flur vor dem Meeting informell passiert, sollten Manager von virtuellen Teams explizit einplanen, nämlich dass sie einzelne Teammitglieder auch außerhalb des offiziellen Meetings treffen. Jedes Mitglied sollte die Möglichkeit bekommen, mit dem Leiter persönliche Erfolge, Herausforderungen, Bedürfnisse und Wünsche zu besprechen. Die Distanz und die Technologien wecken leicht den Eindruck, dass Teammitglieder abstrakt und "ohne Gesicht" sind. Persönliche Aufmerksamkeit schafft Vertrauen, kostet wenig und bietet einen enormen Vorteil für jeden einzelnen im Team und letztlich für die gesamte Teamleistung.

Jüngere steigen als Freiberufler ein

Michael Kollig, Danone: "Internationale Projektteams sind bei uns gelebter Alltag."
Foto: Danone, Michael Kollig

Ähnliches gelte für die steigende Komplexität der Projekte, die über die Hälfte der für die Studie Befragten als maßgeblichen Einflussfaktor bezeichneten. "Wenn mit Komplexität gemeint ist, dass die Projekte internationaler werden, dass über viele Zeitzonen hinweg Kollegen aus aller Herren Länder mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund zusammenarbeiten müssen, dann stimme ich hundertprozentig zu", erklärt Kollig.

Dass von den befragten IT-Chefs der Fachkräftemangel als Problem Nummer eins ausgemacht wird, überrascht auch den IT-Manager eines süddeutschen Medienhauses nicht.

Während im Java-Umfeld IT-Spezialisten zu finden seien, sei der Markt im SAP-Umfeld ziemlich leergefegt. Mittlerweile könnten sich die besten Experten auch die bestbezahlten Projekte aussuchen. Dies gilt nach Meinung des IT-Profis auch für freiberufliche Young Professionals. Er ist überzeugt, dass immer mehr jüngere IT-Leute als Selbständige an den Start gehen werden. Der Grund: Der qualifizierte Nachwuchs erwartet vom Status des Freiberuflers bessere Verdienstmöglichkeiten und Freiheit, sprich eine flexiblere Gestaltung von Beruf und Freizeit.

Erfahrung bleibt ein Pluspunkt

Die steigende Komplexität der IT-Projekte sieht der Medienfachmann, wie die meisten seiner befragten Kollegen auch, als große Herausforderung im IT-Projektmarkt. Dies gelte vor allem hinsichtlich der Systemabhängigkeiten untereinander und in Bezug auf die verteilten Projektteams.

Unterschiedliche Abteilungen, Dienstleister und Freiberufler in einem Projekt unter einen Hut zu bekommen, verlangt nach Meinung des IT-Managers von den Verantwortlichen Erfahrung sowie ein glückliches Händchen.

Oliver Knittel, IT-Freiberufler: "Das Thema Fachkräftemangel wird von den Firmen hochgeputscht."
Foto: Oliver Knittel

Während für die Auftraggeber der Fachkräftemangel als Wachstumsbremse ausgemacht scheint, kann sich IT-Freiberufler Oliver Knittel schwer mit dieser Sichtweise anfreunden: "Das Thema wird doch von den Unternehmen hochgepusht", kritisiert er. Wenn es den vielzitierten Mangel an IT-Experten wirklich gäbe, würden die Auftraggeber seiner Meinung nach bessere Honorare zahlen. Dies sei aber nur im SAP-Umfeld der Fall.

"Die Auftraggeber wollen nicht nur den Besten, sie wollen einen Freelancer, der alle Projektanforderungen hundertprozentig erfüllt", kommentiert Knittel. So soll der Kandidat möglichst über Erfahrung verfügen sowie diverse Zertifizierungen auch im Projekt-Management vorweisen und sich in der jeweiligen Branche auskennen. "Wer nicht alle Anforderungen erfüllt, der fällt ganz schnell durchs Raster", kritisiert Knittel. Was die Höhe des Honorars angeht, beobachtet er ein immer stärkeres Auseinanderdriften; es gebe am einen Ende der Skala sehr gefragte Leute mit hohen Stundensätzen und am anderen Ende etwa die Administratoren mit entsprechend bescheidener Vergütung. Der Mittelbau werde immer kleiner.

Anforderungen an Projektmanager
Was macht einen guten Projektleiter aus?
Ein ganzes Bündel an Kompetenzen! Schauen Sie selbst...
1. Fachliche Kompetenzen
Projekt-Manager sollten über Branchen- und Unternehmenswissen verfügen.
2. Methodisches Wissen
Projektleiter sollten die Standardwerkzeuge im Projekt-Management anwenden können.
3. Soziale Fähigkeiten
Projektziele lassen sich vor allem erreichen, wenn die Projekt-Manager viel Kommunizieren und Netzwerke knüpfen können.
4. Durchsetzungsfähigkeit....
...ist für einen Projekt-Manager ebenso wichtig wie andere Führungsqualitäten.
5. Die Unterstützung des Managements...
...muss sich ein Projektleiter sichern können. Dazu gilt es, das Projekt strategisch einzuordnen und die Stammorganisation einzubeziehen.
6. Interkulturelle Kompetenzen
Projekt-Manager sollten offen, respektvoll und gerecht gegenüber allen Mitarbeitern sein und dabei auch kulturelle Unterschiede berücksichtigen.
6. Interkulturelle Kompetenzen
Projekt-Manager sollten offen, respektvoll und gerecht gegenüber allen Mitarbeitern sein und dabei auch kulturelle Unterschiede berücksichtigen.

Auftraggeber zu anspruchsvoll

Dass der Anteil der verteilten Projektteams weiter zunimmt, kann Knittel wiederum nur bestätigen. Seiner Meinung nach wird dies den IT-Projektmarkt auf Dauer positiv beeinflussen. Da Knittel zurzeit als Projektleiter das Teilprojekt eines großen Krankenversicherers betreut, weiß er, wovon er spricht: "In diesem Projekt funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Externen und Internen, und wir kommen gut voran." Probleme könnten allein durch die Größe des Vorhabens auftreten. Die Schnittstellen müssen laut Knittel passen und die diversen Abhängigkeiten entsprechend gesteuert werden.

CW-Freiberufler-Studie 2011

Die weiteren Beiträge zur Serie finden Sie hier:

Spezialisierung und Erfahrung sind Trumpf (Teil 1, 19.10.2011)

Hohe Erwartungen an selbständige IT-Profis (Teil 2, 9.11.2011)

Welche Faktoren beeinflussen den Projektmarkt? (Teil 3, 16.11.2011)

Was erwarten Anwenderunternehmen von Vermittlungsagenturen? (Teil 4, 30.11.2011)