E-Mail-Management

Verteilsysteme für elektronische Post

31.01.2003 von von Heide
Die elektronische Kommunikation per E-Mail ist das vielleicht unspektakulärste, aber beständigste Überbleibsel des Internet-Hype. Doch nur mit ausgeklügelten Methoden lässt sich die E-Mail-Technik für die Optimierung von Kommunikationsprozessen nutzen.

IM INTERNET ist es wie im richtigen Leben: Die Selbstdarstellung in Form einer Homepage ist für die meisten Unternehmen inzwischen ein Muss. Doch die Kommunikation mit den Kunden und auch mit den Zulieferern wird oft schlampig gehandhabt: Viele elektronische Anfragen bleiben gänzlich unbeanwortet, unbeanwortet, in anderen Fällen trifft die Reaktion eines Händlers erst nach Wochen ein und enthält dann nicht selten so triviale Informationen wie: „Bitte wenden Sie sich an den Hersteller“. Dabei ist nach Ansicht von Experten der Kundenservice per E-Mail ein Schlüsselfaktor für erfolgreiches Business. Und ausbleibende oder nichts sagende Antworten schaden dem Image. Laut den Marktforschern von Frost & Sullivan reagieren Online-Kunden schon empfindlich, wenn Unternehmen nicht binnen drei Stunden auf ihre E-Mail-Anfrage antworten. Allerspätestens nach 24 Stunden sollte dann eine Antwort im elektronischen Briefkasten sein. Wird dieser Zeitraum

überschritten, kann man den Absender der E-Mail meist von der Kundenliste streichen.

Wenig effiziente Methoden

Auswege aus der Misere suchen Unternehmen auf verschiedene Weise: Die einen stellen mehr Mitarbeiter für die Beantwortung der Anfragen ab, andere legen mehrere E-Mail-Adressen an: support@unternehmen.de, help@unternehmen. de oder bestellung@unternehmen. de. Die Nachteile: hohe Personalkosten und enormer Zeitaufwand. Kalkulationen von Callcentern zufolge schafft ein Service-Mitarbeiter gerade mal acht bis zehn E-Mails pro Stunde, bei Bearbeitungskosten von zwei bis sechs Euro pro E-Mail.

Wenn dem Kunden dann zudem nicht ganz klar ist, welcher Sachbereich für sein Anliegen zuständig ist, so schickt er dieselbe Mail an verschiedene Adressen nach dem Motto: „Viel hilft viel“. Diese Doubletten erzeugen weiteren unnötigen Mehraufwand.

Einen effizienteren und produktiveren Umgang mit der elektronischen Post versprechen E-Mail-Management-Systeme (EMS), auch „E-Mail-Response- Systeme“ genannt. Sie sind entweder als rein Web-basierte Clients oder in Versionen für die Integration in Mail-Programme wie Microsoft Outlook oder Lotus Notes erhältlich, die dann jeweils um die EMS-spezifischen Funktionen erweitert werden.

Die grundlegende Funktion der Lösungen: Die Software schickt dem Absender der Mail zunächst und garantiert eine Empfangsbestätigung. Gleichzeitig leitet sie die eingehenden Nachrichten automatisch an die zuständigen Mitarbeiter („Routing“) weiter. Dazu wird der enthaltene Text analysiert, mit eventuell vorhandenem Wissen über den Kunden angereichert und mit einer Bearbeitungsnummer versehen. Dann erzeugen die Systeme entweder eine automatische Antwort („Autoresponder“) oder - in schwierigeren Fällen - unterstützen die Kundenbetreuer mit Textvorschlägen. Anhand der Bearbeitungsnummer ist der Kunde in der Lage, den aktuellen Bearbeitungszustand seiner Anfrage zu verfolgen.

Automatisch antworten

Die E-Mail-Management-Lösungen bieten zudem Kontroll- und Verwaltungsmechanismen des E-Postverkehrs. Über integrierte Monitoring- und Reporting-Funktionen können sich autorisierte Mitarbeiter im Unternehmen den nötigen Überblick über die Auslastung des Systems verschaffen, den Bearbeitungsstand bei den zuständigen Sachbearbeitern prüfen oder Statistiken zur Bewertung der aktuellen Situation erstellen. In den meisten Programmen ist auch ein „Eskalations-Management“ zu finden: Eine Anfrage, die längere Zeit unbeantwortet bleibt, wird dabei in einem Eskalationsbericht aufgeführt. Ein übergeordneter Sachbearbeiter hat nun die Möglichkeit zu reagieren: Er kann beispielsweise die Zuständigkeit ändern, die Bearbeitung innerhalb einer bestimmten Frist anordnen und die Anfrage zur Kontrolle

und Qualitätssicherung auf „Wiedervorlage“ legen.

Diese internen Workflow-Funktionen lassen sich mehr oder weniger frei definieren. Damit ist auch die Priorisierung von E-Mails möglich.

Um das Potenzial der Lösungen auszuschöpfen und E-Mail-Management-Systeme in den externen Workflow zu integrieren, dürfen programmierbare Schnittstellen für die Integration in die operativen Systeme des Unternehmens nicht fehlen. Eine E-Mail-Anfrage kann dann beliebige Prozesse anstoßen. Ein Beispiel: Ein Interessent fragt online nach einer bestimmten Software; er erhält daraufhin eine komplett automatisch erstellte Antwort mit angehängtem, teilweise ausgefülltem Bestellformular. Hat er in seiner Antwort die fehlenden Informationen hinzugefügt und das Produkt bezahlt, so wird ihm der Download erlaubt beziehungsweise automatisch der nötige Freischaltcode geschickt.

Der umgekehrte Weg funktioniert genauso: Die aus dem E-Mail-Verkehr mit dem Kunden gewonnenen Informationen fließen in Kunden-Management- und in Unternehmenssysteme wie Buchhaltung, Warenwirtschaft etc. oder in Datenbanken ein.

Die Mehrzahl der verfügbaren Systeme zur Organisation des E-Mail-Verkehrs bedienen sich zur Analyse und Kategorisierung der elektronischen Post des Mustererkennungsverfahrens (Pattern-Matching): Dabei wird der Text nach Schlüsselwörtern wie „Beschwerde“ oder „Bestellung“ durchsucht und dann an die entsprechenden Sachbearbeiter weitergeleitet.

Künstliche Intelligenz im Kommen

Eine noch präzisere Textanalyse und Klassifizierung der elektronischen Post wollen Anbieter wie das Konstanzer Unternehmen Mindup oder Xtramind in Saarbrücken mit Methoden aus der Künstlichen Intelligenz (KI) erreichen.

Die Programme „E-Dur“ beziehungsweise „XM-Mailminder“ kombinieren regelbasierte Verfahren mit selbst lernenden KI-Methoden. Dabei werden die E-Mails nach Sprache und Intention durchsucht, kategorisiert und entsprechend zugestellt.

Systeme sind lernfähig

Außerdem sind diese Systeme lernfähig: Sie beziehen ihr Wissen bei den Vorschlägen für Antwortbausteine oder komplett vorgefertigte Antworten auch aus Beispielen aus der Vergangenheit.

„Lösungen für das professionelle E-Mail-Management bearbeiten bis zu 40 Mails pro Stunde. Sie rechnen sich schon für Unternehmen mit einem Aufkommen von 50 bis 100 E-Mails am Tag“, verspricht Dr. Klaus Netter, Executive Vice President Strategy bei Xtramind, deren „XM Mailminder“ in der Einstiegsversion mit 45 000 Euro zu Buche schlägt. Mind-up verfolgt mit „E-Dur“ ein Preismodell, das sich am E-Mail- Aufkommen orientiert. Für bis zu 1000 E-Mails pro Monat werden 2000 Euro pro Jahr an Lizenzgebühren fällig.

* Heide Witte ist freie Journalistin in München.