CW-Umfrage zum Cloud Computing

User misstrauen Amazon und Google

20.08.2010 von Joachim Hackmann
Professionelle IT-Anwender interessieren sich für das Cloud Computing. Doch Sie vertrauen den derzeit wichtigsten Anbietern nicht.
Quelle: J. Thew/Fotolia
Foto: J. Thew/Fotolia.com

Dem Cloud Computing kann sich kaum jemand entziehen, der sich professionell mit IT beschäftigt. Das alternative Betriebskonzept beherrscht die Diskussionen in Foren, Fachzeitschriften, Veranstaltungen und Gesprächen. Die aktuelle Bedeutung des Themas belegt auch die exklusive Umfrage der COMPUTERWOCHE unter 146 IT-Experten. Demnach haben sich bereits 85 Prozent der Befragten zum Teil intensiv damit auseinandergesetzt. Lediglich knapp zwölf Prozent gaben an, die IT-Wolken bislang ignoriert zu haben. Oft wird nicht nur darüber gesprochen, sondern auch gehandelt: 42 Prozent nutzen bereits die Cloud oder planen das. Weniger als 14 Prozent haben sich ausdrücklich gegen diese Betriebsart entschieden.

Trotz dieses scheinbar eindeutigen Interesses spaltet der Trend die IT-Gemeinde: "Cloud Computing ist die Zukunft. Wer jetzt keine Erfahrungen sammelt, verpasst den Anschluss und verschenkt entscheidende Wettbewerbsvorteile", schrieb uns ein Teilnehmer als Warnung an alle Zögernden in den Fragebogen. Doch das Tamtam um die IT-Wolke stößt anderen bitter auf. Es macht sie vorsichtig und kritisch: "Ist das nicht wieder mal ein Hype?", fragte ein verunsicherter IT-Experte, wogegen ein weiterer Befragter aus seiner Ablehnung keinen Hehl machte: "Das ist derzeit nur ein Hype. Mal sehen, was davon übrig bleibt."

CW-Umfrage im Schnelldurchlauf
CW-Umfrage im Überblick
Hier finden Sie die wichtigsten Ergebnisse der CW-Umfrage zum Cloud Computing im Überblick.
Die meisten beobachten die Cloud
Die Cloud beschäft nahezu jeden Anwender. Knapp 85 Prozent der Befragten gaben an, dass sie sich mit den Thema auseinandersetzen.
Viele beziehen bereits Services
Oft lassen die Anwender den Überlegungen auch Taten folgen. Knapp 30 Prozent beziehen bereits Dienste aus der Wolke. Ausdrücklich gegen eine Cloud-Nutzung haben sich weniger als 15 Prozent ausgesprochen.
Applikationen sind beliebt
Wenn sich Anwender für Cloud-Angebote interessieren, dann vor allem für Geschäftsanwendungen und Speicherkapazitäten.
Cloud-Dienste gegen Lastspitzen
Die Befragten schätzen die Flexibilität der Cloud-Services. Sie nutzen derartige Dienste beispielsweise, um Lastspitzen abzufedern.
Die Skepsis bleibt
Die Bedenken richten sich vor allem gegen Sicherheits- und Datenschutzproblemen.
Amazon und Google führen
Nach Einschätzung der Befragten führen Amazon und Google derzeit das Feld der Cloud-Provider an.
In fünf Jahren: Platzhirsch ist Google
Auch in fünf Jahren wird Google zu den führenden Anbietern zählen, doch die traditionellen IT-Anbieter haben aufgeholt.
Klassische Provider genießen Vertrauen
Google hat ein wesentliches Problem. Die Anwender vertrauen dem Konzern nicht. Sie wenden sich lieber an etablierte Anbieter wie IBM und T-Systems.
Sympathien für die Deutsche Cloud
Der Bitkom hat auf der CeBIT 2010 vorgeschlagen, eine deutsche Cloud zu installieren. Das trifft durchaus auf Zustimmung der Anwender.
Wichtige Daten bleiben inhouse
Dennoch speichern die Nutzer ihre kritischen Daten ungern in der Wolke.
Kein Einfluss auf die interne IT
Cloud wird die heutige IT um Services ergänzen, die Arbeit der internen IT aber nicht überflüssig machen.

Amazon und Google führend

Die derzeit führenden Anbieter im Cloud Computing sind nach Einschätzung der befragten Anwender derzeit Amazon und Google.

Entschiedene Ablehnung und Zustimmung spiegeln möglicherweise die Rolle der derzeit wichtigsten Anbieter wider, die zwar innovativ und umtriebig sind und dafür bewundert werden, aber im professionellen IT-Geschäft nicht immer eine gute Figur gemacht haben. Laut Umfrage billigen die befragten IT-Kenner derzeit Amazon (mit deutlichem Abstand), Google und Salesforce.com eine führende Rolle zu. Alle drei hatten schon mehrmals einen Ausfall ihrer Infrastruktur zu beklagen.

Insbesondere an Google scheiden sich zudem aufgrund des laxen Umgangs mit Nutzerdaten die Geister: Zufällig fiel die Umfrage in die Zeit, als publik wurde, dass der Internet-Konzern im Zuge des Streetview-Erhebungen mit seinen Kamera-Autos nicht nur Bilder von Straßen und Gebäuden schoss, sondern auch die Verfügbarkeit von WLANs registrierte und unerlaubt Daten aus ungeschützten drahtlosen Netzen speicherte. Das kommt bei deutschen Kunden nicht gut (siehe auch "Google scannt rechtswidrig Funknetze").

Vor diesem Hintergrund ist eine Zurückhaltung gegenüber der Cloud verständlich, zumal Google künftig nach Meinung der Umfrageteilnehmer in der Szene eine noch bedeutendere Rolle spielen wird. Befragt nach der Marktbedeutung der Anbieter in fünf Jahren, hievten 39 Teilnehmer Google auf Rang eins von zehn, 18 schoben den Konzern auf Rang zwei. Der Vorsprung vor den beiden Nächstplatzierten ist enorm: Nur 15 IT-Experten sehen IBM in den kommenden fünf Jahren auf dem ersten Platz, 14 erwarten dort Microsoft. Amazon sackt in der Gunst der Nutzer deutlich ab. Salesforce.com verorten sie künftig sogar unter "ferner liefen".

Vertrauen schlägt Technik

Google vertrauen die Anwender nicht. Sie beziehen Cloud-Dienste bevorzugt von klassischen IT-Providern wie IBM und T-Systems.

Die Computerwoche-Erhebung belegt auch in anderer Hinsicht die Widersprüchlichkeit im Cloud-Markt. Google wird bewundert, beachtet und beobachtet, jedoch nicht vertraut. In der Rangliste der vertrauenswürdigsten Unternehmen findet sich der Internet-Konzern abgeschlagen hinter Salesforce.com wieder. Wer einen zuverlässigen externen Betreiber für seine IT, Applikationen und Daten sucht, geht zu den klassischen Betreibern IBM, T-Systems und SAP. Sie mögen vielleicht nicht die schnellsten und innovativsten Cloud-Provider sein, aber sie genießen das Vertrauen der Anwender - und das ist vermutlich wichtiger.

Wie häufig, wenn neue Techniken sich einen Platz im Markt erobern, sind die Zweifel zunächst erheblich. Viele Nutzer von IT-Diensten aus Wolken bemängeln etwa, dass die Angebote weder transparent und vergleichbar noch untereinander operabel sind. Ein Teilnehmer fasste die Unsicherheiten folgendermaßen zusammen: "Was passiert mit den Daten bei einem Anbieterwechsel? Wie sieht die tatsächliche Verfügbarkeit sowohl auf Anbieter- als auch auf Kundenseite aus? Was passiert, wenn der Kunde einmal seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen kann? Alle behaupten, die Daten seien sicher - wie sieht die Realität aus?"

Bedenken noch nicht ausgeräumt

Sensible Daten speichern User ungern in der Wolke, unabhängig davon, wo das externe Rechenzentrum steht.

Selbst Anwender, die bereits Cloud-Dienste nutzen, haben noch keine Antworten auf alle offenen Fragen bekommen. Auch unter ihnen gibt es noch erhebliche Zweifel. Ihre Bedenken richten sich vor allem gegen Schwächen in der Sicherheit sowie im Datenschutz, zudem fürchten sie, gegen Compliance-Auflagen zu verstoßen. 50 Prozent der Nutzer von Cloud-Diensten machen sich diesbezüglich Sorgen. Hier müssen die Provider noch nachbessern.

Die meisten Befragten (57 Prozent) werden sensible Daten auf keinen Fall in die Cloud verlagern, unabhängig davon, ob die Server in Deutschland oder in einem anderen Land stehen. Knapp 19 Prozent vertrauen den europäischen Datenschutzstandards und würden Informationen einem externen Provider übergeben, wenn seine Server innerhalb der EU stehen. Etwa 18 Prozent beharren darauf, dass ihre extern gespeicherten Daten in Deutschland bleiben.

Die Flexibilität lockt

Wenn sich Anwender für Cloud-Angebote interessieren, dann vor allem für Geschäftsanwendungen und Speicherkapazitäten.

Warum die Nutzer trotz vieler Bedenken die externen Services schätzen, liegt an den vielen Vorteilen, die das Konzept ihnen bietet. Knapp drei Viertel wollen virtualisierte IT-Dienste beziehen, um Lastspitzen abzufangen. Damit, so ihre Hoffnung, müssen sie ihre interne IT künftig nicht mehr an den erwarteten Spitzenzeiten, sondern nur an der Grundlast ausrichten. Das spart enorme Investitionen in Storage beziehungsweise Server und schafft Flexibilität.

Werden zeitweilig zusätzliche Rechenleistung und Speicherplatz benötigt, stellt der Provider sie schnell und unkompliziert bereit. Außerdem zwingen die Cloud-Dienste die IT zur Standardisierung, weil die Betreiber keine kundenspezifischen Installationen zulassen. Während die interne IT in den vergangenen Jahren unter der Last der individuellen Erweiterungen ächzte, gibt es beim Cloud Computing überhaupt keine Diskussionen mehr um Extrawürste. Das entlastet die IT. 70 Prozent der Teilnehmer begrüßen die mit der Cloud einhergehende Vereinheitlichung der IT-Landschaft.

Erstaunlicherweise verärgert dies die Anwender nur wenig, immerhin müssen sie mit den ihnen vorgesetzten IT-Installationen arbeiten. Ganz im Gegenteil, die IT-Nutzer sind sogar noch zufriedener mit den Ergebnissen eines Cloud-Service als die interne IT. Die befragten Anwender vergaben auf einer Skala von 1 (sehr gute Erfahrung) bis 6 (sehr schlechte Erfahrung) den Durchschnittswert 1,89. Die befragten Mitarbeiter aus der IT-Abteilung bewerteten die Leistungen mit einer gemittelten Note von 2,03. Das Ergebnis scheint verlässlich, denn die Cloud-erfahrenen Anwender hatten ausreichend Gelegenheit, Erkenntnisse zu sammeln und zu vergleichen: Im Schnitt greifen die Unternehmen auf 8,46 Dienste zu. Wo die Cloud Einzug gehalten hat, findet sie offenbar schnell Freunde.

Eine Frage des Vertrauens

Die Voraussetzungen für einen Cloud-Siegeszug sind zum Großteil da, es fehlen nur wenige, wenn auch sehr wichtige Elemente. Die Dienste müssen nachweislich sicher sowie Compliance-komform sein, und die Provider müssen belegen, dass sie mit den ihnen übergebenen Daten verantwortungsvoll umgehen. "Solange es keine gesetzlichen Standards sowie keine rechtssichere und für Kunden verlässliche und vor Gericht beweisbare Datenstruktur gibt, halte ich die Cloud für ungeeignet, in ihr Firmendaten abzulegen", betonte ein Teilnehmer.

Welcher Anbieter künftig der Cloud-Provider der Wahl sein wird, ist völlig offen. Die klassischen IT-Dienstleister genießen einen Vertrauensvorschuss, was ihnen angesichts der erheblichen Bedenken der Anwender eine sehr gute Startposition einräumt. Allerdings sind ihnen neue Konkurrenten wie Amazon, Google und Salesforce.com mit ihren ausgefeilten Angeboten weit enteilt, was Betriebs-Know-how und -Erfahrung betrifft. Der Markt bleibt in Bewegung.