Analysten warnen vor übertriebenen Hoffnungen, dennoch:

US-Anbieter rechnen mit 9370-Folgegeschäft

12.12.1986

FRAMINGHAM (CWN) - Verbesserte Absatzchancen für ihre Mainframe-Produkte versprechen sich die amerikanischen Softwareanbieter von der 9370-Ankündigung der IBM. In US-Insiderkreisen ist es jedoch umstritten, ob die üblichen Großrechnerpakete im Kernsatzbereich des neuen Abteilungsrechners eine wirklich entscheidende Rolle spielen werden.

Starke Hoffnungen setzt beispielsweise Management Science America (MSA) in die 9370-Einführung. Der Anbieter sieht vor allem in den Bereichen Rechnungswesen, Personal und Fertigung große Chancen für einen erhöhten Softwareumsatz. Auch Sprecher der Software AG of North America, Applied Data Research Inc. (ADR) und Cullinet Software Inc. legen Wert auf die Feststellung, daß ihre Großrechnerpakete nur einen minimalen Anpassungsaufwand für die 9370 erforderlich machten.

Die Kritiker hingegen verweisen darauf, viele Mainframe-Applikationen und DBMS-Produkte seien viel zu komplex, um auf Abteilungsebene eingesetzt zu werden. Außerdem halte sich die Zahl der Anbieter in Grenzen, die die speziellen Kommunikationseinrichtungen der 9370 wirklich ausschöpften. Auch der voraussichtlichen Rolle der neuen Maschine als Abteilungsrechner in Herstellerkreisen werde zu wenig Rechnung getragen.

Andere Stimmen wiederum zweifeln daran, daß die Anpassung der verschiedenen Softwareprodukte wirklich problemlos vollstatten gehen könnte: Zwar dürfte es bei den Anwendungen auf /370-Basis kaum Probleme geben; aber bei denjenigen Applikationen die mit eingefügtem Systemcode arbeiten, könnte die Migration durchaus Schwierigkeiten bereiten.

Verteilte DBs nicht vorschnell implementieren

Hinzu kommt, daß IBM auf der 9370 weder IMS noch DL/1 unterstützt. DBMS-Kunden, die mit einem dieser Systeme arbeiten, müssen folglich Modifikationen vornehmen, ehe sie ihre gewohnten Produkte auf dem Abteilungsrechner einsetzen können.

Auch Unternehmen die eine verteilte Datenbank implementieren wollen, sollten sich diesen Schritt nach Ansicht der US-Analysten im Hinblick auf die 9370 gut überlegen: Zwar stehe ihnen jetzt ein geeigneter Prozessor auf Abteilungsebene zur Verfügung, speziell abgestimmte Utilities fehlten aber noch, heißt es in amerikanischen Marktbeobachter-Kreisen.

Probleme prognostizieren viele US-Branchenkenner auch im Zusammenhang - mit dem Remote-Zugriff auf einen Prozessor der /370-Familie.

Eines der wenigen Unternehmen die spezielle Software für die 9370 anbieten, ist ADR. Wie der Hersteller mitteilte, plante er die Entwicklung von LAN-Produkten, die eine Verbindung zur /370-Welt herstellen Ein 4GL-Tool soll ferner gewährleisten, daß LANs Zugriffsmöglichkeiten auf Datenbanken bekommen, die auf der 9370 geführt werden.

Daß die IBM mit ihrem neuen Rechner auf Abteilungsebene gegenüber DEC entscheidend an Boden gewinnen könnte, wird von US-Analysten allerdings bezweifelt. Viel Verantwortliche in den Unternehmen würden sich fragen, ob es sich lohnt, eine mehr als 15 Jahre alte Architektur auszubauen. Naheliegend sei es für diese Kunden vielmehr, Produkte auszuwählen, deren Verwendung auf Abteilungsebene weniger Probleme aufwerfe.