Update: Bill Gates kündigt sich ab

16.06.2006
Der reichste Windows-Anwender der Welt plant, sich ab 2008 vornehmlich um seine Stiftung zu kümmern. Die Welt trägt die Entscheidung mit Fassung.

Die Bedeutung einer Nachricht für ein börsennotiertes Unternehmen lässt sich in der Regel an der Reaktion der Investoren ablesen: War die Nachricht schlecht, bricht der Kurs ein; war sie gut, steigt der Marktwert der Firma. Microsoft-Gründer Bill Gates sollte sich über diesen Mechanismus und seine Bedeutung für den Konzern Gedanken machen, denn nach seiner Ankündigung, sich bis Mitte 2008 komplett aus dem Tagesgeschäft von Microsoft zurückzuziehen, passierte an der Börse - nichts. Zumindest nichts, was sich vom alltäglichen Maß des Handels mit Microsoft-Aktien unterschied. Insofern war der angekündigte Rückzug keine echte Schlagzeile, sondern nur eine ganz normale Personalie.

So leicht ist die Situation indes nicht, denn Gates und Microsoft sind Synonyme. Die Tatsache, dass der Manager auch nach 2008 Chairman des Konzerns bleiben wird, ändert kaum etwas daran, dass sich der Konzern ohne ihn im Tagesgeschäft verändern wird - vielleicht ist es dafür sogar höchste Zeit. Bis dato kann Gates immerhin darauf verweisen, aus dem Nichts ein Imperium geschaffen, erhalten und erfolgreich in fremde Hände übergeben zu haben. Viele seiner Weggefährten, Partner und Konkurrenten in der IT-Szene sind an nur einer dieser Hürden kläglich gescheitert. Dass Gates mit geschätzten 50 Milliarden Dollar Privatvermögen ausgestattet ist, gibt jeder Geschichte über ihn die nötige Würze.

Die Entscheidung sei ihm nicht leicht gefallen, wird Gates zitiert. Den Wechsel wolle er jedoch nicht als Rückzug auf das Altenteil, sondern als Neuordnung seiner Prioritäten verstanden wissen. Die weiteren Fakten in Kürze:

Der Zeitpunkt: Dank des Vorlaufs von zwei Jahren können sich das Unternehmen, die Partner und die gesamte Branche auf die Wachablösung vorbereiten. Zudem steckt der Konzern in einer Umbruchphase bei seinen wichtigsten Produkten: "Windows" und "Office". Dies wird gemeinhin als entscheidend für die Zukunft von Microsoft angesehen und lenkt etwas von der Bedeutung der Personalie Gates ab.

Gates' Zukunft: Seinen Posten als Chief Software Architect hat Gates ab sofort niedergelegt, es folgt ein schleichender Rückzug aus dem Management. Ab Juli 2008 will er dann mit dem Tagesgeschäft nichts mehr zu tun haben. Der Firmengründer bleibt auch nach 2008 Chairman des Verwaltungsrats von Microsoft, also die oberste Kontrollinstanz. Zudem will er das Unternehmen bei der Entwicklung von großen Softwareprojekten beraten. Er ist also nicht mehr da, aber auch nicht vollständig fort. Gates will sich künftig stärker in die Arbeit seiner Stiftung einbringen.

Die Nachfolger: Gates wird von Ray Ozzie und Craig Mundie beerbt. Letzterer leitet ab sofort die Abteilung Forschung und Strategie. Ozzie, dem allgemein die Vaterschaft an "Lotus Notes" nachgesagt wird, rückt von Cheftechniker zum Chief Software Architect auf. Die Beförderung ist als Ritterschlag zu werten; Ozzie kam erst vor einem Jahr zu Microsoft. Beide Nachfolger arbeiten die kommenden zwei Jahre eng mit Gates zusammen, damit der Wechsel reibungslos verläuft.

Die Stiftung: Ein Vorgänger der Bill & Melinda Gates Foundation wurde 1994 ins Leben gerufen. In den folgenden Jahren konsolidierte die Famile Gates ihre diversen philantrophischen Engagements. Im Geschäftsjahr 2005 wurden 1,36 Milliarden Dollar ausgeschüttet, die Zahl der Mitarbeiter stieg auf 250. Zum Schwerpunkt avancierte die Förderung der weltweiten Gesundheit. Insgesamt war die Stiftung Ende 2005 mit 29,15 Milliarden Dollar ausgestattet.

Die Wallstreet: Analysten konnten sich spontan nicht entscheiden, wie sie die Tragweite der Ankündigung werten sollten. Es hieß, die Mitte Juli erscheinenden aktuellen Quartalszahlen und die eine Woche später folgende Analystenkonferenz seien wichtiger. Der Kurs der Microsoft-Aktie gab am Freitag in einem schwachen Marktumfeld vorbörslich um ein Prozent nach.

Steve Ballmer: Der langjährige Weggefährte von Gates stieg im Jahr 2000 an die Spitze Microsofts auf, als sich Gates auf den Posten des Chief Software Architects zurückzog. Es wird künftig allein seine Aufgabe sein, den Konzern zusammenzuhalten und die Mitarbeiter anzutreiben. Ballmer braucht neue Wachstumsfelder, und er muss die Investoren überzeugen: Die Microsoft-Aktie hat sich trotz milliardenschwerer Sonderausschüttungen und anhaltend hoher Gewinnspannen in den vergangenen Jahren zum Sorgenkind entwickelt. (ajf)