SaaS, On-Demand, Utility

Unternehmen lassen Cloud Computing links liegen

28.05.2009 von Martin Bayer
Einer IDC-Umfrage zufolge haben sich drei Viertel aller deutschen Unternehmen noch nicht einmal mit dem Thema Cloud Computing beschäftigt. Für die Analysten ein deutlicher Beleg dafür, dass die Anbieter noch eine Menge Hausaufgaben zu erledigen haben.

"Cloud Computing ist in Deutschland noch nicht angekommen", lautet das Fazit von IDC zur jüngsten Umfrage. Im März dieses Jahres hatten die Analysten 805 deutsche Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern zum Thema Cloud Computing befragt. Lediglich 202 der Befragten gaben an, sich bereits mit dem Thema beschäftigt zu haben. 75 Prozent der Firmen räumten ein, sich bis dato noch nicht damit befasst zu haben.

Definition Cloud Computing

IDC versteht unter dem Oberbegriff Cloud Computing die Techniken und die Bereitstellungsmodelle, mit denen Cloud Services (Produkte, Services, Lösungen) für Unternehmen oder Konsumenten über das Internet in Echtzeit angeboten oder genutzt werden. Der Betrieb der Anwendungen erfolgt dabei extern bei einem Provider.

Cloud Computing Technologie

Die Cloud Computing Technologie ermöglicht das Anbieten von Cloud Services. Dieses Bereitstellungsmodell umfasst unter anderem Infrastruktursysteme (Server, Speichersysteme, Netzwerke), Anwendungssoftware, System- und Anwendungs-Management-Software und IP-Netzwerke.

Cloud Computing Services

Cloud Services sind Produkte, Dienstleistungen und Lösungen für Unternehmen oder Konsumenten. Sie werden über das Internet (Webbrowser) einfach (mit vergleichsweise geringen IT-Kenntnissen) und kurzfristig (meist in Echtzeit) bezogen. Die Angebote sind hoch skalierbar (Menge, Laufzeit), die Konfigurationsmöglichkeiten sind meist gering. Der Betrieb erfolgt durch einen Dritten (externer Provider) und die Abrechnung ist meist verbrauchsabhängig.

Über die Gründe des mangelnden Interesses lässt sich derzeit nur spekulieren. "Momentan herrscht noch viel Verwirrung im Markt", mutmaßt Matthias Kraus, Research Analyst von IDC. Gerade die vielen verschiedenen Begrifflichkeiten rund um das Thema wie Cloud Computing, On-Demand, Software as a Service oder Utility Computing würden die Anwender verunsichern. "Cloud Computing steht heute dort, wo Service-orientierte Architekturen vor etwa fünf bis sechs Jahren standen", ergänzt sein IDC-Kollege Rüdiger Spies. Auch das SOA-Thema habe eine relative lange Anlaufphase gebraucht bis es ins Rollen gekommen sei. Damit müsse man auch beim Cloud Computing rechnen.

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Konzerne springen auf Cloud Computing an

Während SOA lange Zeit nur theoretisch behandelt wurde und teilweise seinen Praxisbezug zu verlieren drohte, gibt es aber bereits einige Unternehmen, die Cloud Computing konkret einsetzen. Von den 202 Firmen, die angaben, sich damit zu beschäftigen, arbeiten 29 Prozent bereits mit Services aus der Cloud. Weitere 29 Prozent erklärten, den Einsatz von Cloud Computing zu planen. 27 Prozent der Befragten sind bis dato noch zu keiner endgültigen Entscheidung gelangt, 15 Prozent haben sich bewusst gegen die Cloud entschieden. Vor allem in Großunternehmen scheint das Konzept auf größere Akzeptanz zu stoßen. Die Hälfte der Firmen mit mehr als 5000 Mitarbeitern gab an, schon Cloud Services zu beziehen. Dagegen war IDC zufolge unter den Firmen, die sich gegen das neuartige IT-Bezugsmodell entschieden hatten, der Anteil der mittelständischen Unternehmen unverhältnismäßig hoch.

Matthias Kraus, IDC: Momentan herrscht noch viel Verwirrung im Markt.

Der wichtigste Grund, warum sich die Verantwortlichen in den Unternehmen mit Cloud Computing beschäftigen, ist offenbar die aktuelle Budgetsituation. 32 Prozent der Befragten äußerten die Hoffnung auf mögliche Kosteneinsparungen im Zuge der Nutzung von IT-Services aus der Cloud. Darüber hinaus verbinden die Firmen mit Cloud Computing eine bessere IT-Unterstützung ihrer Geschäftsabläufe. 30 beziehungsweise 29 Prozent der Unternehmen begründeten die Beschäftigung mit dem neuen Modell, sie könnte so die Anforderungen der Fachabteilungen beziehungsweise des Managements besser umsetzen.

Die Prognosen der Anwender für die weitere Entwicklung sind durchaus optimistisch: 45 Prozent rechnen damit, dass sich Cloud Computing in den nächsten zwei bis fünf Jahren bei der Beschaffung von IT etablieren wird. Lediglich neun Prozent gehen davon aus, dass das neue Bezugsmodell in diesem Zeitraum unbedeutend bleiben wird. "Die Einstellung der befragten Anwenderunternehmen spiegelt eine sachliche Auseinandersetzung mit der Thematik wider", sagt IDC-Analyst Kraus. "Insgesamt schätzen die deutschen Unternehmen die Entwicklung von Cloud Computing und die Möglichkeiten, die diese Services bieten, positiv ein."

Cloud-Anbieter müssen noch ihre Hausaufgaben machen

Rüdiger Spies, IDC: SOA hat auch Anlaufschwierigkeiten gehabt. Das wird bei Cloud Computing nicht anders sein.
Foto: IDC

Nichtsdestotrotz gilt es für die Anbieter von Cloud Services noch etliche Hürden zu meistern und Vorurteile zu überwinden. Viele Unternehmen haben nach wie vor Sicherheitsbedenken und befürchten die Kontrolle zu verlieren, wenn sie ihre Daten außer Haus geben, geht aus der IDC-Studie hervor. Der überwiegende Teil der Firmen, die sich gegen Cloud Computing entschieden haben, kritisieren, das Modell müsse zunächst einmal seine Praxistauglichkeit beweisen. Darüber hinaus müsse die Integration in bestehende Systeme verbessert werden, monieren die Skeptiker. Den Cloud-Anbietern werfen sie vor, dass es bislang zu wenige aussagekräftige Referenzprojekte gebe und es den Cloud-Protagonisten noch nicht überzeugend gelungen sei, die Vorteile herauszuarbeiten.

Die Konsequenz sei, dass Anwenderunterunternehmen noch abwarten, lautet die Bilanz von IDC-Analyst Kraus - solange bis die Einsatzgebiete von Cloud Computing klarer identifiziert und beschrieben seien. Aus Sicht der Marktbeobachter müssten die Anbieter verstärkt daran arbeiten, den Nutzen transparent darzustellen, den Begriff Cloud Computing zu schärfen und gegenüber den klassischen IT-Konzepten abzugrenzen.

Cloud Compution - Evolution statt Revolution

Holger Macho, IBM: Cloud Computing wird sich evolutionär entwickeln.

Doch das ist offenbar gar nicht so einfach. Holger Macho, Director of Provisioning and Configuration Development der Tivoli-Division von IBM, spricht in diesem Zusammenhang von einer Evolution. Das Konzept Cloud Computing müsse sich langsam aus den vorhandenen IT-Infrastrukturen heraus entwickeln, von einer Private Cloud, die die Anwender noch selbst betrieben, über eine Managed und dann Outsourced Private Cloud bis hin zur Public Cloud, die dann komplett von einem externen Dienstleister betreiben werde. Die Vorteile seien jedoch unbestritten. Macho zufolge dauere es IBM-intern nur noch wenige Minuten bis ein Test-Server für einen Entwickler bereitstehe. Früher habe dieser Prozess Wochen gedauert. Darüber hinaus habe sich die Server-Auslastung von rund 40 auf über 90 Prozent verbessert.

Michael Pauly, T-Systems: Firmenkunden lassen sich nur mit Sicherheit und Service-Level Agreements von Cloud Computing überzeugen.

Auch Michael Pauly von T-Systems spricht von einer Evolution in Sachen Cloud Computing. Aus seiner Sicht ist dieses Computing-Modell im Consumer-Bereich schon lange Realität. Pauly nennt in diesem Zusammenhang Internet-basierte Mailboxen, Download- Speicher- und Office-Dienste. Um Cloud Computing im Business-Umfeld zu etablieren müsse sich wegen der höheren Ansprüche der Kunden allerdings einiges tun. "Ist ein Web-Mail-Dienst einmal nicht verfügbar, schaut der Nutzer einfach ein paar Minuten später noch einmal nach. Für ein Unternehmen ist das nicht akzeptabel." Cloud-Anbieter müssten Firmenkunden daher mit Sicherheit und Service-Level-Agreements von ihrem Angebot überzeugen.

Frank Fischer, Microsoft: Es wird immer lokal installierte Software geben.

Zu guter letzt dürften die Cloud-Befürworter nicht den Bezug der Realität verlieren, mahnt Frank Fischer, Manager technische Evangelisten und Marketing Operations der Developer Platform & Strategy Group von Microsoft. "Es wird immer lokal installierte Software geben." Darüber hinaus lohne sich Cloud Computing nicht in jedem Fall. Gerade stark genutzte Applikationen sollten on-premise betrieben werden. Anwender müssten daher genau überlegen, welche Cloud Services sich unter dem Strich rechneten. "Es wäre zu einfach zu sagen, Cloud Computing ist immer günstiger." Microsoft sagt dies nicht ohne Grund: Der weltgrößte Softwarekonzern setzt jährlich Milliarden Dollar mit lokal installierten Anwendungen um, und dürfte kaum Interesse daran haben, dieses Geschäft zu untergraben.

Problem Software-Lizenzierung

Letztlich klingt bei allen Anbietern durch, dass sich der Markt für Cloud Computing noch entwickeln muss. Die Tatsache, dass dabei alle Hersteller mitspielen müssen, macht die Sache allerdings nicht einfacher. Gerade was die Frage der Software-Lizenzierung betrifft, zerbricht sich derzeit die gesamte Softwarebranche den Kopf: Wie läßt sich das klassische Lizenz-Wartungs-Modell für das Cloud-Zeitalter umwandeln? Konkrete Ideen sind indes noch Mangelware. "Jeder denkt darüber nach, aber das ganze ist ein Prozess", sagt Microsoft-Manager Fischer. Das braucht Zeit, bestätigt IBM-Mann Macho. Ein Lizenz-Modell für Cloud-Umgebungen lasse sich nicht so einfach aus dem Ärmel schütteln. Doch der Druck wächst: "Die Software-Lizenzierung in Cloud-Computing-Umgebungen ist ein Riesenproblem", sagt T-Systems-Manager Pauly. "Starre und unflexible Metriken können alle Vorteile von Cloud Computing zerschießen."