Berlecon-Studie

Unified Communications wird in den Firmen Realität

29.05.2009 von Manfred Bremmer
Einer aktuellen Studie zufolge ist Unified Communications in Deutschland kein Hype-Thema mehr: Mehr als die Hälfte der Unternehmen hat bereits eine UC-Lösung im Einsatz oder plant es. Bei einem weiteren Viertel wird dies zumindest intensiv diskutiert.

Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Umfrage, die Berlecon Research im Auftrag der Hersteller Damovo, Aastra und Cisco vorgenommen hat. Das Berliner Marktforschungsinstitut befragte dazu in den Monaten März und April 104 ITK-Verantwortliche und CIOs von Firmen ab 200 Mitarbeitern zum Thema Unified Communications (UC). Dabei gaben 56 Prozent der Teilnehmer an, sie hätten UC-Lösungen bereits im Einsatz oder planten in den nächsten zwei Jahren ein entsprechendes Projekt. Lediglich für jedes fünfte Unternehmen ist UC noch kein Thema, ein Großteil von diesen meinte, keinen großen Nutzen darin zu sehen.

Der Genauigkeit halber muss erwähnt werden, dass Berlecon anstelle des Schlagworts Unified Communications eine längere Definition abfragte - etliche ITK-Experten können nach wie vor nichts mit dem Begriff UC anfangen. Betont wurden dabei die Bündelung verschiedener Kommunikationskanäle und ihre Integration in Anwendungen. Trotz dieser auslegbaren Umschreibung sehen die meisten Firmen im Thema UC offenbar mehr als nur Skype und Faxintegration. 46 Prozent der Nutzer gaben an, bereits einen Unified-Communications-Server im Betrieb zu haben. 16 Prozent planen dies.

Breiter Wechsel auf IP

Allgemein stellte Berlecon fest, dass die "IP-isierung" der Unternehmen in Deutschland zügig voranschreitet: Zwar haben 87 Prozent der befragten Firmen nach wie vor noch (irgendwo) eine traditionelle Telefonanlage im Betrieb. Fast die Hälfte der Teilnehmer nutzen aber schon eine IP PBX, von 18 Prozent ist deren Einsatz geplant. Kostengünstige Telefonate über Voice over IP (VoIP) setzen immerhin schon 46 Prozent der Unternehmen ein - in einer entsprechenden Umfrage des Vorjahres waren es nicht einmal ein Drittel.

Berlecon-Chefin Nicole Dufft geht davon aus, dass UC die Integration von IT und TK weiter vorantreibt.
Foto: Manfred Bremmer

Das technische Zusammenwachsen von IT und TK spiegelt sich auch in der Organisationsstruktur wider: 84 Prozent der Unternehmen haben eine integrierte ITK-Abteilung oder planen dies innerhalb der nächsten zwei Jahre. Dennoch unterscheidet sich der Stellenwert von IT und TK weiterhin: Während die IT die Geschäftsbereiche und ihre Prozesse aktiv unterstützen soll, herrscht mit Blick auf die TK häufig noch eine operative Sichtweise vor. Sie soll in erster Linie kostengünstig sein und reibungslos laufen. Immerhin erkennt mehr als die Hälfte der ITK-Entscheider den strategischen Stellenwert von TK an. Berlecon-Chefin Nicole Dufft geht jedoch davon aus, dass UC die Integration von IT und TK weiter vorantreibt, wodurch sich wiederum der strategische Stellenwert erhöht.

Auch wenn in der Mehrzahl der Fälle die ITK-Abteilungen die Treiber bei der UC-Einführung sind, werden die Entscheidungen über die finanzielle, technische und organisatorische Umsetzung überwiegend vom Management und der Geschäftsführung getroffen. Die Firmen versprechen sich dabei von UC vor allem eine bessere Kommunikation mit Kunden und eine effizientere Vernetzung der Mitarbeiter. Ein zentraler Grund für die UC-Einführung ist außerdem die Verbesserung von Geschäftsprozessen, um die Reaktionsgeschwindigkeit zu erhöhen. Immerhin die Hälfte der Unternehmen führt UC aber auch ein, um Kosten zu sparen. Potenzial sehen die Befragten dabei insbesondere in der Konsolidierung der ITK-Infrastruktur, der Beschleunigung von Geschäftsprozessen und niedrigeren Telefonrechnungen.

Positive Nebeneffekte

Weniger hoch sind die Erwartungen, etwa durch integrierte Conferencing-Lösungen Reisekosten senken zu können. Auch das Potenzial, durch UC bei Administration und Wartung zu sparen, wird weniger wahrgenommen - beziehungsweise unterschätzt, wie die Aussagen von zusätzlich befragten Referenzkunden vermuten lassen. So verweist Harald Füssinger, IT-Leiter der Wenglor Sensoric GmbH etwa auf die unverhofft einfache Anbindung und Administration internationaler Standorte. Matthias Mehrtens, CIO der Stadtwerke Düsseldorf AG, und Markus Sauerbier von Pharmaserv preisen fast unisono die Reduktion von Umzugkosten. Diese Vorteile hängen allerdings nicht unmittelbar mit Unified Communications zusammen, sondern sind ein angenehmer Nebeneffekt, bedingt durch die Nutzung IP-basierender Infrastruktur.

Als Hürde für UC-Projekte sehen mehr als ein Drittel der Befragten den hohen finanziellen Aufwand und die Budget-Restriktionen aufgrund der aktuellen Wirtschaftslage an. Andererseits hätten 40 Prozent angegeben, dass das Budget keine Rolle spiele, berichtete Berlecon-Chefin Dufft bei der Präsentation der Ergebnisse. Auch sonst sind einige Erkenntnisse differenziert zu betrachten: So sahen etliche Befragte die notwendige Veränderung der Kommunikationskultur und die Überzeugung der Beschäftigten als ernst zu nehmende Herausforderung. Vertreter anderer Unternehmen erklärten dagegen, dass die Mitarbeiter einen solchen Wandel herbeisehnten, quasi "schon mit den Füßen scharrten".

UC zunächst intern nutzen

Carsten Nolte, Leiter Konzern Informationsmanagement, bei der Ergo Versicherungsgruppe, empfiehlt in diesem Zusammenhang, UC zunächst innerhalb der internen Kommunikation aktiv einzusetzen. Das Verständnis für Nutzen und Effizienz von UC komme dann mit der Nutzung. "Hat man UC einmal verstanden, werden dem potenziellen Anwender die Möglichkeiten schnell klar, für die eigene interne Arbeit, aber gegebenenfalls auch für die Arbeit mit Kunden", erklärt er.

Derzeit scheint es vielen Anwenderunternehmen noch schwer zu fallen, das volle Potenzial von UC auszuschöpfen. So werden typische Funktionen wie Automatische Rufweiterleitung, Conferencing und Collaboration zwar fast überall genutzt. Fast die Hälfte der Befragten gaben jedoch an, dass die Integration von Kommunikationsfunktionalitäten in Prozess- beziehungsweise Produktivitätsanwendungen weder geplant noch umgesetzt sei. Der Geschäftsführer von Damovo Deutschland, Carl Mühlner, sieht hier einen deutlichen Beratungs- und Integrationsbedarf. "Mit der Integration in Anwendungen wie beispielsweise CRM, wird Unified Communications erst interessant", meint er.

Ähnliches gilt offenbar auch für die Nutzung von Instant Messaging und Präsenzanzeige, die auf vergleichsweise niedrigem Niveau liegt. "Die Akzeptanz der Mitarbeiter ist sehr groß, weil es einfach eine enorme Erleichterung ist", berichtet Füssinger von Wenglor Sensoric. Mit Funktionen wie Click to Dial oder der Anzeige der Verfügbarkeit werde sehr viel Zeit eingespart. Pharmaserv-Manager Sauerbier weist darauf hin, dass viele Mitarbeiter in seinem Unternehmen mittlerweile die Kalenderintegration freigegeben hätten, weil es einfach sehr praktisch sei, in einer Konferenz oder einem Meeting nicht mehr gestört zu werden.

Zurückhaltung bei SaaS

Auch bei der Nutzung SaaS (Software as a Service) in den Bereichen der Kommunikationsinfrastruktur und -anwendungen sind die Befragten aktuell noch etwas zurückhaltend. Jeder Fünfte hält SaaS immerhin grundsätzlich für sinnvoll. Im Gegensatz dazu sind Managed Services - hier behält der Kunde zumindest die physische Kontrolle - sowohl bei der Kommunikations- (14 Prozent) als auch der Netzinfrastruktur (17 Prozent) durchaus verbreitet. 19 Prozent der Befragten nutzen bei Geschäftsanwendungen schon Managed Services. Abzuwarten bleibt, wie die Entwicklung weitergeht. Auf anderen Gebieten waren Managed Services eine Zwischenstation für das Outsourcing von Applikationen.

Den generellen Trend zu Unified Communications scheint die aktuelle Krise allenfalls zu bremsen, nicht jedoch zu stoppen: Manfred Bauer, Regional Channel Manager bei Cisco Deutschland, sieht bei den Kunden derzeit in erster Linie dreierlei Reaktionen: Ein kurzfristiger Return on Invest wird gefordert, das Projekt wird verschoben oder es werden Roadmaps mit mehreren Stationen eingeführt.