Interview mit HP-Chef Holdenried

Uli Holdenried, HP: "Uns kommen die Trends entgegen"

22.02.2008
Hans-Ulrich Holdenried, General Manager von HP Deutschland, glaubt an seine Organisation und die HP-Strategie. Schwächen im Bereich SOA und BI sieht er zwar, hält sie aber für schließbar. Außerdem sprach er mit CW-Redakteur Christoph Witte über die Möglichkeit von Akquisitionen und die Entwicklung des IT-Marktes.

CW: Als Sie die guten Zahlen für das vergangene Geschäftsjahr bekannt gaben, äußerten Sie sich auch für das laufende Jahr sehr zuversichtlich. Worauf gründet dieser Optimismus?

HOLDENRIED: Trotz der sich eintrübenden Konjunkturaussichten bleibe ich optimistisch. Unser Abschneiden im Markt hängt nicht nur vom Gesamtwachstum der Wirtschaft ab. Zu dieser Gleichung gehören außerdem die Entwicklung des IT-Markts und unsere eigene Ausrichtung. Und gerade diese interne Komponente bestärkt mich. Wenn Sie unser Unternehmen vor drei Jahren mit heute vergleichen, werden Sie einen deutlichen Unterschied feststellen. Das gilt nicht nur für die externe Wahrnehmung, sondern auch für die internen Abläufe. Nach Abschluss der 2005 angekündigten Restrukturierung haben wir heute Kostenstrukturen, die mit den früheren nicht vergleichbar sind. Außerdem sind wir mit unserem Produktportfolio verflucht gut aufgestellt. Ein gutes Beispiel ist die PC-Sparte. Dort lässt sich am deutlichsten erkennen, was auch für die anderen Bereiche gilt: Innovation zählt wieder mehr bei HP.

CW: Und wie entwickelt sich der IT-Markt?

CW-TV: Der Service ist unsere Klammer. Hans-Ulrich Holdenried im TV-Interview mit Christoph Witte.

HOLDENRIED: Wir wollen natürlich mindestens so stark wachsen wie der Markt – das wäre ein Plus von zwei bis drei Prozent. Aber ich habe mit Mark Hurd schon einen Chef, der größere Erwartungen hat. Die Trends im IT-Markt kommen uns entgegen. Das gilt zum Beispiel für die Nachfrage nach Infrastrukturen, die flexibel genug sind, um die sich rapide ändernden Geschäftsmodelle zu unterstützen.

CW: Kurz zur Begrifflichkeit: Zählen Sie Middleware, die häufig erst die Flexibilität ermöglicht, ebenfalls zur Infrastruktur?

HOLDENRIED: Ja, sicher. Uns geht es darum, unseren Kunden die Möglichkeit zu geben, die geforderte Flexibilität selbst herzustellen. Dazu benötigen sie nicht nur Hardware und Middleware, sondern auch die Software, um die Infrastruktur zu optimieren und zu managen.

CW: Was halten Sie von der These, dass die Infrastruktur – also Hardware und die Management-Software bis hinauf zu den großen Business-Applikationen - in Zukunft von Providern als Service bezogen wird? Ist HP darauf vorbereitet?

HOLDENRIED: Geschäftskritische und differenzierende Applikationen werden Unternehmen eher nicht nach draußen geben. Alles, was Commoditiy ist, wird dagegen immer mehr als Service eingekauft. Erst kürzlich haben wir ein entsprechendes Service-Portfolio auf den Markt gebracht, das es Firmen erlaubt, IT nach Bedarf zu beziehen und nach Verbrauch zu bezahlen.

Zukäufe in Sachen SOA?

CW: Welche anderen Schwerpunkte will HP in Deutschland setzen?

HOLDENRIED: Ich bin in Bezug auf unsere Softwareaktivitäten sehr optimistisch.

CW: Die bisherigen Softwareankündigungen und Zukäufe haben mit den Themen Infrastruktur und System-Management zu tun. Warum hält sich HP so bedeckt in Sachen SOA? Im Gegensatz zu den Mitbewerbern hört man da von HP sehr wenig.

Wir tun mehr, als wir sagen. Das ist ein altes HP-Problem, wir tun viel, aber wir kommunizieren es manchmal zu wenig.

HOLDENRIED: Wir tun mehr, als wir sagen. Das ist ein altes HP-Problem, wir tun viel, aber wir kommunizieren es manchmal zu wenig. Sowohl unsere Software- als auch unsere Servicestrategie unterstützen den SOA-Ansatz sehr stark.

CW: Ihr oberster Softwarechef Tom Hogan hat vor kurzem gesagt, dass HP viel Geld für Akquisitionen habe und da durchaus Größeres zu erwarten sei. Plant HP das Geld auszugeben, um sich in Sachen SOA zu verstärken?

HOLDENRIED: Dazu kann ich nichts sagen. Das wird wirklich in der Konzernzentrale entschieden und auch kommuniziert. Aber es gibt ein paar Fakten. Unsere Cash-Position ist sehr gut zurzeit. Das bringt uns strategische Flexibilität. Die haben wir bisher mit den Übernahmen von Peregrine, Mercury und Opsware selektiv genutzt – vor allem im Softwareumfeld. Das ist bisher sehr gut aufgegangen.

Im Softwaremarkt treten immer wieder neue Player auf

Innovation zählt wieder mehr bei HP.

CW: Im Verhältnis zum Mitbewerb begnügt sich HP mit relativ kleinen Übernahmen. Gleichzeitig konsolidiert sich der Softwaremarkt zurzeit sehr stark. Befürchten Sie nicht, dass die entscheidenden Übernahmeschlachten ohne HP geschlagen werden? Schließlich wird es immer schwieriger, organisch zu wachsen.

HOLDENRIED: Natürlich schreitet die Konsolidierung voran. Das ist eine Binsenweisheit. Aber anders als im Hardwarebereich treten im Softwaremarkt immer wieder neue Player auf den Markt. Deshalb ist mir da nicht bange. Ich bin sicher, wir verfolgen die richtige Akquisitionsstrategie. Ich kenne meinen Chef Mark Hurd genau. Wir werden sicher nichts kaufen, nur weil andere auf dem Akquisitionstrip sind. Wenn, dann muss das im Enterprise-Umfeld zu unserer Strategie passen.

CW: Ein Jahrzehnt setzte Ihr Hauptkonkurrent IBM alles auf die Servicekarte. Jetzt steigt er mit der Übernahme von Cognos wieder in das Applikationsgeschäft ein. Kann man das als Anzeichen dafür werten, dass IBM im Servicegeschäft nicht mehr genügend Wachstumspotenzial sieht?

HOLDENRIED: Zunächst heißt das nur, dass die IBM, genauso wie übrigens HP, enormes Potenzial im Segment Business Intelligence sieht. Wir setzen jedenfalls weiter auf Services als Wachstumstreiber. Ein Blick auf die unterschiedlichen Märkte zeigt auch warum. Der Hardwaremarkt entwickelt sich eher flach und damit auch die hardwarenahe Wartung. Dagegen legen die Segmente Outsourcing und Systemintegration um fünf bis sieben Prozent zu. Der Softwaremarkt wächst im Management-Bereich zwischen neun und zehn Prozent. Da haben wir 20 Prozent Marktanteil in Deutschland, den wir ausbauen wollen

CW: Warum ist HP dann im Service nach wie vor sehr produktnah aufgestellt?

HOLDENRIED: Das ist so nicht ganz richtig. Der Servicemarkt ist wie eine Pyramide aufgebaut. Die Basis bildet das Infrastruktur-Management, darauf baut das Informations-Management auf, gefolgt vom Applikations-Management. Die Spitze bildet das Business Process-Management. Für diese vier Stockwerke bieten Dienstleister die Services Support/Wartung, Consulting/Systemintegration und Outsourcing an. HP ist stark auf den Stufen Infrastruktur- und Information-Management. Da sind wir mit allen drei Dienstleistungsarten unterwegs. Im SAP-Umfeld sind wir auch in Sachen Applikations-Management gut aufgestellt. Natürlich wollen wir in den beiden oberen Stockwerken der Pyramide noch stärker vertreten sein, aber für eine Umpositionierung besteht kein Anlass.

Ist HP in Sachen BI unterrepräsentiert?

CW: Beim Thema BI scheint HP genauso unterrepräsentiert zu sein wie bei SOA.

HOLDENRIED: Wir geben da intern sehr viel Gas. Aber Sie müssen bedenken, dass wir in diesen Bereich neu einsteigen. Die Frage ist da, wie stark man trommeln soll, wenn man im Aufbau ist

CW: Dell, Ihren ewigen Konkurrenten im PC-Markt, hatten Sie zurückgedrängt. Nach Jahren vergeblicher Bemühungen konnte sich HP auf der Position des weltweiten Marktführers festsetzen. Jetzt scheint Dell wieder Boden gutzumachen. In den USA haben die Texaner im vierten Quartal die Pole-Position zurückerobert. Macht Ihnen das Sorge?

HOLDENRIED: Natürlich beobachten wir, wie sich die Marktanteile entwickeln, aber wir bewerten das nicht über. Wegen eines Quartals, in dem Dell in den USA jetzt vorngelegen hat, mache ich mir keine Sorgen. Viel wichtiger sind mir die fundamentalen Daten. Unser PC-Geschäft war im vergangenen Jahr 36 Milliarden Dollar groß, bei einem Umsatzwachstum von 25 Prozent und einer Marge von 5,3 Prozent. Das sind Werte, die wir sehr exakt verfolgen. An unserem PC-Geschäft sehen Sie, dass es richtig war, uns nicht von diesem Business zu trennen. Wir haben bewiesen, dass wir in diesem Markt nicht nur gegen den stärksten Konkurrenten bestehen können, sondern uns auch auf der Lösungsseite differenzieren können. Zudem erzielen wir Skaleneffekte, die wir ohne dieses Marktsegment nicht heben könnten. Dell wollte in die Breite gehen. Das haben sie nicht geschafft. Sie wollten unseren Druckerbereich anbohren, auch damit sind sie gescheitert. Bei uns wächst der Bereich nach wie vor um sechs Prozent und hat die gleiche Marge wie vor 2005.

Sieht das Ding gut aus?

CW: Welches ist für Sie der wichtigste Trend im PC-Markt?

HOLDENRIED: Mobilität. Das ist überhaupt keine Frage. Die Laptop-, Subnotebook- und Ultramobile-Segmente wachsen am stärksten. Das gilt für das Business- und das Privatkundengeschäft. Immer wichtiger wird der Lifestyle-Effekt dieser Geräte. Die Frage: Sieht das Ding gut aus oder nicht, gerät immer öfter zu einem wichtigen Element der Kaufentscheidung. Speziell bei Männern avanciert der Laptop neben Uhr und Handy zum wichtigen Accessoire. Darauf ist HP gut vorbereitet. Unsere Geräte sind inzwischen richtig schick. Die zeigt man gerne her.

CW: Parallel dazu scheint sich gerade bei den Ultramobile-Laptops ein Billigsegment zur eröffnen. Denken Sie nur an den Erfolg des Eee-PC von Asus.

HOLDENRIED: Das scheint so zu sein, ja. Aber ich persönlich glaube, dass die Massenmärkte für Geräte dieser Kategorie nicht mehr in Westeuropa oder USA liegen, sondern in Indien, China und anderen Schwellenländern.

CW: Wie sehen Ihre Kunden das Thema Green IT? Interessieren die sich dafür? Im Moment drängt sich der Eindruck auf, es sei ein Herstellerthema.

HOLDENRIED: Nein, das ist ein Business-Thema. Da muss man niemanden überzeugen. Jeder kann das anhand von Daten überprüfen. Langsam fallen die hohen Energiekosten in Rechenzentren wirklich fast allen auf. Das ist ein fundamentaler Kostenfaktor.

CW: Ist Green IT etwas, was Neubeschaffungen betrifft, die Kunden sowieso tätigen wollen, oder wird wegen der versprochenen niedrigeren Energiekosten eigens neue Hardware angeschafft?

HOLDENRIED: Beides. Wir beraten Unternehmen, wie sie ihre bestehende Infrastruktur energieeffizienter gestalten können und helfen bei der Implementierung. Genauso bieten wir für neue Rechenzentren entsprechende Lösungen an. Mit der HP Dynamic Smart Coolingm Lösung können sie den Energieverbrauch um die Hälfte reduzieren. Das schlägt schon zu Buche.

Holdenried persönlich

CW: Welchen Einfluss hat ein Statthalter oder der General Manager eines Landes auf das Geschäft von HP?

HOLDENRIED: Mit der Bezeichnung General Manager kann ich mich viel eher anfreunden als mit dem Wort Statthalter.

Ich sehe mich als Bindeglied zwischen dem globalen Konzern und dem lokalen deutschen Markt. Je stärker die zu treffenden Entscheidungen den Kunden in meinem Markt betreffen, desto größer ist mein Einfluss.

CW: Gibt es Dinge, die HP-Manager überhaupt nicht tun dürfen?

HOLDENRIED: Wenn ich gegen die HP Geschäftsgrundsätze, also unsere "Standards of Business Conduct" verstosse, habe ich genauso wie jeder andere HP Mitarbeiter ein gravierendes Problem. Der schnellste Weg, mein Golfhandycap zu verbessern, wäre Bestechungsgeld zu zahlen.

CW: Welche Aufgabe fällt Ihnen am schwersten?

HOLDENRIED: Mitarbeiter zu entlassen. Das gehört zwar zu meinem Job, aber es fällt mir schwer. Vielleicht hat das aber auch mit HP zu tun. Vor dem Jahr 2001 hatten wir nie Restrukturierungen, da musste ich nur die Leute bitten zu gehen, mit denen es absolut nicht funktioniert hat. Das ist in Restrukturierungszeiten ganz anders.

CW: Welche Art von Arbeit fällt Ihnen leicht?

HOLDENRIED: Nach 30 Jahren in der IT fällt es mir leicht, mit Zahlen zu arbeiten. Insgesamt mag ich das Analytische sehr gern, rational an die Dinge heranzugehen und sie genau unter die Lupe zu nehmen. Und mit Menschen gehe ich gerne um. Da bin ich, glaube ich, auch ganz gut. Marketing musste ich dagegen lernen.