Anwenderoptimiert

Ubuntu-Konkurrenz: Linux Mint 11 "Katya"

14.09.2011 von Jürgen Donauer
Kenner der Szene wissen, dass Canonical mit Ubuntu 11.04 "Natty Narwhal" den Desktop radikal geändert hat. Wem das nicht gefällt, bietet Mint 11 eine gute Alternative.
Getestet: Linux Mint 11 Katya
Foto: Jürgen Donauer

Nicht jeder ist mit Ubuntu und dem Unity-Desktop glücklich. Eine Möglichkeit wäre, Ubuntu im klassischen Modus laufen zu lassen. Eine andere Alternative ist das stark wachsende Linux-Mint-Projekt. Es ist nicht nur ein einfacher Ubuntu-Abklatsch, sondern wartet mit sinnvollen Eigenentwicklungen auf. Es gibt einen ersten Release-Kandidaten der Version 11, der auf Natty Narwhal basiert. Die COMPUTERWOCHE hat sich die Ubuntu-Alternative genauer angesehen.

Kein Unity und keine GNOME Shell

Die Mint-Entwickler haben bereits früh angekündigt, dass weder Unity noch die GNOME Shell zum Einsatz kommt. Das Projekt setzt weiterhin auf GNOME 2.32, bringt allerdings Compiz Fusion für nette 3D-Effekte mit sich.

Die Systemanforderungen sind bei einer Standard-Installation somit relativ gering. Logischerweise brauchen Sie für die 64-Bit-Version eine entsprechende CPU. Laut eigener Aussage gibt sich das Betriebssystem mit 512 MByte Arbeitsspeicher zufrieden. Die Entwickler empfehlen allerdings mindestens ein GByte. Speicherplatz sollten Sie mindestens fünf GByte zur Verfügung haben. Mindestanforderung an die Grafikkarte ist eine Auflösung von 800x600 Pixel.

Linux Mint 11 Katya getestet
Linux Mint
Der Desktop sieht aufgeräumt aus.
Favoriten
So hat der Anwender schnellen Zugriff auf seine Lieblings-Applikationen.
Büro
Auch bei Mint heißt es LibreOffice statt Openoffice.org.
Internet
Firefox 4 ist per Standard installiert. Dropbox müssen Sie auf Wunsch selbst einspielen.
Schriftarten
Neu im Software-Manager ist der Unterpunkt Fonts.
Internet-Pakete
Hier unterteilt der Software-Manager in Web, Email, Chat und File Sharing.
Applikationen
565 Kritiken hat Chromium schon bekommen.
Synaptic
Wirkt etwas angestaubt, ist aber mächtig wie eh und je.
Compiz
Damit zaubern Sie tolle 3D-Effekte auf den Bildschirm - richtige Grafikkarte und Treiber vorausgesetzt.
Kontrollzentrum
Hier haben Sie Linux-Mint im Griff.
Proprietär
Linux Mint macht das Aktivieren unfreier Treiber sehr einfach - ganz im Ubuntu-Stil.
Dateimanager
Mit Nautilus bewegen Sie sich durch die Dateien.
Banshee
Sofortzugriff auf Amazons MP3-Store und Last.fm.
Büro
LibreOffice 3.3.2 ist komplett frei und wird von The Document Foundation entwickelt.
Backup
Sie können nicht nur Daten sichern und wieder herstellen, sondern auch ihre komplette Software-Liste.
Alles grün
Die Hintergrund-Kollektion von Linux Mint.
Brandschutz
Diese Applikation ist eine GUI für ufw.

Anwenderfreundlich

Favoriten: So hat der Anwender schnellen Zugriff auf seine Lieblings-Applikationen.
Foto: Jürgen Donauer

Die Mint-Entwickler wollen es dem Anwender so einfach wie möglich machen. Aus diesem Grund gibt es nicht nur eine Live-CD, sondern auch eine Live-DVD. Die größere Ausgabe bringt eine ganze Reihe proprietärer Software mit sich, um weitere Installations-Orgien zu vermeiden. In manchen Ländern ist die Verteilung von unfreier Software, wie zum Beispiel Multimedia-Codecs problematisch. Daher kann sich der Anwender zwischen der DVD- und CD-Ausgabe entscheiden.

Auch für die CD-Version haben sich die Entwickler eine einfache Möglichkeit überlegt, die proprietäre Software nachträglich zu installieren. Dazu brauchen Sie aber eine Internet-Verbindung. Unter Administration finden Sie eine Schaltfläche, mit der Sie auf die DVD-Edition aktualisieren können. Damit installiert die Software auf einen Rutsch unter anderem volle Multimedia-Unterstützung, VLC, Gimp, Giver, Tomboy, LibreOffice-base, Java, Samba, weitere Schriftarten und so weiter. Wer nur Multimedia-Codecs installieren möchte findet eine entsprechende Schaltfläche unter Sound & Video.

Linux Mint stellt auch alle Pakete bereit, um das Betriebssystem komplett in Deutsch zu betreiben. Sollten Sie diesen Schritt während der Installation verpasst haben, können Sie das später unter Administration nachholen. Dort finden Sie auch eine Applikation, mit der Sie Windows-Treiber für WLAN-Karten installieren können. Das ist heutzutage nicht mehr so notwendig wie früher, die Entwickler behalten die Anwendung aber trotzdem bei.

Ebenfalls in Administration befindet sich eine GUI für die Konfiguration der Firewall. Im Prinzip handelt es sich dabei um eine grafisches Werkzeug für das Konsolen-Tool ufw (uncomplicated firewall).

System-Verbesserungen

Ab dieser Version gibt es einen neuen Befehl für den Konsolen-Paketmanager apt: apt download. Damit lassen sich entsprechende deb-Pakete mit allen Abhängigkeiten herunterladen. Anders als bei apt-get install werden diese aber nicht sofort installiert.

Auf 32-Bit-Systemen lassen sich nun die Adobe-Flash-Plugins 10.2 und 10.3 Beta nebeneinander installieren. Anwender können dann umschalten und auswählen, welche Version sie verwenden möchten. Es funktioniert mit folgendem Befehl: sudo update-alternatives --config libflashplayer.so. Auf 64-Bit-Systemen läuft das Square-Plugin nativ in 64-Bit.

Standard-Software und Software-Manager

Auch bei Mint heißt es LibreOffice statt Openoffice.org.
Foto: Jürgen Donauer

Linux Mint hat in Version 11 einige Standard-Software-Pakete geändert. Wie auch bei Ubuntu ersetzt das komplett freie LibreOffice das frühere Paket OpenOffice.org. Gwibber wird per Standard gar nicht mehr ausgeliefert. Als Foto-Verwaltungs-System kommt gThumb statt F-Spot zum Einsatz.

Banshee ersetzt Rythmbox als Musikabspiel-Software. Banshee hat zum Beispiel den Vorteil, dass Anwender Musik direkt in Amazons MP3-Shop einkaufen können. Die Pakete padevchooser, paman, papprefs, pavumeter und pavucontrol sind ebenfalls nicht mehr im System enthalten. Der vorinstallierte Internet-Browser ist Mozillas Firefox 4.

Firefox 4 ist per Standard installiert. Dropbox müssen Sie auf Wunsch selbst einspielen.
Foto: Jürgen Donauer

Wie man bei Linux Mint gewohnt ist, lassen sich im Software-Manager Applikationen bewerten. Somit können Sie vor einer Installation schon mal lesen, was andere von dem Programm halten.

Die Entwickler haben dem Software-Manager einen neuen Anstrich gegeben und die Symbole zur Kategorie-Auswahl vergrößert. Darüber hinaus gibt es jetzt die neue Kategorie Schriftarten oder Fonts.

Die Applikations-Fenster selbst erscheinen auch im neuen Look. Klicken Sie auf ein Paket, führt das System eine Simulation durch und sagt Ihnen dann genau, welche Pakete und Abhängigkeiten das System installieren oder löschen möchte.

Der Update-Manager und die Desktop-Einstellungen

Auch dem Update-Manager haben die Entwickler etwas Zeit spendiert. Die Aktualisierungs-Verwaltung ist schneller als früher. Bei den Vorgängerversionen hat das Programm die Internet-Verbindung geprüft, seine Regeln aktualisiert und dann nach Paket-Updates gesucht. In der neuen Version sucht die Applikation nur noch nach Paket-Updates.

Die Regeln, die die Sicherheits-Stufe für jedes Paket festlegen, sind nun im Update-Manager enthalten und müssen nicht mehr herunter geladen werden. Sollte es einen neuen Satz Regeln geben, geben die Entwickler eine Aktualisierung für den Update-Manager aus.

Das Desktop-Einstellungs-Werkzeug ist nun desktop-agnostic. Eigentlich wurde es für GNOME entwickelt. Allerdings kann das Tool nun erkennen, welche Desktop-Umgebung läuft und wird dann spezifische Einstellungs-Optionen bereitstellen. Dies wird aber erst dann relevant, wenn die Varianten KDE, Xfce, LXDE und Fluxbox von Linux Mint 11 erhältlich sind.

Das Backup-Tool

Backup: Sie können nicht nur Daten sichern und wieder herstellen, sondern auch ihre komplette Software-Liste.
Foto: Jürgen Donauer

Linux Mint bringt nicht erst seit dieser Version ein eigenes Backup-Werkzeug mit sich. Damit können Sie nicht nur Dateien sichern und wiederherstellen, sondern auch die installierte Software-Sammlung sichern. Dafür speichert Mints Backup-Tool die Liste der installierten Pakete in eine Datei. Sollten Sie Mint neu installieren, können Sie alle Pakete wieder in einem Schritt einspielen. Eine Internet-Verbindung ist hier natürlich wichtig.

Diese Methode eignet sich insbesondere bei so genannten frischen Upgrades. Wenn Sie auf eine neue Version umsteigen wollen, sichern Sie einfach die Daten und die Software-Liste. Danach können Sie den Rechner neu installieren und ihre Konfiguration recht schnell wieder herstellen.

Tipp: Linux Mint stellt auch eine auf Debian basierende "Rolling Distribution" zur Verfügung. Das heißt, dass diese immer auf den aktuellen Stand gehoben wird und somit auf unbestimmte, eigentlich endlos geplante Zeit, Updates erhält.

Nachteile von Linux Mint

Derzeit gibt es nur drei Nachteile gegenüber der Standard-Ubuntu-Ausgabe. Einmal fehlt die Möglichkeit, Applikationen Probe zu fahren. In Ubuntu können Sie viele Applikationen vor der Installation mittels einer Terminal-Server-Lösung testen. Diese Möglichkeit bietet Linux Mint 11 nicht. Das ist etwas schade, weil die sprichwörtliche Katze im Sack bekanntlich keiner gerne kauft.

Die zweite Sache, die es bei Linux Mint zu bemäkeln gibt, ist, dass es nicht wirklich einen festen Ausgabeplan gibt. Normalerweise erscheint eine neue Ubuntu-Version und die Mint-Entwickler geben ihre darauf basierende Version dann irgendwann aus. Wann dies aber so weit ist, weiß man nicht so genau. Ein fester Plan würde das Projekt für den produktiven Einsatz in der Geschäftswelt sicher attraktiver machen.

Eine Integration von Ubuntu One gibt es ebenfalls nicht, wenn man diesen Umstand überhaupt als Nachteil sehen kann. Mit Dropbox oder Spider Oak gibt es gute Alternativen, die ebenfalls zwei GByte kostenlosen Speicherplatz anbieten. Diese beiden perönlichen Cloud-Dienste haben gegenüber Ubuntu One sogar den Vorteil, dass sie mehr Plattformen unterstützen. Während Ubuntu Ones Windows-Client derzeit in einem Beta-Stadium ist, können Dropbox und Spider Oak mit Linux, Windows und Mac OS X gleichermaßen umgehen.

Linux-Kernel 2.6.38

Wie auch Natty Narwhal bringt Linux Mint 11 Kernel 2.6.38 und all dessen Vorteile mit sich. Es gibt bessere Unterstützung für aktuelle Hardware und der so genannte "Wunder-Patch" ist ebenfalls enthalten. Hierbei handelt es sich um eine recht kleine Änderung im Prozess-Scheduler, die einen spürbaren Geschwindigkeits-Schub bringt.

Ebenso wurden diverse WLAN-Treiber, unter anderem für Atheros, Broadcom, Ralink, Realtek und Intel verbessert. Der Kernel unterstützt außerdem aktuelle AMD- und NVIDIA-Grafikkarten. Nouveau bietet 2D- und 3D-Beschleunigung für Fermi-Chips. Auch mit Bobcat-Prozessoren, die in AMDs Fusion-Reihe verbaut werden, kann der Kernel umgehen.

Lebenszyklus und Hilfe

Wie lange eine Linux-Mint-Version unterstützt wird, die auf Ubuntu basiert, hängt von Ubuntu ab. LTS-Ausgaben (Long Term Support) bekommen genau wie bei dem Canonical-Betriebssystem drei Jahre Unterstützung. Alle anderen Versionen werden 18 Monate lang mit Updates versorgt.

Linux Mint hat eine sehr schnell wachsende Fangemeinde. Auch in Deutschland ist das Betriebssystem geschätzt. Wer Probleme mit Linux Mint hat, findet Hilfe im Forum. Wer dort nett fragt, bekommt in der Regel auch eine Antwort. Wie in jedem Forum gilt aber auch dort: Erst die Suchfunktion benutzen, dann fragen.

In der allgemeinen FAQ gibt es Hinweise zu Linux Mint an sich. Dort wird zum Beispiel erklärt, warum es so viele Mint-Varianten gibt. Im Software-Portal haben Sie einen Überblick der ganzen Software-Pakete. Dort können Sie die Bewertungen und Kritiken online lesen, die Sie sonst im Software-Manager zur Verfügung haben. In der Hardware-Datenbank haben Sie die Möglichkeit nach Geräten zu suchen und wie diese mit Linux Mint zusammenarbeiten. Das könnte vor einem Neukauf ein nützlicher Link sein.

Fazit

Linux Mint ist mehr als ein Ubuntu mit neuem Anstrich. Die Entwickler machen sich seit Jahren Gedanken, wie man es dem Anwender einfacher machen kann. Die Idee mit dem Bewerten von Applikationen hat Linux Mint zuerst gehabt. Ubuntu hat nun mit dem Probefahren von Applikationen einen drauf gelegt.

Die selbst entwickelten Werkzeuge wie das Backup sind mehr als einfach zu bedienen und durchaus sinnvoll. Auch das Design und das allgemeine Look & Feel gefällt bei Linux Mint 11. Die Idee mit den Favoriten im Mint Menü ist zwar auch nicht neu, hat sich aber bewährt und Anwender finden Ihre meist genutzten Applikationen schnell wieder.

Ansonsten bietet es die Geschwindigkeit und Stabilität, die man von Ubuntu gewohnt ist. Wer mit Unity nicht umgehen kann und mit der GNOME Shell auch keine Freundschaft schließen will, aber dennoch bei GNOME bleiben möchte, dem steht mit Linux Mint 11 eine gute Alternative zu Verfügung. Einen Blick ist es auf jeden Fall wert, das Betriebssystem lässt sich hierfür als Live-OS betreiben. Die derzeit aktuelle Version ist Linux Mint 11 "Katya" RC. Sie können ein ISO-Abbild von einem der zahlreichen Spiegel-Server beziehen. (ph)