Außerhalb der IT-Branche wird immer vom hohen Entwicklungstempo in der EDV gesprochen. Wer selbst in der Branche tätig ist, hat jedoch sehr oft das Gefühl, dass es oft lediglich der sprichwörtliche "Alte Wein in neuen Schläuchen" ist, der hier feilgeboten wird. Viele Technologien wirken nur auf den ersten Blick neu: So stellt beispielsweise VDI (Virtual Desktop Infrastructure) streng genommen nichts weiter als die Reduktion eines Terminalservers auf einen einzelnen, virtuellen Computer dar.
An anderen Stellen bekommt man als IT-Profi das Gefühl, es sei doch erst neulich gewesen, als diese Anwendung eingesetzt oder jener PC aufgestellt wurde. Solange sich alles brav im "Takt der Branche" verjüngt, stößt der Benutzer nur selten an Grenzen. Geht es jedoch darum alte Programme zu betreiben, Altdaten zu lesen oder schlicht einen in die Jahre gekommenen Rechner weiterbetreiben zu müssen, wird es etwas schwieriger.
Warum um alles in der Welt sollten Altsysteme überhaupt weiterbetrieben werden? Dafür gibt es durchaus Gründe, die nichts mit "übertriebener Sparsamkeit" oder "Nostalgie" zu tun haben: Dazu gehören mitunter spezifische Branchenprogramme, beispielsweise ein kleines Bibliotheksverwaltungsprogramm in einem Krankenhaus, eine Schlüssel- und Schlossverwaltung in einer Gemeinde oder die Steuerungssoftware für verschiedene Maschinen. Programme dieser Art werden oft von ihrem Hersteller eingestellt und der Kunde entscheidet sich dafür, die Software weiterzuverwenden, da ein Umstieg mit zu viel Aufwand oder Risiken verbunden wird.
In unserer Tool-Strecke stellen wir eine Reihe von Programmen vor, die entweder den Weiterbetrieb auf moderner Hardware ermöglichen, den Datenzugriff auf Altsysteme erlauben oder die Betriebssicherheit von älteren Systemen erhöhen. Unsere Auswahl ist dabei wie immer exemplarisch zu verstehen - es existieren viele leistungsfähige Programme für die unterschiedlichsten Aufgabenstellungen.
Virtualisierung als Mittel der Wahl
Die Virtualisierung von ganzen Computern auf einer modernen Hardware ist das sicherlich das wirkungsvollste Mittel, um sich als IT-Profi gegenüber dem Ausfall von Systemen abzusichern. Alte Computer sind möglicherweise nicht nur langsamer oder lauter, sie sind auch gefährdeter, was den Ausfall von Komponenten angeht. Festplattenschäden, defekte Lüfter, ausgetrocknete Kondensatoren oder gealterte Widerstände sind neben temperaturbedingten Defekten die Hauptursachen für einen Komplettausfall. Sofern es noch Ersatzteile für das Altsystem gibt, ist das kein Problem - was aber, wenn diese nicht mehr zu beschaffen sind? X86-Systeme auf neue Hardware zu virtualisieren ist ein galantes Mittel, um diese Problematik komplett auszuschließen.
Schnell gerettet mit dem VMware vCenter Converter
Der Converter von VMware ist so etwas wie die erste Anlaufstelle, wenn es darum geht, eine ältere Windows-Maschine ab der Version 9x oder NT als virtuelle Maschine auf eine neue Hardware zu portieren. Der Converter kopiert die kompletten Daten - auch von mit dem System verbundenen Storage- und RAID-Systemen - und transferiert die Informationen in ein einheitliches VMware-Hardware-Format. Das derart virtualisierte System kann anschließend auf jedem ESX/ESXi-System, mit oder ohne vSphere-Management-Software oder VMware Workstation beziehungsweise VMware-Player gestartet werden.
Der Converter selbst arbeitet auf Computern mit Windows ab der Version XP x86/x64 SP3. Die Installation der Software ist denkbar einfach: Der Nutzer muss lediglich die Fragen zum Speicherort beantworten und einen Neustart durchführen. Bei der Virtualisierung eines Computers unterstützt ihn dann ein Software-Assistent. Da der Vorgang stets über das Netzwerk durchgeführt wird, ist die allerwichtigste Voraussetzung für das Gelingen: Der Speicherort auf dem Converter-PC oder auf einem anderen Server/PC im Netzwerk muss von beiden Computern aus erreichbar sein. Ist diese Anforderung erfüllt, so ist die ganze Operation schnell abgewickelt.
Mit welchen Hardware-Eigenschaften die virtuelle Maschine nach der Konvertierung schlussendlich ausgestattet werden soll, legt der Anwender dann im Assistenten fest. Im Betrieb auf einer Hypervisor-Plattform, können diese Werte später ohnehin verändert werden.
Vorteile des VMware Converters:
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Kostenlose Software
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Optimale Anpassung in die VMware-Infrastruktur
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Breite Unterstützung von Gastsystemen
Nachteile des VMware Converters:
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Manche Konvertierungen dauern sehr lang
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Automatische Konfiguration nur in der kostenpflichtigen Variante
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Auf NTFS-formatierte Datenträger begrenzt
Fazit: Wer eine große Anzahl von Systemen automatisch virtualisieren und diese dann ebenso automatisch wieder aktivieren will, der muss zur kostenpflichtigen Variante des VMware Converters im Rahmen von vSphere greifen. Wer aber "nur" einen alten Windows 9x/NT/2000-Rechner auf eine neue Hardware portieren will, hat mit dem Standalone-Converter von VMware ein leistungsfähiges und sehr leicht zu bedienendes Werkzeug zur Hand. Die "VMware-Hardware Version" ist zudem ein beinahe allgemein anerkanntes Format. Eine derart virtualisierte Maschine kann zudem auch mit der kostenfreien VirtualBox von Oracle geöffnet werden.
VMware Workstation 9
VMware veröffentlicht in ziemlich regelmäßigen Abständen die Workstation-Version der eigenen Software. Während beispielsweise der Betrieb von Windows 8 unter VMware Workstation 8 nur experimentell unterstützt wurde, ist die aktuelle Version 9 komplett für Windows 8 freigegeben. Für die Virtualisierung von sehr alten Betriebssystemen sind die neuen Funktionen unerheblich, da hier nur mit wenigen Verbesserungen zu rechnen ist.
Anders sieht es jedoch aus, wenn die 3D-Grafikfähigkeit betrachtet wird. Mit der neuesten Version ist die Leistungsfähigkeit in diesem Bereich laut Herstellerangaben erneut gesteigert worden. Da auch Windows XP alsbald zu den "Legacy OS" gehören wird und es für XP eine große Anzahl von spezifischen Grafikbearbeitungsprogrammen gibt, ist diese Fähigkeit durchaus nützlich. Die Workstation unterstützt DirectX 9.0c Shader Model 3 und OpenGL 2.1 in Windows- und Linux-VMs. Selbst professionelle Anwendungen wie AutoCAD oder SolidWorks können mit der Software virtualisiert genutzt werden.
Vorteile der VMware Workstation 9:
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Unterstützung von sehr vielen Betriebssystemen
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Optimale Anpassung in die VMware-Infrastruktur
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Verbesserte Grafikfähigkeit
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Snapshots
Nachteile der VMware Workstation 9:
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Je nach Aufgabenstellung könnte der Preis ein Nachteil sein
Fazit: VMware Workstation mit Snapshots, virtuellen Netzwerken, der Fernsteuerung von ESX- und vSphere-Hosts ist die Profi-Variante einer Virtualisierungslösung. Wer einfach nur den alten Windows-95-Rechner betreiben möchte, für den ist die Software mit um die 200 EUR zu teuer und zu komplex. Die kostenlose Player-Version oder die kostenlose VirtualBox von Oracle ist dann sicher die bessere Wahl.
VMware Player
VMware stellt den sogenannten Player als kostenlose Möglichkeit zum "Abspielen" virtueller Maschinen zur Verfügung, sofern dies zum persönlichen Gebrauch geschieht. Die Unterstützung an Betriebssystemen entspricht dabei der Workstation-Version, allerdings sind die Möglichkeiten der Einflussnahme eingeschränkt: So kann der Anwender im Player beispielsweise nicht festlegen, über welches Netzwerk-Interface die virtuelle Maschine mit der Außenwelt kommuniziert. Auch die Verwaltung von Snapshots oder das Anlegen von Kopien der virtuellen Maschine im laufenden Betrieb ist hier nur sehr schwer möglich.
Vorteile des VMware Player:
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Für Privatanwender kostenlos
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Einfache Bedienung
Nachteile des VMware Player:
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Keine Snapshots
Fazit: Wenn es darum geht, ein virtualisiertes Altsystem einfach nur weiter zu nutzen, dann bekommt der VMware Player unsere hundertprozentige Empfehlung: Das Programm arbeitet genau wie es soll und ist zudem sehr einfach zu bedienen.
DOSBox 0.74: alte Programme und Spiele nutzen
Wer alte DOS-basierte Programme wie beispielsweise Lotus 1-2-3, WordStar oder Turbo Pascal aus welchem Grunde auch immer noch einmal nutzen will, kann sich die Installation von MS-DOS und den Einsatz einer großen Virtualisierungslösung wie VMware sparen. Mit der DOSBox steht eine komplett kostenfreie Möglichkeit zur Verfügung, DOS direkt unter Windows, Unix, Linux, Mac OS X oder selbst Android zu nutzen, ohne dass es dabei zu unterwünschten Interaktionen mit dem Primärbetriebssystem kommt. Die Liste der Host-Systeme macht es deutlich: DOSBox ist eine x86-Emulation und keine Virtualisierung. Beim Betriebssystem der DOSBox handelt es sich dann auch nicht um MS- oder DR-DOS, sondern die DOSBox gibt sich gegenüber den Programmen als MS/PC-DOS 5.0 zu erkennen. Ein Benutzer kann aber auch ein "vollwertiges" DOS oder ein Windows 3.x installieren, wenn er ein solches System benötigt.
Die bei alten System häufig nötige Konfiguration von EMS/XMS-Speicher, das Einbinden einer Soundblaster-Karte auf 220/5/1 oder der "kleine Intelligenztest" bei den Parametern für den CD-Treiber MSCDEX bleiben dem Anwender hier zum Glück erspart: Die DOSBox liest ein durch den Benutzer benanntes Verzeichnis ein und vergibt einen Laufwerksbuchstaben dafür. Anschließend kann der Anwender seine16-Bit-DOS-Programme direkt von diesem Laufwerk starten. Auch wenn sich Anwendungsprogramme nutzen lassen, so ist das primäre Einsatzgebiet der DOSBox doch der Start von alten Computerspielen. Deshalb existieren auch weitere speziellen Varianten der DOSBox, die beispielsweise den Einsatz einer Parallelschnittstelle ermöglichen.
Vorteile der DOSBox 0.74:
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Perfekte DOS-Nachbildung unter Windows
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kostenlos
Nachteile der DOSBox 0.74:
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In der offiziellen Version keine Unterstützung der parallelen Schnittstelle
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Mitunter fehlerhafte Darstellung des Zeichensatzes
Fazit: Die DOSBox ist ein beeindruckendes und überzeugendes Programm. Dank der Emulation kann ein Anwender selbst auf x64-Window-Systemen 16-Bit Programme verwenden. Wer weitere Emulationsprogramme beispielsweise für MacOS 7 oder 8, Atari XL oder Atari ST sucht, kann diese im Internet unter anderem auf der Seite Emulators.com finden.
Ein Browser mit langer Lebenszeit: Opera
Wir haben in dieser Tool-Strecke Programme vorgestellt, die eine Virtualisierung oder eine Emulation auf neuer Hardware ermöglichen. Doch die Anwender müssen in der Regel auch mit und innerhalb dieser "Alt-Systeme" arbeiten und stehen dann häufig vor der Frage, mit welchem Browser sie das tun sollen. So ist beispielsweise mit dem Microsoft Internet Explorer 5/6 für Windows 95, 98, ME oder NT keine brauchbare Darstellung von aktuellen Web-Seiten möglich und die Installation der neuen Browser-Generation scheitert in der Regel auf den alten Systemen: So bietet Microsoft den ganz neuen Internet Explorer 10 nicht einmal mehr für Windows 7 an.
Hier kommt der aktuelle Opera Browser 12 ins Spiel, der auch noch unter Windows 2000 arbeiten kann! Wer es noch "älter" benötigt: Die noch im Archiv des Herstellers zu findende Opera-Version 10.54 aus dem Jahr 2010 öffnet das modernere Internet selbst für Windows 98SE. Zudem ist Opera mehr als nur ein Browser und stellt zugleich auch ein einfaches E-Mail-Programm für POP/IMAP-Server dieser Plattformen bereit. Eine gute Alternative, denn einigermaßen aktuelle Mail-Programme sind für die alten Betriebssysteme ebenfalls nicht einfach zu bekommen.
Vorteile des Opera Browsers:
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Moderner und leistungsfähiger Browser
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Sehr lange Unterstützung von älteren Plattformen
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Bietet zudem ein integriertes Mail-Programm, das auf den älteren Plattformen eingesetzt werden kann
Fazit: Die Anbieter von Opera pflegen eine Tradition, die viele andere Hersteller ignorieren: die langfristige Unterstützung ihrer Produkte. Schließlich sind es häufig ja keine zwingenden Programmänderungen, die dafür sorgen, dass eine Applikation auf einem älteren Betriebssystem nicht mehr funktioniert. Den Hersteller ist vielfach einfach das Testen der Software auf alten, kaum noch genutzten Plattformen zu aufwändig und zu teuer.
Virenschutz: ClamWin Free Antivirus 0.75
Die gleiche Situation wie bei den Browsern findet man auch bei Antivirus-Software vor: Die meisten Hersteller solcher Lösungen unterstützen schon seit Jahren Systeme wie Windows 9x/NT/2000 nicht mehr. Auf Nachfrage versichern Kaspersky, Sophos, McAfee & Co, dass es nicht sie selbst seien, die an dieser "Nicht-Unterstützung" die eigentliche Schuld tragen. Sie machen geltend, dass mitunter entstandene Sicherheitslücken einfach nicht mehr geschlossen werden können, sobald Microsoft den Produktsupport einstellt, da so das darunterliegende System ungeschützt bleibt.
Dieser Umstand scheint die Entwickler der kostenfreien "ClamWin"-Software nicht davon abzuhalten, auch weiterhin diese Betriebssysteme zu unterstützen: Das Programm basiert auf dem Open Source Antivirus-System ClamAV und beginnt bei der Produktunterstützung mit Windows 98/NT4. Scans nach Schädlingen kann der Benutzer zeitgesteuert aktivieren, die Updates der Signaturdatenbank können automatisiert werden und das Programm integriert sich in Microsoft Outlook und das Windows-Kontextmenü. Allerdings handelt es sich bei diesem System nicht um einen On-Demand-Scanner, der permanent nach Viren sucht.
Vorteile von ClamWin:
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Aktueller Virenschutz selbst auf alten Computern/Servern
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Kostenlose Software
Nachteile von ClamWin:
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Kein Echtzeitschutz
Fazit: ClamWin kann mit den großen Antivirenlösungen unserer Tage sicherlich nicht mithalten - es fehlt schon der so wichtige On-Demand-Scanner. Trotzdem liefert das Programm aktuelle Antiviren-Pattern auch für alte Betriebssysteme aus. So wird der "Altrechner" mit ClamWin einfach ein ganzes Stück sicherer, was insbesondere dann wichtig ist, wenn häufig Daten zwischen diesen älteren und anderen Produktivsystemen ausgetauscht werden müssen.
Kann sich zum Problem entwickeln: Dateiformate konvertieren
Auch wer nicht regelmäßig alte Betriebssysteme einsetzt, stößt immer wieder auf das Problem, dass Dateikonvertierungen notwendig werden. Dabei zeigt sich häufig, dass diese Umwandlung beliebig kompliziert werden können. So lassen sich beispielsweise alte Formate wie WordStar für DOS unter Microsoft Word 2010 zumeist nur über verschiedene Zwischenschritte erledigen.
Praxis-Tipp: Haben Sie Ihren alten Rechner mit einer ebenfalls älteren Installation von Office bereits virtualisiert, so sollten Sie zunächst versuchen, mit Hilfe der Im- und Exportfilter zu moderneren Formaten zu gelangen. Die Erfahrung zeigt, dass diese Vorgehensweise zumeist bessere Ergebnisse als eine direkte Konvertierungen liefert.
Handelt es sich bei den Dateien jedoch um echte Exoten, muss der Anwender zwangsläufig tiefer in die "Trickkiste greifen. Geht es bei den Dateien beispielsweise um WordStar-ähnliche Formate, die auf einem DDR-Computer (faktisch einem CP/M-Nachbau) geschrieben wurden, so ist die Hilfe von Experten erforderlich. Solche Experten haben die Homepage "hc-ddr" aufgesetzt und bieten dort beispielsweise ein Perl-Skript an, das die DOT-Kommandos in WordStar-Dateien durch RTF-Kommandos ersetzt. Das dauert nur einige Sekunden und liefert - wie unser Screenshot im Bild 11 zeigt - ein brauchbares und damit auch lesbares Ergebnis. (ph)