Ratgeber

Tipps zur Stammdatenpflege

05.09.2007 von Arnd Oerter
Sind die Stammdaten konsolidiert und harmonisiert, müssen Anwender die dazugehörigen Prozesse laufend prüfen. Hierbei helfen Kennzahlen.

Viele Unternehmen sehen heute in konsistenten, hochwertigen Stammdaten wesentliche Erfolgsfaktoren für ihr Geschäft. Gerade in jüngerer Zeit wächst die Zahl der Projekte, die konsolidierte und harmonisierte Stammdaten schaffen sollen (siehe den Beitrag "Störfaktor Stammdaten"). Damit einhergehend werden Organisationen und Prozesse optimiert und in den entsprechenden IT-Systemen implementiert. Doch damit ist nur der Pflichtteil in puncto Stammdaten-Management abgedeckt.

Ebenso wichtig ist es, die Qualität der implementierten Prozesse nachfolgend zu messen und kontinuierlich zu verbessern. Anwender können hierzu Controlling-Werkzeuge für ein Process-Performance-Management (PPM) einsetzen. Diese messen und steuern anhand zuvor definierter Kennzahlen die neu implementierten Stammdatenpflegeprozesse und helfen weitere Verbesserungsmöglichkeiten aufzudecken. Die gewonnenen Erkenntnisse können dann zu Maßnahmen zur Anpassung und Korrektur bisheriger Prozesse führen (siehe auch den Beitrag "Stammdaten - weniger ist mehr").

Alle Prozesse einbeziehen

Vor der Konzeption und Implementierung eines solchen Controlling-Werkzeugs müssen jedoch alle Organisations-, Prozess-, Daten- und IT-Konzepte für Stammdaten definiert und implementiert sein und angewendet werden. Im Normalfall folgt daher ein solches Vorhaben auf ein klassisches Konsolidierungs- und Harmonisierungsprojekt. Wichtig ist, dass ein PPM für Stammdaten nicht nur die unmittelbaren Aktivitäten der Stammdatenpflege in den jeweiligen IT-Systemen betrachtet, sondern alle Prozesse, die Auswirkungen auf Stammdaten haben.

So sind beispielsweise der Ort der Stammdatenentstehung, die Schnittstelle zum eigentlichen Pflegeprozess der Stammdaten in den Systemen sowie die spätere Stammdatennutzung zu beachten. Ein PPM lässt sich weder "nebenher" erledigen noch spontan konzipieren und umsetzen. Vielmehr muss es einen Verantwortlichen geben, der sich dessen annimmt. (siehe auch den Beitrag "Wie man bessere Stammdaten bekommt")

Schritt für Schritt

Mit der Harmonisierung und Konsolidierung von Stammdaten ist es nicht getan. Unternehmen sollten zudem ihre Stammdatenprozesse laufend überwachen und weiter optimieren.
Foto: IDG

Zu Projektbeginn ist eine Analyse der Stammdatenpflegeprozesse und speziell deren Strukturierung nach Gesichtspunkten des gewünschten Monitorings erforderlich. Dies schafft die Grundlage, um die neu implementierten Stammdatenpflegeprozesse in handhabbare Pakete zu untergliedern und für diese dann entsprechende Kennzahlen (Key Performance Indicators = KPI) zu definieren. Dazu stehen verschiedene Kriterien zur Verfügung. Den Anfang kann die Untergliederung nach betriebswirtschaftlichen Inhaltspaketen wie beispielsweise die Einteilung des Materialstammes in produktionsrelevante Daten, vertriebsrelevante Daten und weitere logisch zusammengehörende Pakete machen (siehe auch den Beitrag über die Andritz Gruppe, die Stammdatenmanagement im großen Stil macht).

Darauf folgend ist eine Unterteilung in technische Inhaltspakete sinnvoll, wie beispielsweise der Status eines Materialstammes oder einer Stückliste. Als Nächstes ist die Differenzierung nach systemtechnischen Inhaltspaketen möglich, wie zum Beispiel alle Felder eines Materialstammes im Product-Lifecycle-Management-System gegenüber den Feldern im ERP-System.

Abgleich mit strategischen Zielen

Schließlich wird bei diesem Vorgehen nach organisatorischen Inhaltspaketen unterschieden, wie etwa nach allen globalen Daten gegenüber den regionalen, lokalen Daten des Materialstamms. Wichtig ist bei allen Arbeiten, dass der Anwender die Stammdatenpflegeprozesse genauestens analysiert und mit strategischen Zielen und dem Organisationskonzept der Stammdaten abgleicht. Insbesondere sind mit Hilfe der IT Kriterien zu definieren und technisch abzubilden, die das Erreichen eines Messpunktes anzeigen.

So kann die Vorgabe "Feld A ist mit einem bestimmten Wert gefüllt" ein Indikator dafür sein, dass die vertriebsrelevanten Daten vollständig gepflegt sind. Andere Kriterien können heißen "Der Status B des Materialstamms ist erreicht und im System verbucht" oder "Die Daten wurden per automatisierter Schnittstelle von SAP PLM an SAP APO übertragen".

Zeiten und Mengen als Messkriterien

Ist eine Prozessdefinition geschaffen, die gemäß den Anforderungen des Monitorings der Stammdatenpflegeprozesse strukturiert ist, geht es im zweiten Projektschritt darum, die Kennzahlen für Qualität und Effizienz der Stammdatenpflegeprozesse zu definieren und festzulegen. Die Kennzahlen sollen nachvollziehbar darstellen, ob die aus der Unternehmensstrategie abgeleiteten Ziele der Stammdatenpflege erreicht wurden und wo noch Raum für eine Optimierung besteht. Dazu stehen verschiedene Messkriterien zur Verfügung.

Zunächst können Zahlen bezüglich Mengenvolumen erhoben werden, die über die Anzahl gepflegter Materialstämme und Stücklisten in einem bestimmten Zeitraum Auskunft geben oder aber Aussagen über die Änderungshäufigkeit bestimmter Stammdatenobjekte zulassen. Als Nächstes sind zeitbasierende Zahlen denkbar, die Durchlaufzeiten von Pflegeprozessen wiedergeben und außerordentliche Liegzeiten im Prozess aufzeigen. Weitere Kennzahlen können organisationsbasierende Werte sein, wie zum Beispiel die Zahl der am Prozess beteiligten organisatorischen Einheiten. Wichtig ist, dass alle Kennzahlen zu den Unternehmens- und Prozesszielen passen, um nicht an Relevanz zu verlieren.

Dimensionen für Stammdaten festlegen

Parallel zur Definition der Kennzahlen müssen die Auswertungsdimensionen für Qualität und Effizienz der Stammdatenpflegeprozesse definiert und festgelegt werden. Dabei sollten sich Kennzahlen möglichst mehrdimensional darstellen und vergleichen lassen. Auch dafür gibt es verschiedene Kriterien. So kann zunächst nach organisatorischen Dimensionen wie Niederlassungen, Werken, Vertriebskanälen oder Kostenstellen eines Unternehmens unterschieden werden.

Hinzu kommen stammdatenbezogene inhaltliche Dimensionen wie zum Beispiel Materialarten, Stücklistenverwendungen oder unterschiedliche Merkmale in der Klassifizierung von Kunden oder Materialien. Ein weiteres Kriterium sind systemische Dimensionen wie Materialien in einem SAP-System verglichen mit Materialien in einem Nicht-SAP-System. Grundsätzlich gilt, dass die Auswertungsdimensionen unmittelbar mit der Definition der Kennzahlen zusammenhängen, also der Anwender sich schon beim Festlegen der Kennzahlen Gedanken machen muss, für welche Dimensionen sie ausgewertet werden sollen.

Kennzahlen und grafische Darstellung

Sind alle Voraussetzungen geschaffen, geht es im letzten Schritt um die Einrichtung des passenden PPM-Werkzeugs, das die Qualität und Effizienz der Stammdatenpflegeprozesse bewerten hilft. Nur durch ein solches Werkzeug lassen sich die definierten Kennzahlen für die gewünschten Dimensionen automatisiert ermitteln. Darüber hinaus wird man durch das System auf Planabweichungen hingewiesen, so dass sich entsprechend reagieren lässt.

Ein ausgereiftes PPM-Tool vermittelt dem Anwender ein umfassendes Leistungsbild seiner betrieblichen Abläufe auf zweierlei Arten: einmal quantitativ durch objektiv gemessene Prozesskennzahlen und andererseits auch qualitativ durch grafische Visualisierung der Struktur der tatsächlichen Vorgänge in Form von Prozessketten. Daran lässt sich erkennen, ob es Abweichungen gibt zwischen den ursprünglich definierten und den tatsächlich gelebten Prozessen. Durchgängige, automatisierte Pflegeprozesse mit klaren organisatorischen Rahmenbedingungen sind die Grundlage für eine erstklassige Datenqualität. Aber erst wenn sich die Prozessqualität objektiv messen und beurteilen lässt und die Bereitschaft zur stetigen Verbesserung da ist, können Abläufe optimal laufen. (siehe auch den Beitrag "Stammdaten-Management geht alle an")