Ohnmacht gegenüber IBM?

THINK

21.08.1987

IBM-Leitspruch

DENKSTE denn, DENKSTE denn, Du Berliner Pflanze, DENKSTE denn, ick liebe Dir, nur weil ick mit Dir tanze!

Gassenhauer, auch CW-Motto

Schon wieder heizt die IBM mit SNA-Verlautbarungen den Anbietern von kompatiblem Communications-Equipment ein. So müssen sich NCR Comten, Sperry (Unisys) und Control Data etwas einfallen lassen, wollen sie ihre schmale Kundenbasis im Third-Party-Netzwerkmarkt verteidigen. Nur wird das den Trend zu SNA - zumindest bei multinationalen Netzwerk-Anwendern - nicht stoppen.

Fortsetzung der Kolumne vom 14. August 1987 ("Toleranzgrenze"): Wir hatten die "Amdahls und Tandems" als "Anbieter von IBMs Gnaden" bezeichnet - und waren dazu die Erklärung schuldig geblieben. Hier ist sie: Wenn es um die ganz großen, flächendeckenden Transaktionssysteme geht - im Reisemarkt etwa, aber auch bei Banken, Versicherungen, Behörden, Industrie-Betrieben (Chemie, Öl, Automobil) und Service-Unternehmen, kann Mother Blue, die mit den 370-Dickmaschinen noch dick verdient, jeden Wettbewerber unterbieten. Das funktioniert - wenn alle SNA-Stricke reißen - auch in Form von Zusagen auf Blanko-Schecks, die nur die IBM aufgrund ihrer enormen Kapitalreserven einlösen kann. Die verfügbaren DV-Ressourcen (Manpower und Technik) spielen dabei eine untergeordnete Rolle. De facto haben wir es mit einem Monopol im Netzwerk-Markt zu tun.

Auf diesem Hintergrund erscheinen aus der Sicht der großen Anwender-Unternehmen mit Mainframe-Spitzenbedarf sowie umfangreichen Abteilungsrechner- und PC-Vernetzungsaufgaben alle Nicht-IBM-Hersteller als Zulieferer, als Subunternehmer, die nur existieren, weil Big Blue sie duldet - ein unerträglicher Gedanke. Denn der alleinige DV-Generalunternehmer bestimmt, welche Informationstechnik zum Einsatz kommt, greift damit "mittelbar" in die Unternehmens-Politik des Kunden ein. Skandalös, daß derartige Deals auch noch mit Steuergeldern (siehe Lufthansa, Bundespost und EARN) finanziert werden.

Gibt es Anzeichen dafür, daß sich die Situation auf natürlichem Wege, über den Markt, ändert? Kaum, denn die OSI- und Unix-Ufos erweisen sich bei näherem Hinsehen als bloßer Schein. Es ist für die IBM ein leichtes, sich - wenn es die Marktlage erfordert - an die Spitze der OSI/Unix-Bewegung zu setzen, beide Standards zu vereinnahmen. Das passiert genau so. Wer die IBM dafür lobt, verkennt, daß er vom Regen in die Traufe kommt.

In der Wahl der Wettbewerbswaffen, das kann nicht oft genug betont werden, kommt es für die Anwender immer mehr auf die richtige Informationstechnik an. Es gehört wenig Phantasie dazu, in der derzeitigen Situation eine Bedrohung für die Marktwirtschaft zu sehen. Es liegt in der Natur der Sache, daß das Monopol der IBM von ihren Konkurrenten "toleriert" werden muß. Andererseits kann sich der Kolumnist nicht um eine Kritik an den Computer-Spezialisten herumdrücken: Es darf unterstellt werden, daß die DV-Manager beim Anwender jede IBM-Schelte als Ärgernis betrachten - so, als ob ihr eigener Laden in Gefahr wäre. Ist er, wie wir gesehen haben, ja auch. Oder sollte es funktionierende Netzwerk-Globallösungen geben, die gänzlich ohne IBM-Komponenten auskommen? Wortmeldungen erbeten: Wir lassen uns diesbezüglich gerne widerlegen.